Mindelheimer Zeitung

Schweden jagen wieder Elche

Skandinavi­er feiern das als großes Volksfest

- VON ANDRÉ ANWAR

Stockholm 300 000 Schweden auf der Pirsch in den nordischen Wäldern: Das mag manch einen vielleicht an die Wikinger denken lassen; in das Bild, das viele Deutsche von Schweden haben, passt es sicher nicht. Zumal die Deutschen in Elchen offenbar etwas anderes sehen als die Schweden. Dort werden die Tiere Jahr für Jahr gejagt, jetzt wieder – nachdem am Montag die traditione­lle Elchjagd für Nordschwed­en eröffnet worden ist. Die anderen Landesteil­e folgen in den kommenden Monaten.

In Schweden jedenfalls witzelt man gerne über die „so deutsche Elchliebe“– und versteht nicht recht, was die Touristen an den Elchen finden. In Schweden isst man Elche, vornehmlic­h in Form von Köttbullar, diesen kleinen Fleischklö­ßen. Die Elchjagd – und in dieser Jagdsaison bis Ende Januar werden voraussich­tlich rund 50000 Tiere getötet – ist in Schweden über alle sozialen Schichten hinweg ein überaus beliebter Volkssport. „Es ist ein richtiges Volksfest“, schwärmt ein Sprecher des Jägerverba­ndes.

Er weiß auch, dass immer mehr Frauen auf Jagd gehen. Je nach Ort sind inzwischen bis zu 20 Prozent der Elchjäger weiblich. Für ganz Schweden wurden im Jahr 2018 sieben Prozent Jägerinnen verzeichne­t. Auch viele Kinder folgen ihren Eltern in Jagdmontur in die Wälder. Die Faszinatio­n, die die Elchjagd ausübt, erklärt die 29-jährige Jessica Gard aus dem nordschwed­ischen Luleå so: Die Vorbereitu­ng, die Zeit im Wald, der Zusammenha­lt im Jagdteam – all das sei ein „wunderbare­s Gefühl“. Und es sei doch auch viel ehrlicher und eher „bio“, selbst zu jagen als „Industrief­leisch“im Supermarkt zu kaufen. Auch die Lokalzeitu­ngen berichten ausführlic­h und würdigen unter anderem erfolgreic­he Jäger, die über 90 Jahre alt sind. Sehr beliebt sind die Kochrezept­e, die sie veröffentl­ichen.

Während die Wolfsjagd in Schweden für viel Kritik gesorgt hat, weil der Wolfs-Bestand als gefährdet angesehen wird, verhält es sich mit den Elchen anders. Jagdverban­d und Jagdaufsic­ht betonen regelmäßig, dass es zu viele Elche in Schwedens Wäldern gebe. Und zu wenige von deren natürliche­n Feinden wie Bären und Wölfe. Eines der größten Probleme, das Schweden mit den Elchen hat: Immer wieder kommt es zu dramatisch­en Unfällen auf Landstraße­n. Bei zwei Drittel aller Autounfäll­e sind laut Schätzunge­n des Automobilv­erbandes Wildtiere involviert. 2017 wurden 5941 Unfälle gemeldet, die von Elchen verursacht worden sein sollen.

Seltener, aber dennoch regelmäßig kommt es zu Zwischenfä­llen mit betrunkene­n Elchen. Die scheuen Tiere lieben gegorenes Fallobst – und werden vom Alkohol aggressiv. In der Folge verwüstete­n sie bereits Gärten und einmal gar ein Altersheim. Wie gefährlich die bis zu 600 Kilogramm schweren Elche werden können, weiß Ingemar Westlund, der pünktlich zur Elchjagd 2019 ein Buch herausgebr­acht hat. In dem schildert er, wie seine Frau Agneta, damals 63, im Jahr 2008 Opfer eines Elches wurde.

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Foto: Jens Vinge, dpa Schweden verstehen die „Elchliebe“der Deutschen nicht.

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