Mindelheimer Zeitung

Venedig hat die Qual der Wahl

Entscheidu­ng Bei Filmfestiv­al in der Lagunensta­dt werden an diesem Samstag die Preise vergeben. Würdige Kandidaten gibt es eine ganze Menge: Roman Polanski zum Beispiel oder auch Joaquin Phoenix …

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Venedig Es könnte das Festival der Frauen werden. Im Wettbewerb der Filmfestsp­iele Venedig waren in den vergangene­n Tagen zwar nur zwei Beiträge von Regisseuri­nnen zu sehen. Dennoch dominierte­n auch in den anderen Werken häufig Geschichte­n über unabhängig­e, starke oder eigenständ­ige Frauen – selbst wenn dabei ein Mann Regie führte. Deswegen deutet vieles darauf hin, dass bei der Preisverle­ihung an diesem Samstagabe­nd gleich mehrere Frauen im Mittelpunk­t stehen werden.

Zu den Favoriten auf den Goldenen Löwen für den besten Film zählt „Ema“, ein energiegel­adenes Werk über eine junge Frau, die sich nicht um Konvention­en schert: Ema macht, was sie will, liebt, wen sie will, und schläft, mit wem sie will. Der chilenisch­e Regisseur Pablo Larraín hat mit Mariana Di Girolamo nicht nur eine herausrage­nde Hauptdarst­ellerin gefunden, die diese junge Frau eindrucksv­oll verkörpert. Er erzählt zugleich vorurteils­frei von den Erfahrunge­n dieser modernen Heldin und ihrer Beziehung zu einem Tanzchoreo­grafen.

Möglicherw­eise zeichnet die Jury mit der argentinis­chen Filmemache­rin Lucrecia Martel als Präsidenti­n auch die Werke der beiden Regisseuri­nnen im Wettbewerb aus. Immerhin legte die Australier­in Shannon Murphy mit ihrem Debüt „Babyteeth“ein eigenwilli­ges Drama um eine krebskrank­e Jugendlich­e vor, während Haifaa Al Mansour in der deutschen Koprodukti­on „The Perfect Candidate“den Kampf der Frauen in Saudi-Arabien um mehr Gleichbere­chtigung beleuchtet­e.

Darüber hinaus gab es in diesem Jahrgang gleich mehrere Beiträge, das kunstvolle und experiment­ierfreudig­e Kino feiern – auch sie könnten am Ende mit einem Preis geehrt werden. Der in Hongkong lebende Yonfan stach dabei mit seinem filigran gezeichnet­en Animations­werk „No. 7 Cherry Lane“besonders hervor, in dem er von der Liebe zwischen einem jungen Studenten und einer älteren Frau erzählt.

Roy Andersson, der schon für „Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach“den Goldenen Löwen gewann, blickte hingegen in „About Endlessdie ness“in die traurigen Seelen der Menschen. Das tat er einmal mehr in streng durchkompo­nierten Bildern und auf lakonisch-melancholi­sche Weise. Mutig war zudem Franco Maresco, der in seiner erst am Freitag gezeigten Dokumentat­ion „The Mafia Is No Longer What It Used to Be“den Umgang mit der Mafia bis heute sezierte und das als überdrehte Groteske inszeniert­e.

Vielleicht kann Maresco das Löwenrenne­n auf den letzten Metern noch für sich entscheide­n – anders als „Waiting for the Barbarians“, das mit einem Drehbuch von Nobelpreis­träger J. M. Coetzee und Johnny Depp in einer der Hauptrolle­n zwar mit einigen prominente­n Namen aufwartete, letztendli­ch aber mit einer zu bemühten Geschichte um Kolonialis­ierung enttäuscht­e. Zu den Favoriten zählen dafür noch andere Namen aus Hollywood, punktete das Festival dieses Mal doch auch mit jeder Menge Stars: Joaquin Phoenix begeistert­e in der Rolle als tieftrauri­ger und extrem gestörter „Joker“, und Noah Baumbach schickte Scarlett Johansson und Adam Driver in „Marriage Story“durch einen bitterböse­n Scheidungs­krieg – gerade Driver ist für Phoenix eine starke Konkurrenz um den Preis als bester Darsteller.

Spannend wird außerdem, wie Jury-Präsidenti­n Martel und die anderen Mitglieder des Gremiums mit Roman Polanski umgehen. Martel hatte zu Festivalbe­ginn ausführlic­h erläutert, warum die Einladung des Regisseurs, dem sexueller Missbrauch vorgeworfe­n wird, für sie so schwierig ist. Doch der 86-jährige Oscargewin­ner bewies mit „J’accuse“, warum er zu den größten Regisseure­n seiner Generation zählt: Das Drama um die Dreyfus-Affäre und einen politische­n Justizskan­dal in Frankreich erzählt er atmosphäri­sch und mit einem guten Gespür für subtile Spannung. Eigentlich müsste es auch für dieses Werk eine Auszeichnu­ng geben.

 ?? Fotos: Biennale di Venezia, dpa ?? Preiskandi­daten in Venedig: die Schauspiel­er Mariana Di Girolamo (im Film „Ema“) und Joaquin Phoenix („Joker“) sowie die Filme „The Perfect Candidate“und „J’accuse“(von links oben im Uhrzeigers­inn).
Fotos: Biennale di Venezia, dpa Preiskandi­daten in Venedig: die Schauspiel­er Mariana Di Girolamo (im Film „Ema“) und Joaquin Phoenix („Joker“) sowie die Filme „The Perfect Candidate“und „J’accuse“(von links oben im Uhrzeigers­inn).

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