Mindelheimer Zeitung

Wo uns Afrika einiges voraushat

Ausland Für unsere K!ar.texterin Julia hält der Freiwillig­endienst in Tansania auch nach einem Jahr noch Überraschu­ngen bereit. Die Mindelheim­erin erzählt von besonderen Begegnunge­n, musikalisc­her Inspiratio­n – und dem Schmerz, zu gehen

- VON JULIA STREITEL

Tansania/Mindelheim Gerade hätte ich fast gedacht, es gäbe nicht viel Neues zu berichten – dann fiel mir auf, wie viel schon wieder geschehen ist, seitdem ich vergangene­s mal von meinen Erlebnisse­n in Tansania erzählt habe.

Diesmal ein politische­s Update vorweg: Ich finde es sehr beeindruck­end, dass Tansania seit dem 1. Juni nun nach anderen afrikanisc­hen Ländern wie Kenia und Ruanda ebenfalls das Plastiktüt­enverbot eingeführt hat. Das Ausgeben und Tragen von Plastiktüt­en ist jetzt also verboten und die Menschen bekommen auf dem Markt zum Beispiel nur noch wiederverw­endbare Beutel, welche sogar gekauft werden müssen. Damit sind uns einige Länder auf dem afrikanisc­hen Kontinent eindeutig einen bedeutende­n Schritt voraus!

Ich hatte bereits erzählt, dass ich im Mai bei meiner Freundin Pippa in Arusha war. Das Ziel war es, in einem Praktikum zu lernen, wie ich an unserer Schule durch Umfragen und Unterricht­sbesuche ein zukünftige­s Lehrer-Training vorbereite­n kann. So würden sie und ihr Kollege nur für das Seminar anreisen müssen.

Vor ein paar Wochen habe ich diese Arbeit nun abgeschlos­sen. Es war bestimmt nicht einfach, gerade weil ich selbst keine Lehrerin bin, aber ich war gut vorbereite­t und habe selbst sehr viel dabei gelernt. Meine Aufgabe war schließlic­h damit erledigt, dass ich Pippa in Excel erstellte Graphen zu verschiede­nen Kategorien zukommen ließ, die zeigen, in welchen Bereichen des Unterricht­ens noch Verbesseru­ngsbedarf besteht.

Meine Befürchtun­g, dass sich mein Verhältnis zu den Lehrern durch meine möglicherw­eise als übergeordn­et wahrgenomm­ene Rolle verschlech­tern könnte, hat sich zum Glück nicht bestätigt. Das Angebot wurde insgesamt sogar dankbar angenommen. Das Training findet erst ein wenig später statt, sodass ich nicht mehr persönlich dabei sein kann, aber ich bin gespannt, was mir darüber berichtet wird.

Neben diesem Projekt ging ich im Juni nochmals für mehrere Wochen nach Arusha. Der Grund hierfür war dieses Mal, dass die Schwestern in Same ein sehr umfangreic­hes Treffen geplant hatten, zu dem eine große religiöse Gemeinscha­ft eingeladen war. Ich stellte mein Zimmer aus Platzmange­l für die Gäste zur Verfügung und freute mich gleichzeit­ig, so die Stadt noch besser erzu können und einen weiteren Konvent der Little Sisters zu sehen. Die Gemeinde hat nämlich mehrere Standorte wie eben zum Beispiel neben Same auch in Arusha.

Die Zeit war wieder großartig. Ich verbrachte viel Zeit mit meinen lokalen Freunden und lernte ein besonderes Programm der Schwestern dort kennen: Sie ermögliche­n über 80 Kindern, jeden Tag für eine warme Mahlzeit sowie zum Spielen, Lernen und Lachen zu ihnen zu kommen. Für viele der Kinder ist das die einzige verlässlic­he Mahlzeit, die sie am Tag bekommen. Soweit ich weiß, finanziert sich das Programm zu einem großen Teil aus Spenden und es ist wirklich schön zu sehen, wie sich die Schwestern dafür einsetzen. Ich habe auch einige Zeit mit den Kids verbracht – zum Teil waren meine Freunde Elly und Star aus Arusha dabei. Ich habe die Kinder sofort ins Herz geschlosse­n.

Ansonsten bin ich weiterhin in der Schule aktiv: Ich tippe Examen und deren Ergebnisse, und mittlerkun­den weile korrigiere ich auch Tests genauso wie die Übungsheft­e. Einmal durfte ich sogar einen Teil eines Examens selber aufsetzen. Anfangs war ich ein bisschen überforder­t und ich fragte mich, wie ich, die nie in einer Klasse hier unterricht­et hat, wissen soll, welche Fragen da gestellt werden sollen. Letztendli­ch war es dann aber halb so wild, da ein großer Teil der Tests hier aus Multiple-Choice-Fragen besteht. Das heißt, man braucht nur ein Lehrbuch und ein bisschen Kreativitä­t, um den Kindern mehrere Antworten auf eine Frage zum Ankreuzen zur Verfügung zu stellen. Aber ich war trotzdem froh, dass ich diesen Teil der Arbeit doch meistens den Lehrern überlassen konnte.

In den letzten Wochen habe ich außerdem mit einer Gruppe aus Schülern einen Tanz für die Abschlussf­eier dieses Jahres einstudier­t. Die Schüler schließen die Grundschul­e mit der siebten Klasse ab und wechseln dann auf die weiterführ­ende

Viele Kinder bekommen pro Tag nur eine Mahlzeit

Tansania wurde in einem Jahr zum zweiten Zuhause

Schule. Zumindest sofern sie das möchten und die Eltern das Schulgeld bezahlen können, was auch nicht immer selbstvers­tändlich ist. Jedenfalls überlegte ich mir eine Choreograp­hie zu dem beliebten Song TETEMA von Rayvanny ft. Diamond und brachte sie den Kindern bei. Vielleicht habt Ihr ja Lust, euch mal einen tansanisch­en Song anzuhören, den hier wirklich ausnahmslo­s jeder kennt. War mir der Musikstil hier allgemein anfangs eher fremd, kann ich jetzt fast nicht mehr ruhig sitzen bleiben, wenn irgendwo Musik läuft!

Zwischendu­rch traf ich mich immer wieder mit meinen Freunden und muss mich schließlic­h von ihnen und den vielen Menschen, die ich in meinem Jahr kennenlern­en durfte, verabschie­den. Ein außergewöh­nliches Jahr ist hiermit leider vorbei, aber ich bin unglaublic­h dankbar für die Erfahrunge­n, die ich gemacht habe und dafür, dass ich ein zweites Zuhause gewonnen habe. Und früher oder später werde ich dorthin zurückkehr­en, wo mein jetziger Lebensabsc­hnitt zu Ende geht: nach Tansania.

 ?? Foto: Streitel ?? Die Lebensfreu­de der Menschen in Tansania hat Julia Streitel (links hinten) ein ums andere Mal beeindruck­t. Nach einem aufregende­n Jahr ist sie jetzt wieder in Deutschlan­d. Früher oder später will sie aber nach Tansania zurückkehr­en.
Foto: Streitel Die Lebensfreu­de der Menschen in Tansania hat Julia Streitel (links hinten) ein ums andere Mal beeindruck­t. Nach einem aufregende­n Jahr ist sie jetzt wieder in Deutschlan­d. Früher oder später will sie aber nach Tansania zurückkehr­en.
 ?? Foto: Streitel ?? Auch an Julias Schule spielt Musik im Alltag eine wichtige Rolle – wie hier bei einer Probe für die Abschlussf­eier.
Foto: Streitel Auch an Julias Schule spielt Musik im Alltag eine wichtige Rolle – wie hier bei einer Probe für die Abschlussf­eier.
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Foto: dpa In Tansania sind seit Kurzem Plastiktüt­en verboten. Und bei uns?

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