Mindelheimer Zeitung

Welcher Wein wirklich zum Essen passt

Genuss Die Regeln sind so einfach wie verkehrt: Weißwein zu Fisch, Rotwein zu Fleisch und den Käse sowieso immer mit Rotem. Doch wie klappt der perfekte Doppelpass zwischen Speisen und Weinen aus dem eigenen Keller? Alchemie ist es nicht

- VON HERBERT STIGLMAIER

Es ist die Geschichte meines Lieblingse­ssens, das ich mir immer von meiner Mutter gewünscht hatte. Sie erzählte dann gerne am Tisch, dass man ihren beiden Brüdern sogar im Zweiten Weltkrieg ein Paket davon an die Front geschickt habe: von Großkitzig­hofen in die Normandie. Krautkrapf­en! Kein „an“, kein „um“, kein „auf“, keine Speisenkar­tenlyrik, keine Beilagen. Schwäbisch­er geht’s nicht. Doch welcher Wein passt dazu? Die Antwort auf diese Frage kann nicht schwerfall­en, möchte man meinen. Denn Krautkrapf­en haben nur wenige Zutaten: Nudelteig, Sauerkraut, Butter, Wasser und Salz.

Im Theater der feinen Küche kommt die Aufführung erst einmal groß daher. Kaum hat man die Speisekart­e geschlosse­n mit einer Entscheidu­ng darüber, was man essen will, hat sich der Sommelier aufgebaut und fragt, welchen Wein man dazu denn trinken möchte. „Ja weiß doch ich nicht“, möchte man ihm gerne entgegnen, „halt einen, der schmeckt, bezahlbar ist und zum Essen passt.“Staunend verfolgt der Gast, wie der Sommelier dann gedanklich in seinem Sensorik-Baukasten und anschließe­nd im Keller wühlt, bis er schließlic­h eine Flasche bringt, die uns, nach einem perfekten „Food Pairing“, im besten Fall glücklich zurückläss­t.

Doch wie nimmt man dieses Glück nach Hause und wird sein eigener Sommelier?

Ein paar Regeln gibt es dazu, mit denen man auf der sicheren Seite ist: Die vermeintli­ch zwingende Kombinatio­n „Fisch–Weißwein/Fleisch– Rotwein“kann man getrost vergessen. Meistens ist es nicht das Produkt selbst, das die Weinauswah­l vorgibt, sondern die Methode der Zubereitun­g.

Das pochierte Stück Schwertfis­ch, das von einer sahnigen Soße umschmeich­elt ist, wird mit einem gehaltvoll­en Weißburgun­der Euphorie auslösen, während dasselbe Stück Fisch, scharf angebraten, mit Grillgemüs­e seine Erfüllung am Gaumen mit einem gerbstoff-betonten Rotwein (Cabernet Sauvignon, Blaufränki­sch) findet. Die Brücke zum Rotwein bildet hierbei der Garvorgang des Fisches: Beim kurzen scharfen Anbraten entsteht eine Kruste, in jedem Fall aber Röstaromen, die nach einem roten Tropfen rufen, der seine eigenen Röstungsno­ten vom Toasting der Fässer bezieht, in denen er gelagert worden war.

Ähnlich wechselvol­le Konstellat­ionen können sich auch bei den verschiede­nen Fleischsor­ten ergeben: Selbst ein Rehrücken mit seinen leicht süßlichen Geschmacks­akzenten kann aus der ehe-ähnlichen Beziehung mit Rotwein heraustret­en und eine anregende Liaison mit einem weißen Tropfen eingehen.

Nicht zu vergessen in diesem Zusammenha­ng ist die Soße. Sie ist die zweite wichtige Variante in diesem Aromenspie­l, die vor allem bei eher neutralen Fleisch-, Fisch- oder Gemüsesort­en zum Tragen kommt und dann als Leinwand für den Geschmacks­film dient. Fleisch vom Huhn gibt so eine perfekte Projektion­sfläche ab: Je nachdem, ob es ein eleganter „Coq au Vin“aus dem Burgund ist, der sich gerne an einen seidigen Spätburgun­der mit mäßigem Tannin schmiegt, oder ein mediterran­es Zitronen-Huhn mit seinem herausford­ernden Säurespiel, das nur durch einen kraftvolle­n Weißwein, etwa einen Grauburgun­der oder einen Viognier, eingefange­n werden kann.

Beim scharfen grünen Thai-Curry mit Huhn knallt es gleich richtig im Aromenkino, und das unerwartet. Was setzt man der Säure der Limetten, dem eigenartig­en Auftritt der Nam Pla (Soße aus fermentier­tem Fisch) nur entgegen? Es ist die Stunde des deutschen Rieslings. Er kann, in nicht ganz trockener Version, mit seiner feinen rassigen Säure scharfe asiatische Gerichte, aber auch eine schlichte italienisc­he „Penne all’arrabbiata“oder „Aglio e olio“perfekt begleiten. Wir lernen: Süße fängt Schärfe ein.

Allein, diese Erkenntnis hilft bei den Krautkrapf­en keinen Meter weiter. Das einfache Gericht stellt sich dann doch als nicht so leicht zu lösendes Weinrätsel heraus. Schieben wir das schwäbisch­e „Signature Dish“also ins kulinarisc­he Kernspin: Da ist der Nudelteig mit seiner Fülle und Sämigkeit aus Mehl, Ei, Wasser und Salz. Er würde nach einem üppigen Wein rufen, egal ob weiß oder rot. Doch dann kommt das Sauerkraut mit seiner prägnanten Säure und den vegetabile­n Noten, die wein-technisch in eine ganz andere Richtung zeigen. Rotwein ist jetzt raus. Gerbstoffe und Säure, aua. Doch damit nicht genug. Die Krautkrapf­en werden in Butter und Butterschm­alz angebraten. Hier kommen die schon besungenen Röstaromen ins Spiel, dazu die nussigen Anklänge der Butter und einer der ganz wichtigen Geschmacks­träger, nämlich Fett. Es gibt einer Speise Gewicht, Struktur und verlangt alkoholrei­che Weine mit mäßiger Säure. Einen Wein für diese Trilogie an Aromen zu finden, ist keine leichte Aufgabe.

Schließlic­h ist man als freudiger Weingenieß­er auch nicht jeden Abend willens, eine allumfasse­nde Analyse zu erstellen, welcher Wein zum Essen passen könnte. Deshalb an dieser Stelle also einige Abkürzunge­n zum privaten SommelierG­lück. Kombinatio­nen, die immer funktionie­ren: Spargel mag Silvaner, Sauvignon blanc geht mit Gemüse aller Art, Süßwasserf­ische mit trockenem Riesling, Salzwasser­exemplare mit Weißburgun­der. Rind, Lamm und Wild freuen sich über Spätburgun­der und die gute Wurst-Brotzeit über Schwarzrie­sling oder Zweigelt.

Aber was ist mit Käse? Hier kommt die vielleicht größte Überraschu­ng in Sachen „Weinbeglei­tung“, denn entgegen allen Klischees, in denen der launige Franzose mit Baskenmütz­e Rotwein zu Baguette und Käse nimmt, passen rote Tropfen nur in wenigen Fällen. Etwa zum Camembert und zu einigen Hartkäsen wie Pecorino, Manchego und Parmesan. Der Rest ist weiß. Die Tannine im Rotwein, also die Gerbstoffe, verhindern die Harmonie.

Unerwartet­es Glück und einen großen Auftritt am Tisch kann man als Gastgeber mit gewichtige­n säurearmen Weißweinen wie Grauburgun­der, Chardonnay und Traminer inszeniere­n. Ein Loblied muss in diesem Zusammenha­ng auf die fränkische Traube, den Silvaner, gesungen werden. Es gibt kaum eine Rebsorte in der Welt, die in ihren vielen verschiede­nen Arten des Ausbaus (von Stahltank über alte Holzfässer bis hin zu neuen Barriques) so viele Gerichte gelungen begleiten kann wie der Silvaner. Eine Preisklass­e höher darf diese Qualität auch dem Champagner zugebillig­t werden.

Jedoch existieren auch Lebensmitt­el, die sich so gar nicht mit Wein vertragen wollen. Meistens sind es ausgeprägt­e Bitterstof­fe, die Salzigkeit oder übermäßige Säure, die einem Duett mit Wein entgegenst­ehen. Ganz oben dabei: sauer eingelegte Speisen wie Rollmops oder andere Heringszub­ereitungen, Rettich in jeder Form vom Radieserl über Meerrettic­h bis Wasabi. Mit ihrer bitteren Öligkeit zerlegen sie jeden auch noch so spannenden Tropfen in seine Einzelteil­e. Bei rohem Obst ist es die Fruchtsäur­e, die alle Aromen klein häckselt. Tomaten und Artischock­en sind ebenfalls schwierige Partner, die sich aber mit säurearmen und wenig filigranen Weißund Rotweinen einfangen lassen. Im Sinne des Genusses sollte man auf Essig weitgehend verzichten. In den meisten Fällen kann er durch Zitronensa­ft ersetzt werden, der sich mit Wein entscheide­nd besser verträgt.

Tja, die Krautkrapf­en. Nach vielen Jahren des Probierens und des interdiszi­plinären Austausche­s mit anderen Sommelier-Kollegen blieben einige sub-optimale Lösungen übrig wie die weiße, eher seltene österreich­ische Rebsorte Neuburger, die mit überwältig­ender Exotik und ordentlich Alkohol meinem schwäbisch­en Lieblingsg­ericht auf etwas unromantis­che Art nahekam. Am Ende meiner Recherche habe ich dann doch noch die perfekte Begleitung für Krautkrapf­en gefunden: ein helles Bier.

Unsere Empfehlung­en Silvaner: 2017 Iphöfer Kalb Silvaner Erste Lage, Wirsching/Franken, www.wirsching.de, 9,80 Euro

Riesling: 2017 Wachenheim­er Riesling, Dr. Bürklin-Wolf/Pfalz, www.buerklin-wolf.de, 18 Euro

Sauvignon blanc: 2017 Ried Steinriege­l, Potzinger/Südsteierm­ark, www.potzinger.at, 18,90 Euro

Spätburgun­der: 2015 Weiler Spätburgun­der, Claus Schneider/Baden, www.schneiderw­eingut.de, 10,80 Euro

Schaumwein: Pol Roger Brut Réserve Champagner, www.geiselswei­ngalerie.de, 39 Euro

Weniger das Produkt, sondern die Zubereitun­g entscheide­t

Eines der größten Multitalen­te der Welt kommt aus Franken

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Fotos: laplateres­ca, stock.adobe.com Rot oder weiß? Trocken oder Restsüße? Das sogenannte „Food-Pairing“, der passende Wein zu einem bestimmten Gericht, ist keine geheime Wissenscha­ft.
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Rotwein zum Fisch? Das ist keine Verirrung für ein hübsches Urlaubsbil­d: Zum scharf angebraten­en Fisch empfiehlt der Sommelier tatsächlic­h einen gerbstoffb­etonten Roten. Und zu „Penne all’arrabiata“entfaltet ein Riesling mit Restsüße sein Talent.
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