Schweden jagen wieder Elche
Skandinavier feiern das als großes Volksfest
Stockholm 300 000 Schweden auf der Pirsch in den nordischen Wäldern: Das mag manch einen vielleicht an die Wikinger denken lassen; in das Bild, das viele Deutsche von Schweden haben, passt es sicher nicht. Zumal die Deutschen in Elchen offenbar etwas anderes sehen als die Schweden. Dort werden die Tiere Jahr für Jahr gejagt, jetzt wieder – nachdem am Montag die traditionelle Elchjagd für Nordschweden eröffnet worden ist. Die anderen Landesteile folgen in den kommenden Monaten.
In Schweden jedenfalls witzelt man gerne über die „so deutsche Elchliebe“– und versteht nicht recht, was die Touristen an den Elchen finden. In Schweden isst man Elche, vornehmlich in Form von Köttbullar, diesen kleinen Fleischklößen. Die Elchjagd – und in dieser Jagdsaison bis Ende Januar werden voraussichtlich rund 50000 Tiere getötet – ist in Schweden über alle sozialen Schichten hinweg ein überaus beliebter Volkssport. „Es ist ein richtiges Volksfest“, schwärmt ein Sprecher des Jägerverbandes.
Er weiß auch, dass immer mehr Frauen auf Jagd gehen. Je nach Ort sind inzwischen bis zu 20 Prozent der Elchjäger weiblich. Für ganz Schweden wurden im Jahr 2018 sieben Prozent Jägerinnen verzeichnet. Auch viele Kinder folgen ihren Eltern in Jagdmontur in die Wälder. Die Faszination, die die Elchjagd ausübt, erklärt die 29-jährige Jessica Gard aus dem nordschwedischen Luleå so: Die Vorbereitung, die Zeit im Wald, der Zusammenhalt im Jagdteam – all das sei ein „wunderbares Gefühl“. Und es sei doch auch viel ehrlicher und eher „bio“, selbst zu jagen als „Industriefleisch“im Supermarkt zu kaufen. Auch die Lokalzeitungen berichten ausführlich und würdigen unter anderem erfolgreiche Jäger, die über 90 Jahre alt sind. Sehr beliebt sind die Kochrezepte, die sie veröffentlichen.
Während die Wolfsjagd in Schweden für viel Kritik gesorgt hat, weil der Wolfs-Bestand als gefährdet angesehen wird, verhält es sich mit den Elchen anders. Jagdverband und Jagdaufsicht betonen regelmäßig, dass es zu viele Elche in Schwedens Wäldern gebe. Und zu wenige von deren natürlichen Feinden wie Bären und Wölfe. Eines der größten Probleme, das Schweden mit den Elchen hat: Immer wieder kommt es zu dramatischen Unfällen auf Landstraßen. Bei zwei Drittel aller Autounfälle sind laut Schätzungen des Automobilverbandes Wildtiere involviert. 2017 wurden 5941 Unfälle gemeldet, die von Elchen verursacht worden sein sollen.
Seltener, aber dennoch regelmäßig kommt es zu Zwischenfällen mit betrunkenen Elchen. Die scheuen Tiere lieben gegorenes Fallobst – und werden vom Alkohol aggressiv. In der Folge verwüsteten sie bereits Gärten und einmal gar ein Altersheim. Wie gefährlich die bis zu 600 Kilogramm schweren Elche werden können, weiß Ingemar Westlund, der pünktlich zur Elchjagd 2019 ein Buch herausgebracht hat. In dem schildert er, wie seine Frau Agneta, damals 63, im Jahr 2008 Opfer eines Elches wurde.