Mindelheimer Zeitung

Was bringt es, Plastiktüt­en zu verbieten?

Abfall Umweltmini­sterin Svenja Schulze will die Tragetasch­en per Gesetz aus den Läden verbannen. Das ärgert den Handelsver­band – und ob es überhaupt eine Wirkung hat, ist zudem umstritten

- VON CHRISTOPH KÖLLE

Berlin Nun macht Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) beim Thema Plastiktüt­en ernst. Dem Plastikmül­l hat sie zwar seit längerem den Kampf angesagt. Nun scheint ihr aber die bisherige freiwillig­e Vereinbaru­ng mit dem Handelsver­band Deutschlan­d aus dem Jahr 2016 nicht mehr weit genug zu gehen: Damals war beschlosse­n worden, Tragetasch­en aus Kunststoff dauerhaft zu verringern. Ihr neuer Plan lautet, die Plastiktüt­en komplett aus dem Verkehr zu ziehen. Dazu hat das Umweltmini­sterium am Freitag einen Gesetzesen­twurf vorgelegt. Demnach sollen die Einkaufsbe­utel, darunter auch „bio-basierte und bio-abbaubare Kunststoff­tragetasch­en“, ab 2020 in Geschäften verboten sein. Obst- und Gemüsebeut­el sind voraussich­tlich nicht von dem Gesetz betroffen.

Schulze bemängelt, dass die Plastiktüt­en häufig in der Umwelt landen würden, „wo sie über viele Jahrzehnte verbleiben und jede Menge Schäden anrichten können“. Das Gesetz sei aber nur ein Schritt, Wegwerfpla­stik insgesamt zu verbieten, sagte die Ministerin. „Die Plastiktüt­e, das ist erst der Anfang.“

Der Handelsver­band Deutschlan­d (HDE) reagierte mit Unverständ­nis auf den Gesetzentw­urf der Bundesumwe­ltminister­in. „Die Einzelhänd­ler haben Wort gehalten und die Vereinbaru­ng mit dem Bundesumwe­ltminister­ium zur Reduzierun­g von Einwegtrag­etaschen übererfüll­t“, sagt Stefan Genth, Hauptgesch­äftsführer des HDE. Das Verbot, so Genth, sei ein klarer Vertrags- und Vertrauens­bruch. Der Handel mit seinen drei Millionen Beschäftig­ten fragt sich, ob man sich auf das Wort der Regierung noch verlassen kann.

Bereits 2016 hatte Umweltmini­sterin Schulze mit dem HDE vereinbart, den Verbrauch von Tragetasch­en aus Kunststoff zu reduzieren. So haben sich mittlerwei­le über 350 Unternehme­n freiwillig dazu verpflicht­et, keine Plastiktüt­en mehr kostenlos an ihre Kunden abzugeben. Laut der Gesellscha­ft für Verpackung­smarktfors­chung sind seitdem deutlich weniger Plastiktüt­en im Umlauf. Seit 2015 ist der Verbrauch demnach um insgesamt 64 Prozent zurückgega­ngen. Auf jeden Bundesbürg­er kamen im Jahr 2018 24 Einkaufstü­ten, ein Jahr zuvor waren es noch 29. Die EU hat das Ziel ausgegeben, dass jeder EUBürger bis 2025 nur noch 40 Plastiktüt­en verbrauche­n soll. Diesen Wert haben die Deutschen damit bereits deutlich unterschri­tten.

Bei den kostenlose­n Obst- und Gemüsebeut­eln, die nicht Teil des sein sollen, sieht die Statistik anders aus. Die sogenannte­n Hemdchen- oder Knotenbeut­el sind immer noch weit verbreitet. Im Schnitt griff jeder Verbrauche­r im Jahr 2018 37-mal zu den Tüten – zweimal seltener als im Vorjahr. Bernhard Bauske von der Umweltschu­tzorganisa­tion WWF sieht den Vorstoß von Ministerin Schulze hinsichtli­ch dieser Alternativ­e kritisch: „Wenn stattdesse­n der Verbrauch von Papiertüte­n steigt oder die Verbrauche­r auf die kosGesetze­sentwurfs tenlosen Hemdchenbe­utel von der Obsttheke ausweichen, ist aus ökologisch­er Sicht nichts gewonnen.“Nach Auffassung von Bauske könne dem Vorhaben nur eine „symbolisch­e Bedeutung“zugesproch­en werden: Denn Plastiktüt­en machen laut dem Umweltexpe­rten nur einen sehr geringen Anteil am deutschen Verpackung­smüll aus.

Überhaupt stellt sich die Frage, ob der Lebensmitt­eleinzelha­ndel nicht schon weiter ist. Auch die Händler merken, dass Verbrauche­r dem Thema Plastik- und Verpackung­smüll kritischer gegenübers­tehen. Ein Grund, warum nach und nach Verpackung­en aus den Regalen verschwind­en. Viele Supermärkt­e informiere­n auch ausgiebig über ihre Bemühungen – auch zu Marketingz­wecken. So gab beispielsw­eise der Discounter Aldi vor einiger Zeit bekannt, für Plastiktüt­en an der Obst- und Gemüsethek­e ab diesem Sommer „einen symbolisch­en Cent“zu verlangen. Der Konzern erhoffe sich laut Pressespre­cherin Carolin Kunsleben dadurch, dass die Beutel seltener von Kunden genutzt werden. Die stellvertr­etende Bundesgesc­häftsführe­rin der Deutschen Umwelthilf­e, Barbara, Metz unterstell­te dem Unternehme­n damit Effekthasc­herei: „Wenn Aldi es ernst meint mit Umweltschu­tz, dann sollten die Einwegtütc­hen mindestens 22 Cent kosten, denn dieser Betrag würde tatsächlic­h das Aus für das besonders kurzlebige Produkt bedeuten“, sagte sie.

Aldi informiert zu dem darüber, dass seit 2015 bei den Eigenmarke­n zehn Prozent weniger Verpackung­en verwendet worden seien. Dank fehlender Plastikver­packung bei Salatgurke­n spare der Konzern 60 Tonnen Kunststoff ein. Auch Edeka verkündete unlängst eine neue Strategie: Bei konvention­ellen und bei Bio-Gurken soll die Plastikfol­ie weggelasse­n werden. Damit sollen im Jahr 94 Tonnen Plastikmül­l eingespart werden. Darüber hinaus optimiert der Edeka-Verbund das gesamte Eigenmarke­nsortiment mit Blick auf die Verpackung und rückt Mehrweg und Recycling in den Fokus. Ähnliches versucht auch die Rewe Group – zu der auch der Discounter Penny gehört. „Mit den bereits umgesetzte­n Veränderun­gen sparen allein Rewe und Penny aktuell pro Jahr rund 8200 Tonnen an Kunststoff ein“, teilt das Unternehme­n auf Nachfrage mit.

 ?? Foto: Sebastian Gollnow, dpa ?? Umweltmini­sterin Svenja Schulze will Plastiktüt­en verbieten – aber nicht alle. Jene, die es an der Gemüsethek­e gibt, sollen weiterhin erhältlich sein. Und das auch noch umsonst.
Foto: Sebastian Gollnow, dpa Umweltmini­sterin Svenja Schulze will Plastiktüt­en verbieten – aber nicht alle. Jene, die es an der Gemüsethek­e gibt, sollen weiterhin erhältlich sein. Und das auch noch umsonst.

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