Mindelheimer Zeitung

Deutsche Entwicklun­gspause

Nationalma­nnschaft Die Niederlage gegen die Niederland­e zeigt deutlich, woran es der Mannschaft von Joachim Löw noch fehlt. Trotzdem möchte der Bundestrai­ner seine Strategie nicht ändern

- VON TILMANN MEHL

Hamburg Immerhin wusste Joachim Löw direkt nach dem Spiel mit einem positiven Gesichtspu­nkt aufzuwarte­n. „Nordirland spielt einen völlig anderen Fußball als die Niederland­e“, sagte der Bundestrai­ner nach dem 2:4 seiner Mannschaft gegen eben diese Niederland­e.

Für die 40 Minuten lang irrlichter­nden Defensivsp­ieler aus Löws Auswahl dürfte es beruhigend sein, dass sie nicht wieder Gegenspiel­ern hinterherl­aufen müssen, die sie mit Dribblings und Positionsw­echseln arg aus dem Konzept bringen. Die Nordiren werden am Montag eher mit einer Mischung aus hoch und weit geschlagen­en Bällen versuchen, die deutsche Abwehr zu verunsiche­rn (20.45 Uhr RTL).

Frenkie de Jong, Memphis Depay oder Ryan Babel hingegen wiesen das Team technisch anspruchsv­oll darauf hin, dass ein Umbruch eben ein Prozess ist und sich nach Beendigung eines Kapitels nicht anstandslo­s zum nächsten wechseln lässt. Wenngleich die Deutschen nach dem 3:2-Hinspieler­folg in Holland hofften, in ihrer Entwicklun­g bereits weiter zu sein. Das Spiel am Freitag in Hamburg offenbarte deutlich, woran es dem Team noch mangelt: individuel­le Klasse und Stressresi­stenz.

Selbstvers­tändlich kam den Holländern bei ihren Analysen nach der Partie aber auch der Spielverla­uf zu Hilfe. „Wir haben weiter an uns geglaubt, haben weiter Fußball gespielt“, sagte Abwehrspie­ler Virgil van Dijk über das Spiel seiner Mannschaft nach dem 0:1-Pausenrück­stand. Allerdings hätte möglicherw­eise all der Glaube nichts genutzt, wenn Marco Reus kurz vor der Halbzeit das 2:0 erzielt hätte. Oder der Ball gleich nach Wiederanpf­iff nicht noch kurz vor Überschrei­ten der Torlinie geklärt worden wäre.

Der Gewinner muss auf derartige Nebensächl­ichkeiten nicht achten. Und der Verlierer sollte die Gründe für die Niederlage nicht darin suchen. So gesehen präsentier­ten sich die Deutschen als gute Verlierer. Sie analysiert­en klar, woran es lag, ein verdientes 2:4 kassiert zu haben. „Wir hatten kaum Ballbesitz. Da hatten wir in Amsterdam fast mehr. Das müssen wir jetzt analysiere­n. Das kann nicht unser Anspruch sein“, fasste Niklas Süle den augenschei­nlichsten Grund zusammen.

Seine Mannschaft rannte zu oft dem Ball hinterher – was mit beständig stressende­n Holländern zu tun hatte, aber auch mit fehlenden technische­n Fähigkeite­n. Ein lediglich aus Joshua Kimmich und Toni Kroos bestehende­s Mittelfeld wird immer einige wunderbare Konter initiieren können, niemals aber über 90 Minuten so viele Löcher zulaufen können, dass die Abwehr leichtes Spiel hat.

Nun ließe sich den beiden entweder ein dritter Mann an die Seite stellen (mit Kai Havertz befindet sich eine spielstark­e Alternativ­e im Kader), oder aber die Abwehrspie­ler gehen sorgsamer mit dem Ball um. Nico Schulz, Jonathan Tah oder auch Lukas Klosterman­n besitzen aber nicht jene Ruhe und Qualität am Ball, um auch mal einen hochklassi­gen Gegner längere Zeit hinterherl­aufen zu lassen.

Löw glaubt, dass seine Defensivsp­ieler noch nicht am Ende ihrer Entwicklun­g sind. Ansonsten könnte er ja auch gleich wieder auf Mats Hummels setzen. „Dazu ist alles gesagt“, erklärte der Bundestrai­ner gegenüber der Bild. Bedeutet: Hummels bleibt Ex-Nationalsp­ieler.

Für das Spiel gegen Nordirland sollte es nicht von Bedeutung sein, wer in der Innenverte­idigung spielt. Es sollte auch nicht maßgeblich sein, dass Nico Schulz wegen einer Fußwurzelv­erletzung und Ilkay Gündogan wegen eines grippalen Infekts bereits abgereist ist. Die Deutschen werden wohl von Fünfer- auf Viererkett­e wechseln und ihrerseits versuchen, die nordirisch­e Abwehr zu verunsiche­rn. Ist das Vorhaben von Erfolg gekrönt, ist die Qualifikat­ion zur EM in greifbarer Nähe. Bei einer Niederlage allerdings würde nicht mehr darüber diskutiert, mit welcher Strategie Löw spielen lässt. Er stünde selbst im Mittelpunk­t.

 ?? Foto: Axel Heimken, dpa ?? Manuel Neuer ärgert sich, dass seine Parade unmittelba­r zuvor gegen Virgil van Dijk letztlich nutzlos war, und Jonathan Tah schaut dem von ihm ins Tor gestolpert­en Ball hinterher. Die Niederländ­er wiederum freuen sich über das Führungsto­r zum 2:1.
Foto: Axel Heimken, dpa Manuel Neuer ärgert sich, dass seine Parade unmittelba­r zuvor gegen Virgil van Dijk letztlich nutzlos war, und Jonathan Tah schaut dem von ihm ins Tor gestolpert­en Ball hinterher. Die Niederländ­er wiederum freuen sich über das Führungsto­r zum 2:1.

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