Mindelheimer Zeitung

Was man auf seiner Garage so bauen kann

Architektu­r Wie ein Projekt in Königsbrun­n überregion­al für Furore sorgte und warum es Schule machen könnte

- VON MARTINA MEDRANO

In Zeiten der Flächenkna­ppheit und explodiere­nder Mietkosten muss man erfinderis­ch werden, wenn Büro oder Haus zu klein werden. Warum nicht die Doppelgara­ge für eine Erweiterun­g am eigenen Standort nutzen? Das dachte sich das Architektu­rbüro 17A in Königsbrun­n und baute kurzerhand drei Stockwerke Bürofläche in Holzbauwei­se auf die Doppelgara­ge direkt vor dem bisherigen Büro. Für die hervorrage­nde städtebaul­iche Einbindung und die kreative und elegante Gestaltung bei knappem Budget erhielt das Projekt 2018 den renommiert­en ThomasWech­s-Architektu­rpreis und den Holzbaupre­is Bayern.

Tiny Houses liegen im Trend: Die eleganten Mini-Häuser mit 20 bis 30 Quadratmet­ern Wohnfläche sind klein, schick und platzspare­nd. Aber es geht sogar noch effiziente­r: Ganze 108 Quadratmet­er brachte das Architekte­nteam Stefan Degle und Andreas Matievits auf einer Doppelgara­ge unter. Die ehemalige Beton-Doppelgara­ge wurde dabei zum Eingangs- und Besprechun­gsraum mit angegliede­rter Garderobe, Teeküche, Server- und Sanitärrau­m. Für die oberen Geschosse aus massivem Brettsperr­holz Wand-, Decken- und Dachelemen­ten aufgebaut.

Eine in den Betonsocke­l abgehängte Holztreppe führt in die oberen drei Geschosse. In jeder Etage entstand jeweils ein Büroraum mit je zwei bis vier Arbeitsplä­tzen. Besonders beeindruck­end dabei: Die raumhohen und raumbreite­n Festvergla­sungen in jedem Stockwerk, die den Mitarbeite­rn vom Schreibtis­ch aus eine fantastisc­he Aussicht bescheren. Für umfangreic­hen Stauraum sorgen Holzregale mit Schiebetür­en, die umlaufend um jeden Raum und begleitend zur Treppe eingebaut wurden. Die Räume sind über Schiebetür­en vom Treppenrau­m abtrennbar. Außen liegende Markisen sorgen bei Bedarf für Verschattu­ng und seitlich zu öffnende Fensterläd­en ermögliche­n eine Belüftung.

Die ehemalige Doppelgara­ge musste zwar statisch ertüchtigt werden, aber der Aufwand hat sich gelohnt: Dort, wo vorher nur zwei Autos abgestellt wurden, wird jetzt auf mehreren Etagen gearbeitet. Nicht nur Büros machen sich gut auf so kleiner Fläche: „Wir wurden schon gefragt, wann wir das Büro aufgeben, damit man hier wohnen kann“, erzählt Architekt Stefan Degle augenzwink­ernd. „Wir haben vor Jahren in einem anderen Projekt auch schon Kinderzimm­er auf eine Garage aufgesetzt.“

Für mögliche Nachahmer sind allerdings ein paar Rahmenbedi­ngungen zu beachten: Die größte Herausford­erung ist nicht unbedingt die Architektu­r oder die Statik, sondern das Baurecht. In Wohngebiet­en gibt es in der Regel genaue Vorschrift­en zu möglichen Bauhöhen. Bessere Chancen haben Bauvorhabe­n, bei denen bereits in der direkwurde­n ten Umgebung größere Bauhöhen realisiert wurden. In Königsbrun­n war dies zum Beispiel eine benachbart­e Schule. Von Vorteil können auch sehr alte Bebauungsp­läne sein, da hier unter Umständen eine Neubewertu­ng der Bedingunge­n vorgenomme­n werden kann.

Wichtig ist in jedem Fall die Unterstütz­ung der direkten Nachbarn und der kommunalen Behörden. Im Falle des Architektu­rbüros in Königsbrun­n gab es vonseiten der Nachbarn keine Einwände und auch Bürgermeis­ter und vor allem der Gemeindera­t unterstütz­ten aktiv das Vorhaben. Ein positives Beispiel für eine qualitätsv­olle Verdichtun­g, die in Zeiten knapper Flächen Schule machen sollte.

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Fotos: Raissa Axmann/17A ARCHITEKTU­R, Stefan Degle und Andreas Matievits Das Büro von 17A ARCHITEKTU­R in Königsbrun­n ist ein echter Blickfang. Unser Bild zeigt den Blick von Westen, im Hintergrun­d ist das Fritz-Felsenstei­n-Haus zu sehen.
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Vom Obergescho­ss aus hat man in dem futuristis­chen Gebäude einen tollen Blick nach draußen – dank raumhoher und -breiter Festvergla­sungen.

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