Mindelheimer Zeitung

„Am ersten Schultag wird es Tränen geben“

Das Interview am Montag Interview Rebecca Triendl und ihr Sohn Bela, 6, erzählen, wie sich die große Aufregung vor der Einschulun­g anfühlt. Was steckt in der Schultüte? Wer ist nervöser? Über Mama-Stolz und die heikle Frage nach den Hausaufgab­en

- Interview: Veronika Lintner

und sein Luftballon tanzen durchs Haus. Der Junge balanciert den gelben Ballon mit den Fingerspit­zen, lässt ihn fliegen vom Wohnzimmer ins Kinderzimm­er, dann trippelt er auf den Balkon ins Sonnenlich­t. Dieser Nachmittag ist leicht und unbeschwer­t. Als Bela präsentier­t, was alles in seinem nagelneuen Schulranze­n steckt, grinst er stolz. Bela freut sich auf das, was ihn erwartet: Am Dienstag erlebt er seinen ersten Schultag. Der Sechsjähri­ge und seine Mutter Rebecca Triendl leben in Schwabmünc­hen und erzählen, wie sie die letzten Tage vor dem Sprung in einen neuen Lebensabsc­hnitt erlebt haben.

Wer ist aufgeregte­r vor dem ersten Schultag, Bela? Du oder deine Mutter? Bela: Eigentlich ich. Ich bin schon aufgeregt wegen der Turnhalle, die ist richtig groß. Und ich bin gespannt auf meine Schultüte.

Was soll denn in die Tüte rein? Worauf hoffst du?

Bela (strahlt): Ein Tablet-PC.

Rebecca Triendl (schüttelt den Kopf): Das wird nicht passieren. Und was wünschst du dir noch?

Bela: Eine Deko-Pizza, die ist aus Gummibärch­en. Die hab ich auch schon entdeckt.

Auf welche Fächer freust du dich, Bela?

Bela: Turnen und Sport. Ich spiele im Fußballver­ein. Und Rechnen. Das kann ich am besten.

Du durftest deine Schule ja schon anschauen. Wie war dein erster Eindruck?

Bela: Cool!

Triendl: Was hat dir denn am besten gefallen?

Bela: Am allerbeste­n die Mittagsbet­reuung. Ich wollte da gar nicht mehr weg.

Triendl: Stimmt, du hast sogar geweint, als wir nach Hause mussten.

Bela: Da gab es Bausteine und da habe ich richtig viel gebaut.

Triendl: Und was kannst du da noch machen?

Bela: Da kann man auch Hausaufgab­en machen. (Er überlegt kurz und grinst) Aber das mach ich nicht.

Triendl (lacht): Äbäbäbäp! Erst spielst du alle Spiele durch, aber dann erledigst du dort deine Hausaufgab­en.

Bela: Hm. Vielleicht.

Frau Triendl, Sie sind selbst Erzieherin, Sie arbeiten in einem Kindergart­en. Wenn das eigene Kind in die Schule kommt, ist man da nervöser oder entspannte­r als andere Mütter? Triendl: Einfach nur etwas kritischer. Ich frage mich, wie es sein wird, wenn Bela einmal Probleme in der Schule hat. Ich selbst handhabe das als Erzieherin so: Wenn es Konflikte gibt, klär ich das mit den Kindern vor Ort. Ich hoffe, das wird auch an der Schule so sein. Ich möchte zum Beispiel kein Drama aus den Hausaufgab­en machen. Ich habe keine Lust, mich deshalb täglich mit Bela zu streiten. Es wird der Tag kommen, an dem er mir sagen wird: Wir haben das aber ganz anders gelernt. Aber wenn er dann die Hausaufgab­e falsch oder gar nicht macht, muss er das vor der Lehrerin rechtferti­gen.

Tauschen Sie sich mit anderen Eltern aus, die in derselben Phase stecken? Triendl: In meinem Kindergart­en erlebe ich viele, viele Mamas um mich herum. Einige haben auch schon größere Kinder, in der dritten, vierten Klasse. Gerade mit diesen Frauen unterhalte ich mich natürlich sehr gern. Die verfügen über ein Know-how, das ich nicht habe. Es ist doch etwas anderes, ob ich als Pädagogin in der Arbeit bin oder Mama. Ich habe Respekt vor Eltern, die ihr Kind zu mir in den Kindergart­en bringen. Und genauso geht es jetzt mir, wenn ich Bela Menschen anvertraue, die ich noch nicht kenne.

Welche Ratschläge hören Sie am häufigsten von anderen Müttern? Triendl: Ich versuche, mich fernzuhalt­en von konkreten Tipps und großer Panikmache. Vor allem unter Frauen. Ich habe den Eindruck, Väter sind oft entspannte­r und die Mütter haben Ängste. Ich versuche, meinen Mamas im Kindergart­en zu vermitteln, sich einfach auf ihr Bauchgefüh­l zu besinnen. Die Natur hat es sehr gut eingericht­et, dass Mutter und Kind ein spezielles Band verbindet und man sich sehr wohl auf sein Gespür verlassen kann. Deswegen möchte ich mir so wenig Sorgen machen wie möglich.

Wie hat sich Schule verändert, wenn Sie an Ihre eigene Kindheit zurückdenk­en?

Triendl: Sicherheit ist wichtiger geworden. Wenn ich mich an meinen Pausenhof erinnere, da war kein Zaun drum herum. Der Hof war offen zur Straße, jeder hätte das SchulBela haus betreten können. Heute sind die Türen abgesperrt und die Schulen umzäunt. Als Mutter bin ich froh darum – auch wenn ich es schade finde, dass das heute wohl so sein muss. Was mir positiv auffällt: Belas Schule geht mit der Zeit. Die Lehrer bilden sich fort und es gibt Spieleund Leseecken im Klassenzim­mer. Das kannte ich so nicht. Wenn Kinder ihre Aufgaben erledigt haben, dürfen sie sich einen Malkasten holen oder Bücher. In der ersten Klasse gibt es einen Morgenkrei­s, da dürfen sie montags von ihrem Wochenende erzählen. So kriegen Lehrer viel vom Zuhause der Kinder mit. Das ist gut, hier hat sich Schule weiterentw­ickelt.

Wirst du den Kindergart­en vermissen, Bela? Bela: Ja, meinen Freund Julian. Der kommt noch nicht in die Schule. Der letzte Tag im Kindergart­en war traurig, ein bisschen. Aber in den Schulferie­n darf ich noch oft in den Kindergart­en. Weil meine Mama dort arbeitet.

Triendl: Wir haben auch Glück, dass sein Cousin Oskar auf dieselbe Schule geht.

Bela: Der hat gesagt, dass ihm die Schule Spaß macht.

Wie findet man eigentlich die richtige Schule für ein Kind? War die Auswahl begrenzt?

Triendl: Ja, aber ich hätte mich für keine andere Schule entschiede­n. Wir haben in Schwabmünc­hen nur eine Grundschul­e, und ich hätte keine Waldorf- oder Montessori-Schule in Anspruch genommen. Nicht, weil ich das Konzept nicht gut finde. Aber als Elternteil habe ich eine Verantwort­ung, das Kind aufs Leben vorzuberei­ten. Und selbst wenn wir mit der Politik und der Leistungsg­esellschaf­t nicht konform gehen und denken, es ginge alles auch anders, sollten wir trotzdem sehen, wie diese Welt tatsächlic­h ist und unser Kind darauf vorbereite­n.

Was müsste denn anders laufen? Triendl: Schulen sollten individuel­ler auf Kinder eingehen. Manche Kinder haben motorische Probleme. Es gibt Kinder, die sind wahnsinnig zurückhalt­end, andere sehr aktiv. Und dazu kommt ein Mangel an Lehrern und Pädagogen. Ich habe wirklich Glück. Bela ist normal entwickelt, er ist nicht hypertalen­tiert oder hochbegabt. Prahlen muss ich nicht. Dafür hat er sich im Sozialen einfach toll entwickelt. Er ist offen für neue Situatione­n und Menschen, er geht selbstsich­er durchs Leben. Ich habe das Gefühl, das liegt bei uns in der Familie, wir denken alle positiv.

Wie würden Sie Bela beschreibe­n? Triendl: Offen, wahnsinnig herzlich, unglaublic­h hilfsberei­t. Er ist witzig und sehr chaotisch. Ich bin gespannt, wo seine Schulsache­n und sein Schulranze­n herumflieg­en werden, wo das alles liegen bleibt. Er ist einfach noch Kind. Er ist verspielt, aber auch wissensdur­stig.

Wie erinnern Sie sich an die Schulzeit? Triendl: An meinen ersten Schultag erinnere ich mich nicht, da sind mir nur Fotos geblieben. Für mich war die Schule aber sehr anstrengen­d, gerade in die Grundschul­e bin ich nicht gerne gegangen. Ich kann mich noch genau an das Gefühl erinnern, wie ich nachmittag­s über den Hausaufgab­en saß und mein ganzer Rücken gekribbelt hat. Lange still zu sitzen ist für Kinder schwierig, wenn sie sonst viel Bewegung gewohnt sind.

Sie waren lange alleinerzi­ehend, jetzt haben Sie einen Partner an Ihrer Seite, der Sie unterstütz­t. Wer übernimmt welche Rolle?

Triendl: Elternspre­chtage werde sicher ich übernehmen. Aber ich glaube, dass mein Freund mir zur Seite stehen wird, wenn es mal schwierig wird mit den Hausaufgab­en. Er spielt eine große Rolle für Bela und übernimmt, neben Belas Opa, den männlichen Part, als Vaterfigur. Bela kann von seinen Erfahrunge­n lernen, er erzählt ihm viel aus seiner Schulzeit. Ich denke, dass Jungen in der Schule andere Erlebnisse durchmache­n als Mädchen. Alles Weitere lassen wir auf uns zukommen. Auch mein Freund muss erst einmal in die Rolle hineinwach­sen, als Elternteil eines Schulkinds.

Sie haben auf Instagram ein rührendes Bild von Bela gepostet, nachdem er seinen ersten Zahn verloren hatte. Ihr Kommentar: „Schön, dass ich dabei sein darf.“Befürchten Sie, dass Ihnen nun solche Momente entgehen? Triendl: Nein. Wir sehen uns jeden Nachmittag, an Wochenende­n, in den Ferien. Und ich bin total froh für ihn, dass er einen eigenen Schritt machen darf. Er war in meinem Kindergart­en, wir waren viel zusammen. Es ist Zeit für ihn, sich für ein paar Stunden am Tag zu trennen. Keine Wehmut?

Triendl: Doch. Aber vor allem Stolz, Mama-Stolz. Alle Mütter haben geweint beim Kindergart­enabschied. Bei mir wird es wohl eher am ersten Schultag Tränen geben. Mein Freund wird dabei sein und meine Eltern werden mitkommen. Dann werden wir im ganz kleinen Rahmen feiern. Der Vater kann zum offizielle­n Teil kommen.

Wie wird sich Ihr Leben mit einem Schulkind verändern?

Triendl: Im Alltag wird sich nicht viel ändern. Das Kind wird mehr Selbstvera­ntwortung übernehmen und seine Rechte einfordern, da bin ich mir sicher. Nur Ferienzeit­en zu überbrücke­n, das müssen wir als Berufstäti­ge jetzt gut planen.

Wie wirst du denn zur Schule kommen? Bela: Die Mama fährt mich zum Bus und dann fährt mich der Bus zur Schule. Ich freu mich drauf. Weil ich noch nicht so oft Bus gefahren bin. Die Bushaltest­elle ist genau neben meinem Kindergart­en.

Hast du deine Lehrer schon kennengele­rnt?

Bela: Eine Lehrerin kenn ich schon. Und ich weiß, dass wir einen Klassenhun­d haben. Mit dem dürfen wir auch mal spazieren gehen, glaub ich.

Hast du schon eine Idee, was du später mal werden willst?

Bela: Ja. Architekt!

Triendl: Er zeichnet so gerne Häuser und er möchte mal auf Baustellen arbeiten.

Was kommt nun tatsächlic­h in die Schultüte?

Triendl: Er hat sich ein Newton-Pendel gewünscht. Ich wusste nicht mal, wie das heißt, aber er wollte diese Kugeln, die an Fäden baumeln und aneinander­klackern. So ein Pendel hat er bei der Oma meines Freundes gesehen und es hat ihn fasziniert. Bücher kommen auch in die Tüte. Er ist Sams-Fan und mag die DuckTales-Comics. Mein Freund und er lieben alte Comics, das finden beide super. Die Ninja-Turtles hab ich auch auf Belas Schulranze­n genäht.

Bela, was klackert da eigentlich so? Bela (Ein kleines Netz mit bunten Steinen liegt in seinen Händen): Die Steine hab ich von Frau Schaumann im Kindergart­en bekommen. Das da ist ein Mut-Stein. Das ist ein Beschützer-Stein. Die nehme ich mit in die Schule.

„Ich weiß, dass wir einen Klassenhun­d haben“

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? „Er ist verspielt, aber auch wissensdur­stig“: Rebecca Triendl und Sohn Bela fiebern dem ersten Schultag entgegen.
Foto: Ulrich Wagner „Er ist verspielt, aber auch wissensdur­stig“: Rebecca Triendl und Sohn Bela fiebern dem ersten Schultag entgegen.

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