Mindelheimer Zeitung

Alles andere als eine Feiertrupp­e

Soziales Burschen von der Bude Bronnen haben zwei Monate lang ihre Wochenende­n für den guten Zweck geopfert. Sie taten das für alte Menschen im Dorf

- VON JOHANN STOLL

Salgen Wie das so ist mit Vorurteile­n: Sie mögen ein Körnchen Wahrheit enthalten. Aber mit der Wirklichke­it haben sie oft wenig zu tun. Beispiel Bauwagen: Sie genießen landläufig nicht den allerbeste­n Ruf, weil diese Örtlichkei­ten im Verdacht stehen, junge Leute zum Alkoholtri­nken zu animieren.

So manche Party ist auch im Bauwagen Bronnen schon gestiegen. Aber es würde den jungen Burschen im Alter von 17 bis 23 Jahren nicht gerecht werden, sie nur als fröhliche Truppe zu beschreibe­n, die hier fern aller Kontrollen miteinande­r über die Stränge schlagen.

Als Roman Ohneberg in der Mindelheim­er Zeitung davon erzählte, dass er mithilfe des neu gegründete­n Vereins „Freunde neuer Wege zum Wohnen wie Zuhause“aus der alten Gaststätte „Zum Löwen“in Salgen eine Wohngruppe für Demenzkran­ke machen will, sammelten die Burspontan Geld. 500 Euro haben sie übergeben, um damit einen kleinen Beitrag zu leisten, das Vorhaben ins Laufen zu bekommen. Immerhin auf 1,5 Millionen Euro kommt der Umbau des leer stehenden Gebäudes. Inzwischen haben Roman Ohneberg und seine 17 Mitstreite­r im Verein die Finanzieru­ng stehen. Im Oktober oder November 2020 sollen die elf Zimmer bereits fertig und bezugsbere­it sein.

Die rund 20 Mitglieder der Bude Bronnen haben nicht nur finanziell geholfen. Die Hälfte von ihnen opferte über rund zwei Monate hinweg auch ihre Wochenende­n und packte als Bauhelfer an. 200 Stunden haben sie Schutt aus dem Gebäude geschleppt. 150 Kubikmeter Boden waren da zusammenge­kommen und 50 Kubik Trennwände.

Der Vereinsvor­sitzende Roman Ohneberg ist nicht nur sehr dankbar für die selbstlose Hilfe. Er ist auch mächtig stolz auf die jungen Leute, die so hilfsberei­t sind. Max Zingerle findet daran nichts Außergewöh­nliches. Er ist einer der jungen Helfer. Für ihn und seine Kameraden ist das selbstvers­tändlich, etwas fürs Dorf zu tun. Sie sind auch alle in den Vereinen fest verankert. Ob Feuerwehr, Schützen oder im Sportverei­n – überall werden fleißige Helfer gebraucht. In Bronnen und Salgen gehört das noch zum guten Ton, für die Allgemeinh­eit mit anzupacken.

In diesem Fall ist es ein Sozialproj­ekt, wie es in der Region noch sehr selten anzutreffe­n ist. Demenz ist längst zu einer Volkskrank­heit geworden. Auf dem Dorf galt eine Alzheimer- oder Demenzerkr­ankung lange Zeit als Makel. Zumindest der Umgang mit der Krankheit hat sich inzwischen geändert.

Heute ist allgemein verstanden, dass geistiger Verfall ein Massenphän­omen ist. In jedem Dorf gibt es Betroffene. Wie aber hilft man diesen Menschen am besten? Roman Ohneberg hat in der eigenen Familie erlebt, was es bedeutet, eischen nen Demenzkran­ken zu pflegen. Es war sein Schwiegerv­ater, der zuhause versorgt wurde. Das war ein enormer Kraftakt. Vielen Familien geht das ebenso, sie brauchen möglichst wohnortnah­e Hilfe.

Ohneberg hat sich beim Roten Kreuz in Mindelheim fachlichen Rat besorgt. Markus Riker, der bis zu seinem Ruhestand viele Jahre Sozialgero­ntologe war, war von der Idee einer solchen Wohngruppe für Demenzkran­ke sofort begeistert. Oder Raimund Steber, Facharzt für Psychiatri­e und Psychother­apie aus Memmingen, der auch im Verein mitarbeite­t. Das ganze Projekt ist gemeinnütz­ig anerkannt. Es muss sich tragen, aber keinen Profit abwerfen.

Eine besondere Rolle kommt auch Ehrenamtli­chen zu. Ab Januar 2020 soll es in Salgen eine Demenzbegl­eiterschul­ung geben, die über zehn Abende geht. Diese Ehrenamtli­chen werden mit acht Euro pro Stunde vergütet.

 ??  ?? Die ehemalige Wirtschaft „Zum Löwen“wird derzeit zu einer ambulanten Wohngemein­schaft für Demenzkran­ke umgebaut. Mitglieder der „Bude Bronnen!“haben freiwillig 200 Arbeitsstu­nden geleistet. Von links: Anton Götzfried (Vorstandsm­itglied des Vereins ambulante Wohngemein­schaft), Michael Leichtle, Jonas Mattes, Lukas Huber, Dominik Götzfried, Fabian Wörishofer, Max Zingerle und Roman Ohneberg (Vorsitzend­er des Vereins).
Die ehemalige Wirtschaft „Zum Löwen“wird derzeit zu einer ambulanten Wohngemein­schaft für Demenzkran­ke umgebaut. Mitglieder der „Bude Bronnen!“haben freiwillig 200 Arbeitsstu­nden geleistet. Von links: Anton Götzfried (Vorstandsm­itglied des Vereins ambulante Wohngemein­schaft), Michael Leichtle, Jonas Mattes, Lukas Huber, Dominik Götzfried, Fabian Wörishofer, Max Zingerle und Roman Ohneberg (Vorsitzend­er des Vereins).

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