Gallier und Germanen
Endlich mal das Bücherregal gründlich abgestaubt. Ganz unten, hintere Reihe, dieses Tusculum-Bändchen entdeckt, schon ganz brüchig das Papier. Caesar: De bello gallico, der Gallische Krieg. Das haben wir doch im Lateinunterricht gelesen. „Gallia est omnis divisa in partes tres…“– langweilig. Geblättert, geguckt, und mich (auf Deutsch in der zweisprachigen Ausgabe) festgelesen. Aber schon so was von fest! Überhaupt nicht langweilig! Natürlich interessiert mich auch heute nicht die Selbstbespiegelung eines Feldherren, der die gallischen und germanischen Stämme unterwerfen wollte. Aber was er damals, 50 Jahre vor der Zeitenwende, „über die in Gallien und Germanien herrschenden Sitten“schreibt, ist hochinteressant. Über gallische Sklaven und Ritter, über Druiden (ja, wie in „Asterix“!) und deren Volksunterweisung, über Götterverehrung. Und über die Germanen, deren ganze Lebensweise aus „Jagd und kriegerischem Treiben“besteht, die sich von „Milch, Käse und Fleisch“ernähren und stets auf „Strapazen und Abhärtung bedacht“sind. Zur Bekämpfung des Müßiggangs, stellt Caesar fest, würden sie gern Raubzüge unternehmen. Nicht gerade sympathische Gesellen. Aber spannend zu lesen!
Während sich viele Menschen im Moment darüber beklagen, zu Hause sein zu müssen, kann ich mir derzeit nichts Schöneres vorstellen! Ich kam gerade (noch) von einer Nordamerikatournee zurück und versuche, mich von den Strapazen dieser fünfwöchigen Reise zu erholen. Da ich vom Alter her und durch Vorerkrankungen zur Hochrisikogruppe gehöre, halte ich mich strikt an die Vorsichtsmaßnahmen und verlasse das Haus nur, um Luft zu schnappen, während mein Mann die Einkäufe erledigt. Allerdings bin ich zuversichtlich, dass mein Immunsystem einigermaßen funktioniert, da ich mir trotz zwölf Flügen, sechs Zeitverschiebungen, diversen Klimaschocks und manchen „kontaktfreudigen“Fans mir drüben auch nichts „Normales“geholt habe.
Mit großer Sorge sehe ich die Situation von Kollegen, die kein finanzielles Polster haben und nun plötzlich ohne Einkommen da- stehen und nicht wissen, wie sie die nächsten Monate über die Runden kommen sollen.
Ich bin mir des Privilegs, ein schönes Haus und einen ebensolchen Garten zu haben, durchaus bewusst. Leider kann ich diesen Luxus mit keinem meiner Freunde teilen, die im Moment mit beengten Verhältnissen zurechtkommen müssen. Da der Garten mein wichtigstes Hobby ist, wird es mir in den nächsten Wochen diesbezüglich mit Sicherheit nicht langweilig.
Eine Londoner Kinderchirurgin, der ich einmal gesagt hatte, wie sehr ich sie für ihre Arbeit bewundere und dass ihre Tätigkeit mit dem, was ich tue, nicht verglichen werden könne, gab mir zur Antwort: „Ja, es stimmt, ich rette Leben, aber warum? Auch dafür, dass Sie deren Leben dann mit Ihrer Kunst bereichern können.“Deshalb hoffe ich, in größter Bewunderung für alle, die im Moment alles tun, um Leben zu retten, dass möglichst viele dieser Leben gerettet werden können und dass ich noch oft Gelegenheit haben werde, diesen Menschen dann durch mein Spiel etwas zu geben. Deshalb werde ich das tun, was ich seit meinem 4. Lebensjahr (fast) jeden Tag tue: optimistisch in die Zukunft sehen, ans Klavier gehen und üben, üben, üben … ***