Und es war Sommer
Test Unbeschwerter als in einem Porsche 911 Cabrio lässt sich die heiße Jahreszeit kaum genießen. Obschon selbst der glühendste Sportwagen-Freund zugeben muss, dass die ersten dunklen Wolken am Himmel aufziehen
In einem offenen Porsche 911 durch den Sommer zu brausen – für die meisten Automobilisten seit jeher der Himmel auf Erden. Den lauen Wind im Haar, den blubbernden Sound des Heckmotors im Ohr, die spielerische Leichtigkeit des Wagens in der Hand – so drehen sie ihre Runden, als gäbe es kein Morgen.
Gibt es aber doch; und es ist ein Morgen, der für die Traditionalisten mit Ungemach aufzieht. Der Zeitgeist versucht sich gegen sie zu wenden im grün tickenden Deutschland. Dass Greta in eben jenem Sommer lieber das Segelboot nahm, um keinen Sprit zu verbrennen, dürften die meisten verschmerzen. Aber dass der Ruf nach einem Tempolimit auf Autobahnen nicht verstummt und Brüssel die nächstschärferen Schadstoffgrenzwerte längst verabschiedet hat – das betrübt den GenussFahrer dann doch.
Plötzlich scheinen selbst Sportwagen-Ikonen wie der Porsche 911 nicht mehr sakrosankt. In der aktuellen achten Generation mussten die Ingenieure in dem Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe jedenfalls bereits einen Platz für einen Elektromotor vorsehen. Wann die ZwangsHybridisierung kommt, ist unklar. Eigentlich weiß man nur, dass sie unvermeidlich sein wird.
Das schmeckt Porsche-Puristen gar nicht, so wie ihnen alles nicht schmeckt, was zusätzliche Komplexität und zusätzliches Gewicht in die Mutter aller Sportwagen bringt. Mittlerweile ist der Elfer zu einem ziemlichen Brummer geraten. Um 44 Millimeter legte er im Vergleich zum Vorgänger in der Breite zu. Das üppigst ausladende Heck wirkt so, als habe den Porsche eine Biene gestochen, eine der letzten.
Solange es die Ingenieure immer wieder schaffen, das Plus an Kilos durch ein Plus an Leistung aufzufangen, ist die Welt aber in Ordnung. 450 PS mobilisiert die S-Version des 911ers. Und alles ist so, wie es immer war: Ein Druck aufs Gaspedal scheint die Gesetze der Physik auszuhebeln. 100, 200, sogar 300 km/h reißt der Wagen ohne spürbare Anstrengung. Nicht einmal die Windgeräusche geben ein wahrhaftiges Feedback über den enormen Speed. Dank tiefer Sitzposition, elektrisch ausklappbarem Windschott und hochgefahrenen Seitenscheiben zieht es selbst auf der Autobahn nicht über Gebühr.
Dieses Mehr an Komfort zeichnet die jüngste Generation des Elfers aus wie kein zweites Kriterium. Im „Normal“-Modus fährt sich der Porsche nicht unbequemer und nicht zickiger als ein VW Golf. Wer die Härte früherer Tage erleben will, muss schon in „Sport Plus“ schalten. Ansatz- und humorlos haut einem der Elfer dann seine brachiale Power um die Ohren. Das Fahrwerk spannt so sehr die Muskeln, dass der Pilot Rückmeldung über die kleinste Pisten-Unebenheit erhält. Die Lenkung zeigt eine Präzision, die kein anderer Hersteller so hinbekommt. Auch die Straßenlage verdient das Prädikat „einzigartig“.
Genuss ohne Reue? Natürlich nicht. Dass nicht alles eitel Sonnenschein ist, spürt der Porsche-Besitzer spätestens an der Tankstelle. Unter zwölf Litern macht es der 911 Carrera S Cabrio erst mal gar nicht. Den 90-Liter-Tank kann man sogar problemlos in vier Stunden leer fahren. Bei den aktuellen Super-PlusPreisen beläuft sich die Tankrechnung schnell auf 130 Euro.
Wenn sich das grüne Gewissen schon nicht meldet, dann wenigstens der Geldbeutel. Apropos Kosten. 134405 Euro müssen Interessenten mindestens investieren. Der Aufpreis vom Coupé zum Cabrio beträgt rund 14000 Euro. Für Extras sollte man gut und gerne weitere 30 000 Euro einplanen.
Aber potenzielle Porsche-Fahrer sprechen an einem so schönen Tag doch nicht über Geld! Schon eher über den Grad der Modernisierung, den sie ertragen können. Stichwort Digitalisierung. Da hat Porsche direkt vom Standstreifen auf die Überholspur gewechselt. Das überaus aufgeräumte Cockpit bietet nur noch eine minimale Anzahl an „richtigen“Tastern und Schaltern: Selbst ein legendärer Elfer wird im Sommer 2019 über große Berührbildschirme und zentrale Dreh/ Drückregler gesteuert. Porsche wäre nicht Porsche, hätte man den Infotainment-Job nicht perfekt erledigt. Wie wenig Hardware heutzutage nötig ist, beweist der Automatik-Wählhebel, der auf die Größe eines Textmarkers geschrumpft ist. Sei’s drum, Kenner wechseln die Gänge ohnehin am liebsten über die Schaltwippen am Lenkrad.
Was macht das für einen teuflischen Spaß! Den offenen Porsche 911 wie mit dem Skalpell gezogen durch die Kurve dirigieren, den Boxermotor bis an den Drehzahlbegrenzer treiben, die nächste Fahrstufe mit Karacho reinflutschen lassen, vom Gas auf die Bremse. Cruisen. Ein Autofahrer-Leben auf der Sonnenseite. Für ökologisch Bewegte ist das die Apokalypse. Für Sportwagen-Liebhaber könnte der Weltuntergang schöner nicht sein.