Durchbruch für den fairen Handel?
Grüner Knopf Wie die Regierung die Ausbeutung von Mensch und Natur in der Textilindustrie bekämpfen will und was das mit der Flüchtlingskrise zu tun hat
Augsburg Wer herausfinden will, unter welchen Bedingungen seine Kleidung hergestellt wurde, verliert sich schnell in einem Wirrwarr aus verschiedenen Qualitätssiegeln und Zertifikaten. Manche stehen für fairen Handel, andere für umweltschonende Produktion. Am Montag startet Bundesentwicklungsminister Gerd Müller nun den Grünen Knopf – ein staatliches Siegel, das beides vereinen soll und zudem den ganzen Weg vom Rohmaterial bis zum fertigen Kleidungsstück im Laden einschließt. „Es geht eben doch“, sagt der CSU-Politiker im Gespräch mit unserer Redaktion. Menschenrechtler sind da nicht so sicher. Denn zunächst beginnt die Kontrolle erst bei der Verarbeitung der Stoffe und nicht schon auf den Baumwollfeldern, wo viele Menschen ausgebeutet werden.
Für Müller ist der Grüne Knopf dennoch nicht nur ein Verkaufsargument im Laden und ein Vorbild für andere Branchen, sondern auch ein wichtiger Faktor in der Flüchtlingspolitik. „Wir können weiter wegsehen und die Menschen sklavenartig für uns arbeiten lassen, aber das wird nicht funktionieren. Dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn sich Millionen auf den Weg nach Europa machen“, warnt der Minister aus dem Allgäu.
Die Idee für das Siegel entstand nach dem Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch mit 1136 Toten und fast 2500 Verletzten vor sechs Jahren. Wenn Müller am Montag in Berlin den Grünen Knopf „drückt“, werden Überlebende dieser Tragödie dabei sein. „Damals ist mir klar geworden, welche Ausbeutung von Mensch und Natur es in den globalen Lieferketten gibt“, sagt er.
75 Millionen Menschen arbeiten weltweit in der Textilwirtschaft – viele von ihnen zu Löhnen, von denen sie nicht einmal ansatzweise leben können. Hier will der CSU-Politiker ansetzen: „Wir werden die Probleme in den Entwicklungsländern nicht mit Geld lösen, sondern müssen sie am Handel und an der Wertschöpfung beteiligen – und zwar fair.“Für die Kunden sollen die staatlich zertifizierten Produkte laut Müller übrigens nicht teurer werden. „Eine Jeans mit dem Grünen Knopf kostet in der Produktion am Ende etwa einen Dollar mehr. Das reicht, um den Frauen in Bangladesch einen Lohn zu zahlen, von dem sie leben können.“
Ein Haken an der Sache: Das Interesse an fair produzierten Waren – bislang sind das vor allem Lebensmittel – ist im Handel recht überschaubar. Zwar steigen die Umsätze kontinuierlich, doch der Marktanteil ist nach wie vor sehr gering. Bei Kaffee zum Beispiel lag er im vergangenen Jahr in Deutschland unter fünf Prozent. Selbst Müller glaubt nicht, dass die Kunden dank des Grünen Knopfes nun radikal umdenken. Dennoch hält er seinen Weg für richtig: „Ich bin kein Fantast, aber man muss einen ersten Schritt tun und die Menschen wachrütteln, wie die Zustände in diesen Ländern sind.“Wenn es um den Ausbau des Geschäfts geht, sieht der Minister auch den Staat in der Pflicht. Der Bund, aber auch Kommunen, Krankenhäuser oder Polizeidienststellen sollen sich künftig am Grünen Knopf orientieren, wenn sie Arztkittel, Uniformen oder Bettwäsche einkaufen.
Am Montag kommen die ersten Produkte auf den Markt. Sie müssen 46 Kriterien erfüllen, die unabhängig von TÜV oder Dekra geprüft werden. Dazu gehören existenzsichernde Löhne, die Einhaltung von strengen Vorgaben beim Abwasser und im Umgang mit Chemikalien, die Reduzierung des CO2-Ausstoßes oder das Verbot von Kinderarbeit. 27 Unternehmen sind schon im Boot, darunter auch große Player wie Trigema oder Tchibo. Bald sollen es mehr als 50 Firmen sein, die zumindest auf einem Teil ihres Sortiments den Grünen Knopf haben. „Es geht um mehr Menschlichkeit und um globale Gerechtigkeit“, sagt Müller.
Was von dem Siegel zu halten ist, steht im Kommentar. Wie die CSU das Klima schützen will, erfahren Sie auf der Politik und auf Bayern.
„Es geht um mehr Menschlichkeit und um globale Gerechtigkeit.“
Entwicklungsminister Gerd Müller