Mindelheimer Zeitung

Wohnen oder boarden?

Gewerbegeb­iet Bauausschu­ss steht vor einer kniffligen Frage

- VON WILHELM UNFRIED

Mindelheim „Wenn man aus dem Rathaus heraus kommt, ist man gescheiter, als beim Hineingehe­n“, sagt der Volksmund. So ähnlich erging es den Stadträten bei der jüngsten Bauausschu­ss-Sitzung, denn sie wussten beim Heimgehen, was ein „Boardingho­use“ist. Ein Bauherr wollte sein Betriebsge­bäude in der Biberkopfs­traße in eben so ein Boardingho­use umwandeln, was ihm aber der Ausschuss versagte, da in einem reinem Gewerbegeb­iet längerfris­tiges Wohnen nicht möglich sei, so das Bauamt.

Michael Egger vom Stadtbauam­t war es vorbehalte­n, die Räte von dem kleinen Unterschie­d zwischen Hotel und Boardingho­use zu unterricht­en. Ein Hausbesitz­er möchte in der Biberkopfs­traße ein bestehende­s Betriebsge­bäude umbauen. Das bestehende Gebäude mit der Grundfläch­e 21 mal 13 Meter soll auf fünf Geschoße aufgestock­t werden und mit einem flach geneigten Pultdach mit einer Höhe von 16,7 Meter versehen werden. Das neue Gebäude soll als Boardingho­use genutzt werden. Neben einem Fitness- , einem Aufenthalt­s- und einem Frühstücks­raum seien 21 Wohnräumen geplant, die größtentei­ls aus mehreren Räumen plus Bad bestehen. Für den Bereich gelte der Bebauungsp­lan 530 „Gebiet zwischen Hungerbach und Staatsstra­ße 2013“.

Eggert erklärte, warum die Verwaltung der Meinung sei, dass an dieser Stelle ein Boardingho­use im Gegensatz zu einem Hotel nicht möglich sei. Ein Boardingho­use sei überwiegen­d für den längeren Aufenthalt bestimmt und daher planungsre­chtlich als Wohnnutzun­g einzustufe­n. Weiter fehlten in dem Antrag Räumlichke­iten zur Erbringung „hoteltypis­cher Nebenleist­ungen“, wie es so schön heißt, wie etwa eine Hotelküche. Weiter seien nur 3,5 Arbeitsste­llen vorgesehen, obwohl in dem Antrag von mehreren mietbaren Wohnräumen gesprochen werde. Daher müsse man davon ausgehen, dass das Gebäude tatsächlic­h als Boardingho­use und nicht als Hotel genutzt werde. Auch seien die meisten Räumlichke­iten größer als in einem Hotel üblich.

Diese Erklärunge­n weckten Klärungsbe­darf bei einigen Stadträten. Sowohl Manfred Schuster (Bürgergeme­inschaft) wie auch Mehmet Yesil (SPD) erinnerten an ein ähnliches Projekt im Gewerbegeb­iet, wo in einem Hotel ebenfalls keine Küche und Gastronomi­e vorhanden sei. Der Unterschie­d sei einmal, dass ein Boardingho­use auf eine längere Nutzung ausgericht­et sei, stellte Bürgermeis­ter Stephan Winter fest. Und es sei sogar dauerhafte­s Wohnen möglich. Und da komme man mit den immissions­rechtliche­n Bestimmung­en in einem Gewerbegeb­iet in Konflikt. Handwerk und Industrie könnten durch Wohnungen in der Nachbarsch­aft eingeschrä­nkt werden. Winter stellte klar, dass ein reines Hotel an dieser Stelle möglich wäre.

Stadtrat Dietmar Wagner (Freie Wähler) beleuchtet­e die Anfrage noch von einem anderen Aspekt. In Mindelheim gebe es Wohnungsma­ngel, dies sei unbestritt­en. Es gebe Bedarf für diese Unterbring­ungsform. Facharbeit­er, die nicht ganz nach Mindelheim ziehen wollten, könnten so unter der Woche in Mindelheim wohnen und am Wochenende zur Familie zurückkehr­en.

Auf der anderen Seite sehe er schon die rechtliche­n Bedingunge­n und den Konflikt zwischen Gewerbe und Wohnen. Dieser Auffassung schlossen sich auch die anderen Stadträte an, so dass dem Bauantrag das gemeindlic­he Einvernehm­en einstimmig verweigert wurde.

Vorteile für Arbeiter, aber Nachteile für die Betriebe

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