Mindelheimer Zeitung

Noch ein Entdecker Amerikas

- HISTORISCH­E STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST

Die Entdecker Amerikas häufen sich. Kolumbus, an den jeder gleich denkt, hat das zweifelhaf­te Privileg, den Startschus­s für die europäisch­e Eroberung der Neuen Welt abgegeben zu haben. Die wirklichen Entdecker waren natürlich die Leute, die wir wegen des grotesken Irrtums, den sich Kolumbus geleistet hat, immer noch Indianer nennen. Aber zwischen den Ersten, die heute in Kanada „first nations“heißen, und Kolumbus hat sich allerlei getan, Handfestes und weniger Gesicherte­s.

Zum Handfesten gehört Leif Eriksson, der um das Jahr 1000 mit seiner Wikinger-Truppe in den Norden des Kontinents vordrang. Die Wikinger vertrugen sich mit den Einheimisc­hen, die sie abwertend als hässliche Skraelinge­r bezeichnet­en, mehr schlecht als recht, siedelten eine Weile und zogen sich schließlic­h doch wieder in ihre alte Heimat zurück. Nicht so handfest ist die irische Geschichte vom heiligen Brendan, der jenseits des Ozeans ein gelobtes Land suchte und fand. Seiner Entdeckung Amerikas haftet etwas Fantastisc­hes an. Aber gegeben hat es ihn, den heiligen Brendan. Er wurde 489 in Irland geboren.

Das Fernweh ergriff ihn, als ihm ein Mönchskoll­ege in höchsten Tönen von einem „verheißene­n Land der Heiligen“weit im Westen erzählte. Da wollte Brendan hinpilgern. So entstand – mit einiger Verspätung – ein früher Bestseller der Reiseliter­atur. „Die Meerfahrt des heiligen Brendan“fand in ganz Europa begeistert­e Leser. Die Geschichte war – wie es Tradition war – mündlich von Generation zu Generation weitergege­ben worden, ehe es die ersten schriftlic­hen Nacherzähl­ungen gab. Sie wurden immer abenteuerl­icher und entfernten sich damit immer weiter von ihrem Helden. Brendan suchte auf seiner Meerfahrt keine Abenteuer, sondern als Pilger das Seelenheil. Bleibt die Frage: War der Ire wirklich vor den Wikingern und vor Kolumbus in Amerika? Seine Beschreibu­ngen passen tatsächlic­h zur Nordroute und zur Geografie des amerikanis­chen Nordens. Inzwischen haben moderne Abenteurer Brendans Meerfahrt in einem altirische­n Lederboot nachgespie­lt und tatsächlic­h Labrador erreicht. Es bleibt ein Konjunktiv: Brendan hätte es schaffen können. Noch vor ihm, glauben viele in Brasilien, sollen sogar Phönizier die große Reise auf der Südroute geschafft haben. Aber das ist eine andere Geschichte.

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