Reisen in der Krise: „Corona toppt alles“
Pandemie Ein Reisebüroleiter aus Mindelheim berichtet, welche finanziellen Auswirkungen stornierte Reisen für ihn haben und wie er gestrandeten Urlaubern hilft. Die Branche steht vor einer ungewissen Zukunft
Mindelheim Reisebüros können sich diese Tage nicht über zu wenig Arbeit beschweren. Ganz im Gegenteil: Fast rund um die Uhr sind sie damit beschäftigt, Reisende, die wegen der Corona-Pandemie auf der ganzen Welt verteilt gestrandet sind, auf einfachstem und schnellstem Weg nach Hause zu bringen. Für die Reisende vor Ort wie auch für Reiseunternehmer und Büros ist die Nachrichtenlage unklar. Die Telefonleitungen stehen daher nicht mehr still.
Bernd Hammermayer, Inhaber des Mindelheimer Reisebüros Frundsberg Reisen, beschreibt seinen Arbeitsalltag in Zeiten der Corona-Krise. Sein Geschäft sei zwar für Besucher geschlossen, seine zwölf Mitarbeiter und er arbeiten aber weiterhin. Gemeinsam versuchen sie, so schnell wie möglich ihre gestrandeten Kunden wieder ins Unterallgäu zu bringen.
etwa 20 Privatreisende aus dem Unterallgäu ist die Rückreise noch nicht organisiert. Das Problem dabei: Viele Flüge wurden ersatzlos gestrichen. Unter den Betroffenen ist auch eine Gruppe Jugendlicher aus Mindelheim, die sich zuletzt in Afrika für wohltätige Zwecke aufgehalten hat und nun wieder zurückfliegen möchte. Eine Umbuchung zu einer anderen Fluggesellschaft kostet für Gestrandete derzeit bis zu 2000 Euro. Tendenz steigend – denn immer mehr Fluggesellschaften streichen ihre Linienverbindungen. Die komplizierte Situation mit ungewissem Ausgang ist auch für die Angehörigen nicht leicht.
Pauschalreisende hätten die geringsten Probleme, sagt Hammermayer. „Um sie kümmern sich die Reiseveranstalter.“Für ein paar seiner Kunden sind Träume geplatzt, etwa seit Langem geplante Hochzeiten auf Mauritius oder den Seychellen. Für die Privatkunden, die nur
Flug und Hotel über ein Reisebüro gebucht hätten, sei nicht klar, wie es mit ihnen weitergeht.
Wenigstens haben die Kunden noch die Reisebüros als Ansprechpartner, die versuchen können zu vermitteln. Aber genau da stoßen die Reisebüros an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. „Bei vielen Fluggesellschaften erreichen wir niemanden am Telefon.“Die Zeit dränge, sagt Hammermayer.
Auch für etwa 30 Mitarbeiter von Firmen aus der Region, die etwa in Südamerika oder Asien unterwegs sind, versucht Hammermayer, so schnell wie möglich eine Lösung zu finden.
Für Urlauber oder Geschäftsreisende, die alles auf eigene Faust gebucht haben, stellt sich die Lage noch schwieriger dar. „Die müssen warten, bis jemand ihnen hilft und sie nach Hause bringt“, sagt Hammermayer.
Und wie geht es dem MindelheiFür mer Reisebüro in Zeiten von Corona selbst? Schließlich ist es ein Wirtschaftsunternehmen wie jedes andere auch. Gerade sei eine schwierige Zeit, auch weil neue Kunden ausbleiben oder Reisen storniert werden und Provisionen wegfallen, erklärt Hammermayer.
Seine Belegschaft halte jedoch zusammen. „Wichtig ist, dass wir für unsere Kunden da sind, auch wenn wir dafür kein zusätzliches Geld bekommen.“Das Reisebüro habe bereits einen Antrag für das Förderprogramm der Staatsregierung gestellt. Unsummen verspricht sich Hammermayer daraus nicht. „Damit können wir einen halben Monat die Personalkosten decken.“Kurzarbeit sei derzeit kein Thema. Es ginge gerade gar nicht, weniger zu arbeiten, angesichts der geleisteten Überstunden seiner Mitarbeiter. Am Sonntag war Hammermayer über acht Stunden damit beschäftigt, kurzfristig ausgefallene Flüge zu bearbeiten.
Seinen Job macht Hammermayer seit 42 Jahren. So eine Situation wie gerade habe er noch nie erlebt. Selbst den Terroranschlag am 11. September 2001 übertreffe die Pandemie. „Corona toppt alles.“