Ein braver Kandidaten-Marathon
Hintergrund Die SPD hält in Saarbrücken ihre erste Regionalkonferenz für die neue Doppelspitze ab. Es gibt eine Überraschung. Aber das Konzept könnte eine Überarbeitung vertragen
Berlin/Saarbrücken Und plötzlich waren es nur noch sieben: Mit einem Paukenschlag hat die Kandidatenkür der SPD begonnen. Simone Lange und Alexander Ahrens hielten am Mittwochabend in der Kongresshalle Saarbrücken zwar ihre Bewerbungsrede, kündigten dann aber quasi in einem Nebensatz völlig überraschend ihren Rückzug an. Die beiden Oberbürgermeister – sie in Flensburg, er in Bautzen – wollen lieber das Kandidaten-Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans unterstützen, wie Lange erklärte. Ein paar lange Gesichter zog diese Ankündigung nach sich und es ist unklar, ob dieser Paukenschlag am Ende in der Mitgliederbewertung nicht noch zum Missklang wird.
Die Ankündigung des Duos war dazu angetan, die Choreografie des sorgfältig geplanten Abends empfindlich zu stören. Die Fragezeichen waren spürbar. Warum erst eine Bewerbung, wenn man sie dann wieder zurückzieht? Noch dazu in einer Phase, in der die geplagte Partei so empfindlich ist wie derzeit. Zur Erinnerung: Lange hatte einst als Gegenkandidatin zu Andrea Nahles Mut bewiesen, auf ihr ruhten deshalb einige Hoffnungen.
Nahles war vor drei Monaten als Parteivorsitzende zurückgetreten. Die erste von 23 Regionalkonferenzen in der Saarbrücker Kongresshalle sollte nun Aufbruchstimmung signalisieren, zeigen, dass endlich wieder etwas passiert. Die Hoffnung auf einen Aufschwung für die geplagte Volkspartei ruhte da bislang auf dem Rücken von 17 Männern und Frauen. Acht Kandidatenpaare und ein Einzelbewerber wollten ins Rennen gehen – bis zum Rückzug von Lange und Ahrens. Darüber hinaus geriet die Veranstaltung allerdings über weite Strecken ziemlich brav.
Fünf Minuten hatten die Kandidaten in der ersten Vorstellungsrunde Zeit. Die einen, beispielsweise die Abgeordnete Saskia Esken und der ehemalige NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans, nutzten sie zur Präsentation ihrer politischen Vorstellungen. Von „Gerechtigkeit“war sehr viel die Rede, vom Brückenbauen zu den Menschen und einiges mehr. Viele Punkte waren darunter, die die SPD-Mitglieder vermutlich schon zur Genüge kennen. Andere versuchten es über die persönliche Ansprache. Karl Lauterbach etwa, der zusammen mit seiner Abgeordnetenkollegin Nina Scheer antritt und der daran erinnerte, dass er ein Arbeiterkind ist. Bemerkenswert war, dass beide viel Zwischenapplaus für ihre Forderung bekamen, die SPD möge endlich aus der Großen Koalition austreten.
Zwischen diesen Polen bewegten sich Kandidaten wie Karl-Heinz Brunner, der einzige politische Solist des Abends. Bei ihm ging es auch um Gerechtigkeit, dazu noch um Verteidigung, die innere und äußere Sicherheit, die hohen Mieten, die Rente und das Gesundheitssystem. Dabei berichtete er auch von seinen persönlichen Erfahrungen aus seiner Zeit als Bürgermeister von Illertissen (Landkreis Neu-Ulm).
Mehr als 600 Anmeldungen hatte es für diesen Abend gegeben, die Veranstaltung wurde im Fernsehen und im Internet live übertragen. „Die Hütte ist voll, die Menschen sind interessiert“, freute sich der kommissarische Parteivorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel. Aber die mehr als zweistündige Veranstaltung forderte vom Publikum viel Konzentration ab. Denn nach den fünfminütigen Vorstellungsrunden ging es mit vielen Worten noch weiter.
Ein Vorbild für diese Regionalkonferenzen könnten die TV-Runden mit den Bewerbern um die USPräsidentschaft sein, die im amerikanischen Fernsehen gekonnt inszeniert werden. Von der Spannung dieser Runden war die erste der SPD-Konferenzen in Saarbrücken aber vor allem deshalb weit entfernt, weil es nur einen kurzen, mauen Schlagabtausch zwischen den Kandidaten gab. Alle redeten hauptsächlich über sich selbst, aber kaum mit- beziehungsweise im besten demokratischen Sinne gegeneinander. Ob am Ablauf bei den noch folgenden 22 Regionalkonferenzen etwas geändert wird, blieb am Mittwochabend offen.
Wünschenswert wäre es, denn Paukenschläge wie die von Lange und Ahrens wird es nicht viele geben.
Von der Spannung ähnlicher Formate weit entfernt