Die meisten Allgäuer stehen zum Tourismus
Freizeit Eine Studie liefert spannende Ergebnisse: Einheimische sehen Urlauber als Wirtschaftsfaktor. Doch von Verkehr und Parkplatzsuche sind sie genervt. Jeder Zweite will nicht noch mehr Gäste
Bad Wörishofen/Kempten Das Allgäu braucht den Tourismus – weil viele Leute davon leben. Knapp 88 Prozent der Einheimischen stimmen dieser Aussage zu. So steht es schwarz auf weiß in einer aktuellen Studie, die die Hochschule Kempten veröffentlicht hat. Professor Alfred Bauer, Dekan der Fakultät Tourismus-Management, hat nun die Ergebnisse an der Hochschule
Kempten vorgestellt. Allen Diskussionen über „Übertourismus“zum Trotz: Fast 74 Prozent der Einheimischen fühlen sich durch Urlauber und Tagesgäste nicht gestört (siehe Grafik).
Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig der Tourismus für die Region sei, sagt Bauer. Insgesamt entstehe dadurch ein Bruttoumsatz von 3,1 Milliarden Euro. Davon profitierten vor allem das Gastgewerbe und der Einzelhandel. Der Tourismus schafft unter anderem Arbeitsplätze und Kultur- und Freizeitangebote. Zudem wird die Infrastruktur verbessert – die Lebensqualität steigt. Die Wissenschaftler haben für die repräsentative Studie fast 2000 Menschen aus der Region befragt. Dabei wird auch deutlich, in welchen Situationen sich die Allgäuer vom Tourismus gestört fühlen. Spitzenreiter ist mit knapp 57 Prozent der Straßenverkehr, dicht gefolgt von der Parkplatzsuche. Erst dann werden Skifahren und Bergwandern genannt.
Die Allgäuer schätzen den Tourismus. Die Frage, ob die Region künftig mehr Urlauber braucht, verneint allerdings fast jeder Zweite. „Es ist gut so, wie es ist“, sagt Bauer. Diese Haltung sei über die Landkreise hinweg gleich. „Deshalb ist es so wichtig, die Bürger bei diesem Thema mitzunehmen“, betont der Professor. Denn dann hätten auch die Einheimischen Verständnis für die Urlauber. Im vergangenen Jahr zählte der Tourismusverband Allgäu/Bayerisch Schwaben 13,4 Millionen Übernachtungen im Allgäu. Das „Deutsche Wirtschaftliche Institut für Fremdenverkehr“hat für 2016 errechnet, dass es in der Region etwa 36,5 Millionen Tagesgab. Dabei sind Einheimische, die etwa vom Unterallgäu nach Oberstdorf fahren, eingerechnet. Die Tagestouristen tragen laut Bauer auch zur Wirtschaft bei – jeder gibt fast 30 Euro pro Tag aus. Zum Vergleich: Bei einem Hotelgast sind es 118 Euro. Das führt Bauer zu der Frage, ob der Tourismus im Allgäu zur Belastung geworden ist. Stichwort „Overtourism“– also „Übertourismus“. „Das Thema ist sehr emotional und subjektiv“, sagt Bauer. Aus der Studie geht hervor, dass die Einheimischen sich durch den Tourismus nur an manchen Orten und nur zu bestimmten Zeiten belastet fühlen. Knapp 50 Prozent geben Schloss Neuschwanstein an. Bauer spricht dabei aber nicht von „Overtourism“, sondern vom klassischen Massentourismus.
Das Thema Verkehr kam auch in der anschließenden Diskussionsrunde zur Sprache. „Mobilität wird eines der zentralen Themen der Zukunft sein“, sagt Stefan Fredlmeier, Tourismusdirektor der Stadt Füsgäste sen. Er fordert, dass gerade bei diesem Thema die ganze Region betrachtet wird. Denn Touristen, die beispielsweise im Center Park bei Leutkirch ihren Urlaub verbringen und nach Füssen fahren, benutzen die gleichen Straßen, wie die Urlauber, die in Füssen übernachten.
Der Grünen-Abgeordnete und Vizepräsident des Bayerischen Landtags, Thomas Gehring, kritisiert, dass nach wie vor kein einheitliches Ticket für den öffentlichen Nahverkehr in der Region existiert. „Es gibt bisher auch keinen politischen Willen, das zu machen. Dabei muss man genau da dran bleiben“, sagt Gehring. Nur 2,4 Prozent der Touristen reisen mit der Bahn ins Allgäu, fährt der Abgeordnete fort. „Da gibt es ein Defizit“, sagt Gehring. Er wünscht sich auch eine Elektrifizierung der Bahnstrecke von Ulm nach Oberstdorf.
Dennoch merkt Fredlmeier an, dass die Diskussion, „die wir führen, andere Regionen sehr gerne führen würden.“Bauer und Fredlmeier betonen, dass bei der Debatte die Einheimischen mitgenommen und eingebunden werden müssen. Das steigere auch die Akzeptanz für Touristen.