Mindelheimer Zeitung

Kein Ende der Niedrigzin­sen in Sicht

Finanzpoli­tik Am 1. November soll die Französin Christine Lagarde Chefin der Europäisch­en Zentralban­k werden. Doch sie macht Sparern wenig Hoffnung auf bessere Zeiten

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Christine Lagarde wusste, welchen Satz jeder von ihr hören wollte. Doch die frühere französisc­he Finanz- und Wirtschaft­sministeri­n und Chefin des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) in Washington sagte ihn an diesem Mittwoch im EU-Parlament nicht. Sie sagte das Gegenteil: Als künftige Präsidenti­n der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) werde sie die Nullzins-Politik ihres Vorgängers Mario Draghi „noch längere Zeit“fortsetzen. Zwar setzte sie hinzu: „Wir müssen die negativen Folgen und Nebeneffek­te im Blick haben. Ich weiß, welch tief greifenden Auswirkung­en das für die Menschen hat.“Aber trotzdem sei diese lockere Geldpoliti­k erforderli­ch, weil sich die EZB auf die nächsten Krisen – wie den Klimawande­l – einstellen müsste.

Für Sparer ist das keine gute Nachricht. Die Währungshü­ter hielten den Leitzins in den vergangene­n Jahren auf dem Rekordtief von null Prozent. Banken erhalten frisches Kapital bei der Notenbank zum Nulltarif, parken sie Geld auf deren Konten, müssen sie 0,4 Prozent Strafzinse­n zahlen. Vermutlich bleibt es auch dabei.

Lagarde hatte nicht viele positive Ankündigun­gen dabei, als sie sich am Mittwoch den Abgeordnet­en des Wirtschaft­s- und Währungsau­sschusses stellte. Schon die erste Frage des CSU-Finanzpoli­tikers Markus Ferber an die bisherige IWFChefin ging ans Eingemacht­e. Nachdem Lagarde zunächst ein Bekenntnis für „innovative Maßnahmen“der EZB abgelegt hatte, wollte Ferber wissen, was damit gemeint sei: Die Abschaffun­g des Bargeldes? Ein anhaltende­r Geldsegen für Staaten und Bürger, um den Konsum und die Inflation anzuheizen? Negativ-Zinsen auf Sparguthab­en? Lagarde wand sich, griff zu einem allgemeine­n Ausblick und referierte über die Entscheidu­ngen, die die Banken während der Finanzmark­tkrise ergreifen mussten. „Was sind angemessen­e Instrument­e in einer solchen Krise? Wir brauchen Kosten-Nutzen-Rechnungen“, dozierte sie. Eine klare Antwort hätte anders ausgesehen. Nur einmal wurde die erfahrene Finanzpoli­tikerin konkret, als sie auf Draghis Zusage in der Staatsschu­ldenkrise angesproch­en wurde, „alles zu tun, was notwendig ist, um den Euro zu retten“. „Ich hoffe, dass ich diesen Satz nie sagen muss“, antwortete sie. „Denn das würde bedeuten, dass andere wirtschaft­spolitisch­e Akteure nicht das tun, was sie tun müssen.“

Dennoch musste Lagarde keine Minute daran zweifeln, ob die Parlamenta­rier ihr Wohlwollen ausspreche­n würden. Der Grünen-Abgeordnet­e Sven Giegold lobte Lagardes Zusage, Klimaschut­z als zentrale Herausford­erung für die Finanzmärk­te ernst zu nehmen. Der SPD-Finanzpoli­tiker Joachim Schuster hob ihre Aussage hervor, dass der „Eurozone weiterhin ein wichtiges fiskalpoli­tisches Instrument fehlt, um die europäisch­e Geldpoliti­k effiziente­r zu gestalten“. Die Französin kritisiert­e deutlich jene Regierunge­n, die die Zeit wirtschaft­licher Stärke nicht nutzen, um für Krisenzeit­en vorzusorge­n. Der Euro sei nicht nur stabil, sondern auch so stark, dass er auf dem Finanzmark­t als Ersatzwähr­ung für den Dollar attraktive­r werden könnte.

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Foto: Francisco Seco, dpa Im EU-Parlament stand Christine Lagarde den Mitglieder­n des Wirtschaft­s- und Währungsau­sschusses am Mittwoch Rede und Antwort.

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