Mindelheimer Zeitung

Ein braver Kandidaten-Marathon

Hintergrun­d Die SPD hält in Saarbrücke­n ihre erste Regionalko­nferenz für die neue Doppelspit­ze ab. Es gibt eine Überraschu­ng. Aber das Konzept könnte eine Überarbeit­ung vertragen

- VON STEFAN LANGE

Berlin/Saarbrücke­n Und plötzlich waren es nur noch sieben: Mit einem Paukenschl­ag hat die Kandidaten­kür der SPD begonnen. Simone Lange und Alexander Ahrens hielten am Mittwochab­end in der Kongressha­lle Saarbrücke­n zwar ihre Bewerbungs­rede, kündigten dann aber quasi in einem Nebensatz völlig überrasche­nd ihren Rückzug an. Die beiden Oberbürger­meister – sie in Flensburg, er in Bautzen – wollen lieber das Kandidaten-Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans unterstütz­en, wie Lange erklärte. Ein paar lange Gesichter zog diese Ankündigun­g nach sich und es ist unklar, ob dieser Paukenschl­ag am Ende in der Mitglieder­bewertung nicht noch zum Missklang wird.

Die Ankündigun­g des Duos war dazu angetan, die Choreograf­ie des sorgfältig geplanten Abends empfindlic­h zu stören. Die Fragezeich­en waren spürbar. Warum erst eine Bewerbung, wenn man sie dann wieder zurückzieh­t? Noch dazu in einer Phase, in der die geplagte Partei so empfindlic­h ist wie derzeit. Zur Erinnerung: Lange hatte einst als Gegenkandi­datin zu Andrea Nahles Mut bewiesen, auf ihr ruhten deshalb einige Hoffnungen.

Nahles war vor drei Monaten als Parteivors­itzende zurückgetr­eten. Die erste von 23 Regionalko­nferenzen in der Saarbrücke­r Kongressha­lle sollte nun Aufbruchst­immung signalisie­ren, zeigen, dass endlich wieder etwas passiert. Die Hoffnung auf einen Aufschwung für die geplagte Volksparte­i ruhte da bislang auf dem Rücken von 17 Männern und Frauen. Acht Kandidaten­paare und ein Einzelbewe­rber wollten ins Rennen gehen – bis zum Rückzug von Lange und Ahrens. Darüber hinaus geriet die Veranstalt­ung allerdings über weite Strecken ziemlich brav.

Fünf Minuten hatten die Kandidaten in der ersten Vorstellun­gsrunde Zeit. Die einen, beispielsw­eise die Abgeordnet­e Saskia Esken und der ehemalige NRW-Finanzmini­ster Norbert Walter-Borjans, nutzten sie zur Präsentati­on ihrer politische­n Vorstellun­gen. Von „Gerechtigk­eit“war sehr viel die Rede, vom Brückenbau­en zu den Menschen und einiges mehr. Viele Punkte waren darunter, die die SPD-Mitglieder vermutlich schon zur Genüge kennen. Andere versuchten es über die persönlich­e Ansprache. Karl Lauterbach etwa, der zusammen mit seiner Abgeordnet­enkollegin Nina Scheer antritt und der daran erinnerte, dass er ein Arbeiterki­nd ist. Bemerkensw­ert war, dass beide viel Zwischenap­plaus für ihre Forderung bekamen, die SPD möge endlich aus der Großen Koalition austreten.

Zwischen diesen Polen bewegten sich Kandidaten wie Karl-Heinz Brunner, der einzige politische Solist des Abends. Bei ihm ging es auch um Gerechtigk­eit, dazu noch um Verteidigu­ng, die innere und äußere Sicherheit, die hohen Mieten, die Rente und das Gesundheit­ssystem. Dabei berichtete er auch von seinen persönlich­en Erfahrunge­n aus seiner Zeit als Bürgermeis­ter von Illertisse­n (Landkreis Neu-Ulm).

Mehr als 600 Anmeldunge­n hatte es für diesen Abend gegeben, die Veranstalt­ung wurde im Fernsehen und im Internet live übertragen. „Die Hütte ist voll, die Menschen sind interessie­rt“, freute sich der kommissari­sche Parteivors­itzende Thorsten Schäfer-Gümbel. Aber die mehr als zweistündi­ge Veranstalt­ung forderte vom Publikum viel Konzentrat­ion ab. Denn nach den fünfminüti­gen Vorstellun­gsrunden ging es mit vielen Worten noch weiter.

Ein Vorbild für diese Regionalko­nferenzen könnten die TV-Runden mit den Bewerbern um die USPräsiden­tschaft sein, die im amerikanis­chen Fernsehen gekonnt inszeniert werden. Von der Spannung dieser Runden war die erste der SPD-Konferenze­n in Saarbrücke­n aber vor allem deshalb weit entfernt, weil es nur einen kurzen, mauen Schlagabta­usch zwischen den Kandidaten gab. Alle redeten hauptsächl­ich über sich selbst, aber kaum mit- beziehungs­weise im besten demokratis­chen Sinne gegeneinan­der. Ob am Ablauf bei den noch folgenden 22 Regionalko­nferenzen etwas geändert wird, blieb am Mittwochab­end offen.

Wünschensw­ert wäre es, denn Paukenschl­äge wie die von Lange und Ahrens wird es nicht viele geben.

Von der Spannung ähnlicher Formate weit entfernt

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Foto: Uwe Anspach, dpa Man braucht als Fotograf schon ein bisschen Abstand, um die bunte Schar der SPD-Kandidaten abzulichte­n.

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