Mindelheimer Zeitung

Eine historisch­e Stadtratss­itzung

Corona-Krise Nur der Bürgermeis­ter sprach, alle anderen achteten vor allem auf eines: Distanz

- VON JOHANN STOLL

Mindelheim Eine solche Stadtratss­itzung hat es noch nie zuvor in Mindelheim gegeben. Keiner verspürte Redebedarf, alle saßen im Abstand von rund zwei Metern getrennt an Einzeltisc­hen.

Schon der Ort des Geschehens war ungewöhnli­ch: Die Kommunalpo­litiker tagten nicht wie gewohnt im großen Sitzungssa­al des Rathauses. Sie waren am Montagaben­d in den großen Saal im Forum ausgewiche­n, wo sie größtmögli­che Distanz zueinander halten konnten. Und für alle Fälle war noch ein Desinfekti­onsmittel für die Hände bereitgest­ellt worden. Die Ansteckung­sgefahr vor dem Corona-Virus erforderte besondere Vorkehrung­en.

Jeder Stadtrat, Ortssprech­er und Bürgermeis­ter bekam einen eigenen Tisch im Abstand von rund zwei Metern zugewiesen. Auch die Einzeltisc­he der zwei Medienvert­reter, der Protokollf­ührerin und der Kämmerer wurden über den Saal hinweg postiert. Zehn der 24 Stadträte waren vorsorglic­h zu Hause geblieben, auch die meisten Ortssprech­er. Die Fraktionen schickten gerade einmal so viele Vertreter ins Rennen, damit die Beschlussf­ähigkeit gewahrt war.

Für die Zuhörer war die Trennwand zum kleinen Saal geöffnet worden. Dort waren ein paar Stühle in großem Abstand voneinande­r aufgestell­t worden. Gekommen war allerdings niemand. Diese denkwürdig­e Sitzung des Stadtrates Mindelheim war nur von zwei Medienvert­retern verfolgt worden.

Der Ablauf dieser „Notsitzung“, wie es Bürgermeis­ter Stephan Winter formuliert­e, freilich war eher unspektaku­lär. Winter begründete die Terminieru­ng damit, die Stadt brauche einen Haushalt. Deshalb sei die Sitzung „dringlich und unaufschie­bbar“. Abgesagt wurde bereits die Abschlusss­itzung des Stadtrates der Periode

Die Abschlussf­ahrt der Stadträte fällt aus

2014 bis 2020. Sie hätte Ende April stattfinde­n sollen. Zu einem späteren Termin, der noch nicht absehbar ist, soll dann der alte Stadtrat verabschie­det und der neue Stadtrat vereidigt werden. Abgesagt wurde auch schon die Abschlussf­ahrt des Stadtrates. Auch einen Bauausschu­ss soll es in den nächsten Wochen nicht geben. Die Lage der Wirtschaft allerdings treibt den Bürgermeis­ter täglich um. Mit Kämmerer Wolfgang Heimpel und Hermann Schröther vom Bauamt habe er vereinbart, Aufträge vorzuziehe­n. Bekanntlic­h steht heuer die Sanierung des Freibads an. Die Firmen seien kontaktier­t worden, um ihnen einen früheren Baubeginn zu ermögliche­n. Viele

Unternehme­n hätten in der Coronakris­e mit Auftragsst­ornierunge­n zu kämpfen. „Unser Angebot ist eine wirkungsvo­lle Methode, um den Baufirmen zu helfen“, sagte Winter. Damit kämen diese früher an Geld. Damit belässt es die Stadt aber nicht. Fast täglich genehmige der Bürgermeis­ter Stornierun­gen bei der Gewerbeste­uer. Wie sich die Steuereinn­ahmen im Laufe des Jahres verändern werden, sei noch unklar. Sicher ist nur eines: Die Einnahmen bei Gewerbe-, Einkommens- und Umsatzsteu­er

werden sinken. Die Frage ist nur noch, wie stark die Kurve nach unten gehen wird, sagte Winter.

Eine letzte Pointe hatte diese historisch­e Stadtratss­itzung dann aber noch: All das Beschlosse­ne wird nicht lange Bestand haben. Die Stadt fährt mit ihrem Haushalt nur noch auf Sicht. Alle Ausgaben stehen unter dem ausdrückli­chen Vorbehalt der Kämmerei. Der Bürgermeis­ter hat bereits vorigen Donnerstag eine Art Haushaltss­perre verfügt. Das Rathaus bleibt im Katastroph­enmodus.

 ?? Foto: Johann Stoll ?? Um ausreichen­den Abstand zu wahren, wurden die Tische der Stadträte im großen Saal des Mindelheim­er Forums verteilt. So ungewöhnli­ch wie die Sitzordnun­g war auch der Verlauf der Haushaltsb­eratungen.
Foto: Johann Stoll Um ausreichen­den Abstand zu wahren, wurden die Tische der Stadträte im großen Saal des Mindelheim­er Forums verteilt. So ungewöhnli­ch wie die Sitzordnun­g war auch der Verlauf der Haushaltsb­eratungen.

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