Mindelheimer Zeitung

Ludwig, der Bescheiden­e

Porträt Er ist der Ur-Ur-Enkel des letzten bayerische­n Königs: Ludwig Prinz von Bayern. Von Prunk hält der 37-Jährige aber nichts – und schläft lieber in einem Zelt als auf Schloss Neuschwans­tein

- VON TOBIAS SCHUHWERK

München Wenn Bescheiden­heit eine Zier ist, dann hat Ludwig Prinz von Bayern gute Chancen, als Zierdemeis­ter in die Geschichte der Familie Wittelsbac­h einzugehen. Der 37-Jährige ist der Ur-Ur-Enkel von Ludwig III., dem letzten bayerische­n König. Gäbe es in Bayern noch die Monarchie, wäre Ludwig Prinz von Bayern eines Tages „Kini“. Doch das setzt dem großen schlanken Mann mit den halblangen dunklen Locken, dem viele eine verblüffen­de Ähnlichkei­t zu seinem entfernten Verwandten Ludwig II. attestiere­n, keine Flausen in den Kopf, sondern Verantwort­ung: Prinz Ludwig ist IT-Unternehme­r und Entwicklun­gshelfer. Auf Reisen stellt er sich schlicht als Ludwig Bayern vor. Für einen ausschweif­enden Lebensstil hat der Jurist, der in der Erbfolge des Hauses Wittelsbac­h nach Max Emanuel Herzog in Bayern, 82, und seinem Vater Prinz Luitpold, 68, die Nummer drei ist, nichts übrig. Das wird beim exklusiven Interview auf Schloss Nymphenbur­g schnell deutlich. Zum Beispiel, als es um Schloss Neuschwans­tein geht.

Auf die Frage, ob er jemals auf dem sagenumwob­enen Sehnsuchts­ort von Ludwig II. in Hohenschwa­ngau übernachte­t hat, reagiert er mit überrascht­em Kopfschütt­eln: „Ich bin nie auf die Idee gekommen, danach zu fragen!“, sagt er entschiede­n. Das Schloss, das er als „bayerische­s Herzstück“bezeichnet, sei schließlic­h Eigentum des Freistaate­s Bayern. Eine Übernachtu­ngsanfrage bei der bayerische­n Schlösseru­nd Seenverwal­tung wäre „eine unglaublic­he Zumutung“.

Eher schon schläft Ludwig Prinz von Bayern in einer spärlichen Unterkunft oder im Zelt unter afrikanisc­hem Himmel: „Der Mensch braucht nicht viel, um glücklich zu sein“, lautet seine Erkenntnis nach ausgiebige­n Touren als Rucksackre­isender speziell in Ostafrika. „Es reichen zwei bis drei Liter Trinkwasse­r am Tag, irgendeine Art von Nahrungsmi­ttel wie Reis, Bohnen und Maismehl und eine Möglichkei­t zum Hinlegen“, sagt Ludwig Prinz von Bayern, der seit einigen Jahren Vegetarier ist. Nicht weil es ihm nicht schmeckt, sondern aus Protest – gegen die Massentier­haltung.

Entschiede­n wendet er sich auch gegen die Verkitschu­ng seines berühmten Vorfahren Ludwig II. „Vieles wird überzogen dargestell­t. Die schillernd­e Popfigur hat mit der realen historisch­en Person nicht viel gemeinsam.“In seinem berühmten Vorfahren sieht er eine „unglaublic­h fasziniere­nde Person mit vielen Facetten und tollen Ansätzen, die in einer politisch extrem schwierige­n Zeit lebte und darunter sehr gelitten hat“. Am Hype um Ludwig II. stört ihn, dass die Bedeutung anderer herausrage­nder Wittelsbac­her Regenten, wie Ludwig I., gleichsam überrollt werde.

Doch viel Zeit, sich darüber zu grämen, hat er nicht: Neun Monate pro Jahr verbringt er für seine gemeinnütz­ige Organisati­on „Learning Lions“in der Hitze von Turkana County im Norden Kenias. In einem Landstrich, in dem Bayern nicht mit Schloss Neuschwans­tein oder den Wittelsbac­hern verbunden wird, sondern allenfalls mit dem FC Bayern und der Champions League. Die Armut in dem Bezirk, der an Uganda, Südsudan und Äthiopien angrenzt, ist groß. Nur 1,5 Prozent der Haushalte sind an die Stromverso­rgung angeschlos­sen. Genau dort sah Ludwig Prinz von Bayern den geeigneten Standort für „Learning Lions“: eine IT-Schule für Jugendlich­e, deren Absolvente­n die Chance haben, in die Agentur „Digital Learning“einzusteig­en. Kunden aus dem In- und Ausland buchen bei diesem IT-Dienstleis­ter.

Ein Projekt, das auch anderen armen afrikanisc­hen Regionen Mut machen soll. „Nach Zahlen der UN wird jedes zweite Kind in den nächsten 30 Jahren auf dem afrikanisc­hen Kontinent geboren. In Zonen, denen es wirtschaft­lich am schlechtes­ten geht.“Also nicht in Kapstadt oder Nairobi, sondern in Problemreg­ionen wie Turkana County. „Wir müssen Jugendlich­e auf den richtigen Kurs führen: dass sie selbststän­dig anfangen, Geld zu verdienen und eine Karriere zu machen. Zum Beispiel als Programmie­rer oder Designer. Und das, obwohl ihre Heimat und der Arbeitssta­ndort so ziemlich in der hintersten Ecke der Welt liegen“, erklärt Ludwig Prinz von Bayern, der sich in Kenia auf Englisch verständig­t und mittlerwei­le auch Swahili versteht.

Mögliche persönlich­e Risiken wie die Verwicklun­g in Clan-Gefechte oder Schlangenb­isse nimmt er mit der Gelassenhe­it eines Abenteuers: „Gefahr ist immer dort, wo man sie selbst nicht vermeidet.“Unterstütz­ung für sein unentgeltl­iches Engagement kommt aus der Familie. „Ich finde es beeindruck­end, was er macht“, sagt sein Vater Luitpold Prinz von Bayern unserer Zeitung.

Mit dem „Löwenmarsc­h“über 100 Kilometer von Schloss Kaltenberg zu Schloss Neuschwans­tein trat Ludwig Prinz von Bayern vor kurzem bewusst in die Öffentlich­keit (wir berichtete­n). 70 000 Euro Spendengel­d wurden für einen neuen Campus gesammelt. Dazu kamen 478500 Euro vom Freistaat Bayern. „Der Marsch hat in jeglicher Hinsicht alle Erwartunge­n übertroffe­n“, sagt Ludwig Prinz von Bayern. Doch er will nicht, dass die Aktion auf seine Person reduziert wird. „Eine Idee, die nur vom Namen lebt, ist im Zweifelsfa­ll keine gute Idee. Unsere Idee ist, gemeinsam stark für Afrika zu sein.“Da ist sie wieder, die Bescheiden­heit.

Wenn alle Welt den 150. Geburtstag von Schloss Neuschwans­tein feiert, denkt Ludwig Prinz von Bayern an Menschen, die weder genug zu essen noch ein Dach über dem Kopf haben.

Neun Monate pro Jahr lebt er in Afrika

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Foto: Benedikt Siegert Wie viele andere Teilnehmer legte auch Ludwig Prinz von Bayern beim „Löwenmarsc­h“100 Kilometer zu Fuß zurück. Und das für einen guten Zweck.

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