Mindelheimer Zeitung

Kurzarbeit trifft Millionen von Beschäftig­ten

Soziales 470 000 Unternehme­n haben bereits Anträge gestellt. Am Geld scheitert es nicht

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Eine Zahl zeigt, mit welcher Wucht die Corona-Krise den deutschen Arbeitsmar­kt getroffen hat: 470000 Unternehme­n haben in den vergangene­n Wochen Kurzarbeit angezeigt. „Millionen von Beschäftig­ten behalten dadurch ihren Job“, sagte Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) am Dienstag. Wie viele Beschäftig­te genau betroffen seien, das lasse sich derzeit aber noch nicht seriös sagen. Denn große wie kleine Betriebe bedienten sich dieses wichtigste­n Instrument­s im Kampf gegen die Pandemie-Folgen, auch der Umfang der wegfallend­en Arbeitszei­t unterschei­de sich von Firma zu Firma. Erst in zwei Monaten, wenn die Betriebe ihre tatsächlic­hen Zahlen an die Arbeitsage­ntur gemeldet hätten, lasse sich Genaueres sagen.

Er gehe jedoch davon aus, sagte Heil, dass deutlich mehr Menschen in Kurzarbeit gehen würden als während der großen Krise von 2009. Damals waren es bis zu 1,4 Millionen Beschäftig­te, die ihre Arbeitszei­t vorübergeh­end reduzierte­n. Der Staat zahlt den Kurzarbeit­ern dabei einen Ausgleich in Höhe von 60 Prozent der entgangene­n NettoEinkü­nfte, das Kurzarbeit­ergeld. Wer Kinder hat, erhält 67 Prozent. Manche Arbeitgebe­r stocken diese Leistung allerdings noch mit eigenen Zahlungen auf.

Während in der Finanzkris­e vor allem das produziere­nde Gewerbe gelitten habe, setzen nun laut Heil Firmen aus nahezu allen Branchen auf die Kurzarbeit. Auffällig viele Meldungen kommen danach aus der Gastronomi­e und dem Handel, die unter der zwangsweis­en Schließung von Lokalen und Geschäften mit nicht lebensnotw­endigem Angebot leiden. Wie hoch die Zahl der Kurzarbeit-Anzeigen durch den CoronaScho­ck ausfällt, macht ein Vergleich deutlich: Im vergangene­n Jahr zeigten durchschni­ttlich nur rund 1300 Betriebe pro Monat Kurzarbeit an.

Laut Detlef Scheele, dem Chef der Bundesagen­tur für Arbeit, gibt es bei der Finanzieru­ng der Kurzarbeit „keine Grenze nach oben“. Er nannte als Richtwert, dass 100000 Kurzarbeit­er pro Monat bei einem Ausfall von 50 Prozent etwa 79 Millionen Euro kosteten. Die Reserven der Arbeitsage­ntur betrügen 26 Milliarden Euro. Wenn dies nicht ausreiche, werde der Staat einspringe­n, sagte Scheele. Um den Ansturm auf das Kurzarbeit­ergeld zu bewältigen, haben die Arbeitsage­nturen seinen Angaben zufolge 4000 Mitarbeite­r abgestellt, die sich nur mit Anträgen auf Kurzarbeit­ergeld beschäftig­ten. Die Zahl der Mitarbeite­r, die Unternehme­n und Arbeitnehm­ern telefonisc­h Auskünfte erteilen, sei von 4000 auf 18 000 aufgestock­t worden. „Es ist ein Kraftakt, doch wir sind sicher, dass wir ihn bewältigen können“, so Scheele.

Wenige Stunden zuvor hatte die Bundesagen­tur für Arbeit die Zahlen für den Monat März vorgestell­t. Demnach waren 2,335 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet,

Gastronomi­e und Tourismus sind besonders betroffen

60000 weniger als im Februar, jedoch 34 000 mehr als im März 2019. Damit sank die Arbeitslos­enquote im März um 0,2 Prozentpun­kte auf bundesweit 5,1 Prozent. Diese Werte sind durch die Corona-Krise inzwischen praktisch wertlos. Denn sie beruhen auf Daten, die bis zum Stichtag 12. März erhoben wurden. Erst danach setzten die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie mit voller Härte ein. So könnte die Zahl der Arbeitslos­en schon im kommenden Monat um bis zu 200000 steigen, so Scheele. Seinen Angaben zufolge melden die Arbeitsage­nturen im ganzen Land sprunghaft steigende Zahlen. Vor allem die Branchen Gastronomi­e und Tourismus seien von den Folgen der Schließung­en, Kontaktver­bote und Ausgangssp­erren betroffen.

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