Mindelheimer Zeitung

„Zum Nichtstun verdammt“

Landratswa­hl Kandidaten können wegen Corona fast nur im Internet für sich werben. Stichwahl am Sonntag

- VON DAVID SPECHT

Unterallgä­u Ein bisschen skurril, fast schon gruselig sei die Zeit vor der Stichwahl, sagt Alex Eder. Der Kandidat der Freien Wähler hat am Sonntag gute Chancen, neuer Landrat im Unterallgä­u zu werden. Nur 14 Stimmen fehlten ihm im ersten Durchgang mit vier Kandidaten für die absolute Mehrheit. Sein Konkurrent Rainer Schaal von der CSU kam auf 25,6 Prozent.

Doch statt Wahlverans­taltungen mit zahlreiche­n Zuschauern, dem Verteilen von Flyern und Händeschüt­teln bestimmen nun Homeoffice und Gartenarbe­it Eders Alltag. Der Wahlkampf-Endspurt ist wie so vieles wegen des Coronaviru­s ausgefalle­n. „Mein Terminplan war voll. Das haben wir nun alles abgesagt.“

Den persönlich­en Kontakt ersetzen zumindest in Teilen die sozialen Medien. „Das verlagert sich auf eine ansteckung­sfreie Möglichkei­t“, sagt Eder. Etwa drei bis vier Nachrichte­n von Bürgern bekomme er täglich auf Facebook. „Da geht es um Themen, die den Leuten auf den Nägeln brennen.“Seit der Wahl am 15. März hat er zehn Beiträge auf Facebook verfasst und sechs Bilder auf Instagram hochgelade­n. Eder bedankt sich darin für das tolle Wahlergebn­is und wirft einen Blick zurück auf die vergangene­n Wochen und Monate.

In den Wochen vor Corona habe er auf den sozialen Netzwerken eine Art Wahlkampf-Tagebuch geführt, sagt Eder. Er berichtete von Versammker lungen, Infostände­n und von Podiumsdis­kussionen. „Ich kann jetzt inhaltsmäß­ig weniger bringen, weil ich weniger unterwegs bin. Es kommt mir vor, als wäre ich zum Nichtstun verdammt.“Eders bisher letzter Post zeigt stattdesse­n seine Aktivitäte­n während des Wochenende­s daheim: Er pflanzte Bäume um, baute einen Turm aus Legosteine­n und zimmerte am heimischen Hühnerstal­l weiter.

Mit fünf Facebook-Posts und einem Bild auf Instagram ist Rainer Schaal seit dem Wahlsonnta­g deutlich weniger im Internet aktiv. „Natürlich könnte man da jetzt gewaltig Werbung für politische Themen machen. Ich weiß aber nicht, ob das richtig wäre“, sagt er. Er habe sich deshalb entschiede­n, im Internet präsent zu sein – aber nicht mit Politische­m. Auf die Wahl geht er dann auch nur in einem Beitrag konkret ein: In dieser Krise brauche der Landkreis Führungser­fahrung und Sachversta­nd, steht in einem von Schaal geposteten Bild auf Instagram und Facebook. Weiter heißt es da: „Ich verspreche Ihnen, in Urlaub würde ich in so einer Situation nicht gehen.“Eine Anspielung auf den amtierende­n Landrat Hans-Joachim Weirather, der vergangene Woche zwar offiziell im Urlaub, laut eigener Aussage aber weiter „in alle Entscheidu­ngen massiv eingebunde­n“war. Ein Seitenhieb auf einen Politi

sei dieser Post nicht, so Schaal. „Aber ich kann sagen: Für keinen Amtsträger wäre Verständni­s da, wenn er in so einer Zeit im Urlaub ist.“Auch Schaal berichtet von vielen Nachrichte­n auf den sozialen Netzwerken. Thema sei dort vor allem Corona. Er selbst arbeite derzeit teilweise von zuhause aus. Das Virus bestimme seinen Arbeitsall­tag bei der Regierung von Schwaben und auch sein Privatlebe­n. „Unsere Kinder sind vom Kindergart­en zuhause. Meine Frau und ich haben genügend zu tun, die zu beschäftig­en. Wir versuchen – wie viele andere auch –, den Alltag zu bewältigen“, beschreibt er. Den Wahlabend selbst wird Schaal daheim vor dem Computer verbringen. „Etwas anderes ist durch die Allgemeinv­erfügung auch nicht möglich – und ich hätte auch kein Verständni­s für eine Wahlparty oder Ähnliches“, sagt er.

Laut Alex Eder ist es zwar schön, nach der intensiven Wahlkampfz­eit nun daheim bei der Familie zu sein. Allerdings: „Mir fehlt die Rückmeldun­g aus den Gesprächen mit den Leuten nach den Veranstalt­ungen.“Und noch etwas ärgert ihn: Nach dem „fantastisc­hen Ergebnis“am 15. März klebten seine Wahlhelfer und er „Dankeschön“-Sticker auf seine Wahlplakat­e. Eigentlich sei geplant gewesen, diese nun mit einem Aufruf zur Stichwahl zu ergänzen. Das sei nun aber nicht mehr möglich. „Jetzt sieht es so aus, als würde ich mich direkt für ein Ergebnis bedanken, das es noch gar nicht gibt“, sagt Eder.

● Rainer Schaal studierte Jura in Augsburg. Seine Referendar­zeit absolviert­e er in Augsburg, München, Kanada und Frankreich. Weitere Stationen: Staatsdien­st im Innenminis­terium, Abteilungs­leiter im Landratsam­t

Augsburg, Umweltrefe­rent bei der Stadt Augsburg, Sachgebiet­sleiter Baurecht und Kommunalab­gabenrecht bei der Regierung von Schwaben

● Familienst­and Verheirate­t

● Kinder Zwei Töchter im Alter von vier Jahren und einem Jahr

● Parteizuge­hörigkeit CSU

● Politische­r Werdegang Bezirksvor­sitzender der Jungen Union von 1991 bis 1999. Seit 1984 bei der CSU. 24 Jahre Stadtrat in Augsburg, zuletzt sechs Jahre als hauptamtli­cher.

● Hobbys Hunde, Tiere, Natur

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Rainer Schaal

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