Eine besondere Wohngemeinschaft
Kirche In einem Mindelheimer Wohngebiet haben drei „Schwestern vom Heiligen Kreuz“eine Niederlassung des Ordens gegründet. Warum sie kein Kloster brauchen – und auch nicht unbedingt eine eigene Kapelle
Mindelheim Das Haus in der Königsberger Straße in Mindelheim unterscheidet sich auf den ersten Blick nicht von den anderen Reihenhäusern dort. Wenn etwas auffällt, dann allenfalls das Schild links neben der Tür. „Schwestern vom Heiligen Kreuz“steht darauf – und das ist nun doch ungewöhnlich. Denn zum einen handelt es sich bei den Schwestern um Nonnen – und die leben bekanntlich doch in Klöstern und nicht mitten in der Stadt im Wohngebiet. Und zum anderen hört man wohl häufiger davon, dass Schwestern aus Altersgründen und Nachwuchsmangel eine Stadt verlassen – so wie jüngst die MariaWard-Schwestern – als davon, dass neue Gemeinschaften entstehen.
Schwester Gudrun Steinberger und ihre Mitschwestern Clarissa Thannbichler und Maria Falter kennen solche Reaktionen. Doch bei den „Schwestern vom Heiligen Kreuz“ist eben manches anders. „Wir sind kein monastischer Orden“, erklärt Schwester Clarissa. Klassische Klöster gibt es bei der Gemeinschaft also nicht. Den Ordensgründern – der Kapuzinerpater Theodosius Florentini und Schwester Bernarda Heimgartner – war es wichtig, in kleinen Gemeinschaften mitten unter den Menschen zu leben. Ihnen ging es darum, Nähe zu zeigen – ihre, vor allem aber natürlich die Nähe Gottes, die im Alltag spürbar werden soll.
Bereits seit Januar leben Schwester Clarissa und Schwester Gudrun in Mindelheim, Schwester Maria ist Ende August dazugekommen. Bei einem feierlichen Gottesdienst am Sonntag, 8. September, werden die drei Frauen in der Stadtpfarrkirche St. Stephan als Ordensgemeinschaft beauftragt. Der gehören alle drei schon länger an, Schwester Gudrun sogar schon seit 52 Jahren.
Die 72-Jährige ist von Bad Säckingen in Baden-Württemberg nach Mindelheim gekommen, weil die dortige Niederlassung nach 160 Jahren geschlossen wurde. „Von Bad Säckingen wegzugehen war schon schwer. Das war meine Heimat“, gibt sie zu. 46 Jahre hat sie dort gelebt und 40 Jahre in den Heimen des Ordens mit verhaltensauffälligen Kindern gearbeitet. Nicht im entferntesten hatte sie damit gerechnet, einmal nach Mindelheim zu ziehen, das ihr aus Kindheitstagen allerdings wohlbekannt war: Die älteste Schwester hatte hier im Ledergeschäft Wiedenmann im Haushalt gearbeitet und wenn sie nach Alteneich bei Schrobenhausen heimkam und erzählte, „haben wir elf Geschwister geglaubt, das muss der schönste Ort auf der Welt sein“, erzählt Schwester Gudrun schmunzelnd. In gar so glänzendem Licht sieht sie Mindelheim inzwischen zwar nicht mehr, doch sie hat sich gut eingelebt und fühlt sich wohl hier.
Schwester Maria ist zuversichtlich, dass es bei ihr genauso sein wird. Die 30-Jährige ist in Neuötting aufgewachsen, hat – damals noch als Einzelhandelskauffrau – ein halbes Jahr bei den Schwestern vom Heiligen Kreuz in Afrika verbracht und danach gewusst, dass sie dem Orden beitreten will. Sie hat nebenbei eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin absolviert und beginnt nun eine dritte: Um Kinderpflegerin zu werden, wird sie in der Kindertagesstätte in Mindelheim das dafür nötige Vorpraktikum machen.
Schwester Clarissa schließlich stammt ursprünglich aus dem Berchtesgadener Land, lebt aber schon länger im Unterallgäu: Seit sechs Jahren leitet die 47-Jährige das Marienheim in Mussenhausen und hat dort auch mit elf Mitschwestern gelebt. Weil sie sich aber eher berufen fühle, in einer kleineren Gemeinschaftsform zu leben und auch, um Arbeits- und Privatleben besser voneinander trennen zu können, habe sie die Provinzialoberin schon vor längerem darauf angesprochen, in der Nähe eine neue Gemeinschaft gründen zu dürfen. Dieser Wunsch ging nun in Erfüllung.
„Wir sind grundsätzlich schon auch eine überalterte Gemeinschaft“, stellt Schwester Clarissa klar. Aber auch wenn die Schwestern vom Heiligen Kreuz weniger und älter werden, wollen sie sich eben nicht in große Institutionen zurückziehen, sondern im Alltagsleben Zeugnis geben, so Schwester Clarissa.
Die Nachbarn hätten sich anfangs wohl schon ein bisschen über die ungewohnte Wohngemeinschaft gewundert, „aber wir sind keine Exoten“, sagt Schwester Gudrun. „Wir haben eine nette Straße erwischt. Die Leute sind sehr aufgeschlossen.“Jede der drei Schwestern hat in dem Haus ein eigenes Zimmer, Küche, Bad und Wohnzimmer teilen sie sich und wie in jeder guten WG gibt es einen Putzplan. Eine eigene Kapelle gibt es nicht, aber das ist in den Augen der Schwestern auch gar nicht nötig. „Es gibt ja so viele Kapellen und Kirchen in Mindelheim“, sagt Schwester Clarissa. Außerdem hat Schwester Gudrun den Mesnerdienst in der MariaWard-Kirche übernommen und deshalb jederzeit Zugang zu der Kirche. Das Morgengebet und die abendliche Vesper finden vor einer Gebetsstele im Wohnzimmer statt, einer der wenigen Hinweise darauf, dass dieses Reihenhaus vielleicht doch ein ganz kleines bisschen aus der Reihe tanzt.
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Termin Im Pfarrgottesdienst am Sonntag, 8. September, um 10 Uhr in der Mindelheimer Pfarrkirche St. Stephan werden die drei Schwestern offiziell als Gemeinschaft beauftragt und den Gläubigen vorgestellt.