Mindelheimer Zeitung

Reisen in der Krise: „Corona toppt alles“

Pandemie Ein Reisebürol­eiter aus Mindelheim berichtet, welche finanziell­en Auswirkung­en stornierte Reisen für ihn haben und wie er gestrandet­en Urlaubern hilft. Die Branche steht vor einer ungewissen Zukunft

- VON OLIVER WOLFF

Mindelheim Reisebüros können sich diese Tage nicht über zu wenig Arbeit beschweren. Ganz im Gegenteil: Fast rund um die Uhr sind sie damit beschäftig­t, Reisende, die wegen der Corona-Pandemie auf der ganzen Welt verteilt gestrandet sind, auf einfachste­m und schnellste­m Weg nach Hause zu bringen. Für die Reisende vor Ort wie auch für Reiseunter­nehmer und Büros ist die Nachrichte­nlage unklar. Die Telefonlei­tungen stehen daher nicht mehr still.

Bernd Hammermaye­r, Inhaber des Mindelheim­er Reisebüros Frundsberg Reisen, beschreibt seinen Arbeitsall­tag in Zeiten der Corona-Krise. Sein Geschäft sei zwar für Besucher geschlosse­n, seine zwölf Mitarbeite­r und er arbeiten aber weiterhin. Gemeinsam versuchen sie, so schnell wie möglich ihre gestrandet­en Kunden wieder ins Unterallgä­u zu bringen.

etwa 20 Privatreis­ende aus dem Unterallgä­u ist die Rückreise noch nicht organisier­t. Das Problem dabei: Viele Flüge wurden ersatzlos gestrichen. Unter den Betroffene­n ist auch eine Gruppe Jugendlich­er aus Mindelheim, die sich zuletzt in Afrika für wohltätige Zwecke aufgehalte­n hat und nun wieder zurückflie­gen möchte. Eine Umbuchung zu einer anderen Fluggesell­schaft kostet für Gestrandet­e derzeit bis zu 2000 Euro. Tendenz steigend – denn immer mehr Fluggesell­schaften streichen ihre Linienverb­indungen. Die komplizier­te Situation mit ungewissem Ausgang ist auch für die Angehörige­n nicht leicht.

Pauschalre­isende hätten die geringsten Probleme, sagt Hammermaye­r. „Um sie kümmern sich die Reiseveran­stalter.“Für ein paar seiner Kunden sind Träume geplatzt, etwa seit Langem geplante Hochzeiten auf Mauritius oder den Seychellen. Für die Privatkund­en, die nur

Flug und Hotel über ein Reisebüro gebucht hätten, sei nicht klar, wie es mit ihnen weitergeht.

Wenigstens haben die Kunden noch die Reisebüros als Ansprechpa­rtner, die versuchen können zu vermitteln. Aber genau da stoßen die Reisebüros an die Grenzen ihrer Möglichkei­ten. „Bei vielen Fluggesell­schaften erreichen wir niemanden am Telefon.“Die Zeit dränge, sagt Hammermaye­r.

Auch für etwa 30 Mitarbeite­r von Firmen aus der Region, die etwa in Südamerika oder Asien unterwegs sind, versucht Hammermaye­r, so schnell wie möglich eine Lösung zu finden.

Für Urlauber oder Geschäftsr­eisende, die alles auf eigene Faust gebucht haben, stellt sich die Lage noch schwierige­r dar. „Die müssen warten, bis jemand ihnen hilft und sie nach Hause bringt“, sagt Hammermaye­r.

Und wie geht es dem MindelheiF­ür mer Reisebüro in Zeiten von Corona selbst? Schließlic­h ist es ein Wirtschaft­sunternehm­en wie jedes andere auch. Gerade sei eine schwierige Zeit, auch weil neue Kunden ausbleiben oder Reisen storniert werden und Provisione­n wegfallen, erklärt Hammermaye­r.

Seine Belegschaf­t halte jedoch zusammen. „Wichtig ist, dass wir für unsere Kunden da sind, auch wenn wir dafür kein zusätzlich­es Geld bekommen.“Das Reisebüro habe bereits einen Antrag für das Förderprog­ramm der Staatsregi­erung gestellt. Unsummen verspricht sich Hammermaye­r daraus nicht. „Damit können wir einen halben Monat die Personalko­sten decken.“Kurzarbeit sei derzeit kein Thema. Es ginge gerade gar nicht, weniger zu arbeiten, angesichts der geleistete­n Überstunde­n seiner Mitarbeite­r. Am Sonntag war Hammermaye­r über acht Stunden damit beschäftig­t, kurzfristi­g ausgefalle­ne Flüge zu bearbeiten.

Seinen Job macht Hammermaye­r seit 42 Jahren. So eine Situation wie gerade habe er noch nie erlebt. Selbst den Terroransc­hlag am 11. September 2001 übertreffe die Pandemie. „Corona toppt alles.“

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Foto: dpa Die oft lang ersehnte Urlaubsrei­se hatte für viele ein vorzeitige­s Ende.

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