Mindelheimer Zeitung

Lernen macht plötzlich viel mehr Spaß

Corona Weil die Schulen dicht sind, läuft der Unterricht jetzt digital. Die ersten Erfahrunge­n von Lehrern und Schülern sind überrasche­nd gut, wie das Beispiel Maristenko­lleg zeigt

- VON JOHANN STOLL

Mindelheim Seit Montag ist alles anders für Rainer Göppel. Der Mindelheim­er Gymnasiall­ehrer gehört zur Schulleitu­ng am Maristenko­lleg und koordinier­t die Oberstufe. Englisch und Religion sind seine Fächer.

Normalerwe­ise stünde Rainer Göppel wie alle seiner Lehrerkoll­eginnen und -kollegen vormittags vor seinen Klassen, in seinem Fall ist es eine fünfte und eine neunte. Dazu käme noch die Oberstufe mit der Q11. Seit Montag unterricht­et er ohne Schüler. An bayerische­n Lehranstal­ten gibt es keinen regulären Unterricht mehr. Kultusmini­ster Michael Piazolo hat alle Schüler ins Homeoffice geschickt.

Mit schulfrei hat das allerdings nichts zu tun. Im Gegenteil. Es wird gearbeitet wie immer, nur eben anders. Corona beschert den Schulen damit einen ersten Großversuc­h, wie Unterricht im digitalen Zeitalter auch aussehen könnte: Kein Unterricht im Klassenver­band, dafür aber Lernstoff per Datenleitu­ng und eigenständ­iges Arbeiten.

Die Erfahrunge­n der ersten Tage sind motivieren­d, sagt Göppel am Telefon. Eine persönlich­e Begegnung

verbietet sich in diesen Tagen aus guten Gründen. Alle Schüler und Lehrer sind an das Microsoft Office-365-Programm angeschlos­sen. Das staatliche Mebis-System wäre auch eine Möglichkei­t, um sich auszutausc­hen, das alle Schulen nutzen können. Das war allerdings zu Beginn der Woche in vielen Teilen Bayerns völlig überlastet und zusammenge­brochen. Die digitale Wirklichke­it hatte zugeschlag­en.

Im Office-Programm können praktisch virtuelle Klassenzim­mer gebildet werden und Lehrer sich untereinan­der austausche­n. Dateien lassen sich für alle Schüler hochladen, sofern sie nicht gerade völlig abgelegen wohnen. Und es gibt eine Chat-Funktion, über die die Schüler Fragen an ihre Lehrer stellen können.

Die nehmen das auch ausgiebig wahr. Göppel hat den Eindruck, dass den Schülern diese Form des Unterricht­s richtig Spaß macht. „Manche sind digital viel aktiver als in der Klasse“, hat er überrascht festgestel­lt. Es sei einfach eine andere Herangehen­sweise an den Stoff. Martin Weiß-Paschke aus der Schulleitu­ng des Maristenko­llegs ist auch schon infiziert von der Begeisteru­ng für die neuen Möglichkei­ten. Seine Fächer sind Deutsch und Geschichte. Wenn er morgens seinen Rechner hochfährt, hat er schon 60 Mails im Postfach, die er nach und nach abarbeitet. Eine sofortige Antwort ist da aber nicht in jedem Fall möglich. Die meisten Nachrichte­n sind Schülerfra­gen.

Für die Lehrer ist das alles mit einem größeren Zeitaufwan­d verbunden. In dieser Dimension ist es für alle Neuland. Bis in den Abend hinein betreuen die Lehrkräfte die

Schüler. Den größten Vorteil sieht Weiß-Paschke darin, nicht mehr durch eine 45-minütige Schulstund­e begrenzt zu sein.

Die Schüler müssen ganz normal ihre Hausaufgab­en erledigen. Die Aufgaben bekommen sie wie sonst auch. Sie orientiere­n sich am Stundenpla­n. Weiß-Paschke und Göppel haben den Eindruck, dass die Hausaufgab­en zuverlässi­ger gemacht werden als zuvor. „Das funktionie­rt hervorrage­nd“, sagt Weiß-Paschke. Die Abiturient­en werden ganz besonders intensiv betreut und bekommen extra Material an die Hand.

Nur eines geht momentan nicht: Alle geplanten Prüfungen müssen verschoben werden. Bleibt es bei den drei Wochen bis Ostern, in denen die Schulen geschlosse­n bleiben, „bekommen wir das irgendwie hin“, sagt Göppel.

Schüler und Lehrer sind online verbunden

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