Auf dem richtigen Platz
Früher gab’s die Platzanweiserin. Meist versah eine ältere, noch rüstige Dame in der weißen Kittelschürze diesen Dienst in den Kinopalästen. Ihr wichtigstes Werkzeug war ihre Taschenlampe, mit der sie zuerst die Kinokarte inspizierte und dann die Besucher mit schlafwandlerischer Sicherheit zur richtigen Sitzreihe lotste. Auch wenn’s wegen des Vorfilms (ein eigenes Kapitel vergangener Kinoherrlichkeit!) schon stockfinster im Saal war und höchstens noch die Lämpchen an den Notausgängen schimmerten.
Heutzutage gibt’s zwar noch eine Einlasskontrolle. Doch den richtigen Sitz zu finden, ist eine einsame, anstrengende Aufgabe des Kinobesuchers geworden. Also zählt im Finstern immer noch irgendwer die Reihen ab und dann auch Sessel für Sessel, um sich nach mehr oder weniger ungeschicktem Eiertanz vor fremden Füßen, über verknäulte Jacken, vorbei an Flaschen und Popcorn-Eimern in den Sitz plumpsen zu lassen. Wenn nicht gerade ein vorwitziger Frechdachs schon dasitzt und mit unschuldigstem Augenaufschlag (man fühlt ihn, wenn man ihn schon nicht sieht) beteuert, es handle sich ganz sicher um seine Platznummer.
Zum Glück hat jeder heute sein Handy dabei mit der Funktion Taschenlampe. So lässt sich meistens an Ort und Stelle sofort aufklären, wer nun auf dem richtigen Platz gelandet ist und wer nicht. Eigentlich sollte es mit den modernen Reservierungssystemen immer genau aufgehen. Die Praxis aber hält viel mehr Spielarten vor und es kann, wenn auch unerklärlich, durchaus sein, dass just dieselbe Platznummer auf mehreren Tickets steht. Oder dort zu stehen scheint. Ohne die ordnende Autorität einer Platzanweiserin hilft dann nur noch eine großzügige Geste des konzilianten Nachgebens und des sich Arrangierens. Macht manchmal richtig gute Laune und fördert die zwischenmenschliche Kommunikation.