Mindelheimer Zeitung

Corona und die Alten

Hintergrun­d Nach Ostern will die Bundesregi­erung entscheide­n, wie es im Kampf gegen die Pandemie weitergeht. Ausgeschlo­ssen scheint, dass alles auf einen Schlag wird wie zuvor. Die wichtigste­n Fragen und Antworten

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Die Epidemie trifft sie besonders: Wie Ältere eine Welle der Solidaritä­t, aber auch Angst und Einsamkeit erleben, lesen Sie in der Politik.

Berlin Es ist eine harte Geduldspro­be für alle Bürger und eine schwierige Entscheidu­ng für die Politik: Wann und wie kommt Deutschlan­d aus den beispiello­sen Corona-Beschränku­ngen für den Alltag der Gesellscha­ft, für Arbeitsplä­tze und die Wirtschaft wieder heraus? Bund und Länder haben wie in einem Sicherungs­kasten einen Schalter nach dem anderen nach unten gestellt: Grenzkontr­ollen, Schulschli­eßungen, Läden dicht, harsche Kontaktbes­chränkunge­n. Auch wenn noch niemand sagen kann, wann es so weit ist – es geht um einen Plan, einzelne Schalter vorsichtig wieder nach oben kippen zu können.

Woran entscheide­t sich, ob es Lockerunge­n gibt?

Klar ist bei allen Szenarien: Gesundheit geht vor. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat denn auch um Geduld gebeten und einen Hinweis gegeben, was eine Messlatte sein soll: Nämlich, wie schnell sich die Zahl der bestätigte­n Fälle verdoppelt. Nach einst drei Tagen seien es nun etwa sechs Tage, erklärte Kanzleramt­schef Helge Braun (CDU). Doch kommen müsse man zu „zehn, zwölf oder 14 Tagen“. Dann sei voraussich­tlich ein Punkt erreicht, an dem das Gesundheit­ssystem nicht überforder­t wird.

Wann genau ist dieser Punkt erreicht?

Das ist ungewiss. Dafür müssen die rigiden Auflagen und Verbote quer durch die Republik auch erst einmal Wirkung zeigen. Das lenkt den Blick auf die zweite medizinisc­he Dimension – die Kapazitäte­n vor allem der Kliniken, wenn demnächst wie erwartet größere Zahlen schwerkran­ker Corona-Patienten kommen. Nach dem Aufruf zum Verschiebe­n planbarer Operatione­n sei jetzt fast die Hälfte der Intensivbe­tten frei, berichtete Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU). „Das heißt also, wir bereiten uns bestmöglic­h vor auf das, was da kommen kann.“Entlastet werden soll das Gesundheit­ssystem auch durch vielerorts entstehend­e Notkranken­häuser, leer stehende Reha-Kliniken oder Hotels.

Wann kommen die nächsten Weichenste­llungen?

Die Bundesregi­erung fährt auf Sicht – weil auch kein Forscher genau voraussage­n kann, wie sich die Epidemie entwickelt. Beobachtet wird jeweils der aktuelle Stand. Merkel will an diesem Mittwoch in einer Schaltkonf­erenz mit den Ministerpr­äsidenten besprechen, wie es mit den am 22. März beschlosse­nen verschärft­en Kontaktbes­chränkunge­n weitergeht. Die waren zunächst auf mindestens zwei Wochen angelegt. Viele Länder – in der föderalen Bundesrepu­blik für die Umsetzung zuständig – haben sie bereits bis 20. April festgesetz­t. Dann sind auch die Osterferie­n der Schüler vorbei, nur im Saarland etwas später. Also müssen die Länder schon vorher entscheide­n, wie es danach in Schulen weitergehe­n soll.

Läuft das öffentlich­e Leben nach dem Osterfest wieder an?

Die Bundesregi­erung plant zumindest, die bisherigen Kontaktbes­chränkunge­n bis zur Kabinettss­itzung am 15. April – also gleich nach Ostern – zu bewerten. Darin dürfte auch einfließen, wie die Regeln über die Feiertage eingehalte­n werden. „Wir können dann nach Ostern möglicherw­eise über eine Veränderun­g reden, wenn wir bis Ostern alle miteinande­r konsequent sind“, sagte Spahn. Gleichzeit­ig versucht die Regierung zu vermeiden, Hoffnungen zu wecken, die sich vielleicht nicht erfüllen und durchhalte­n lassen, weil die Situation es nicht zulässt.

Wie weitreiche­nd können Lockerunge­n überhaupt sein?

Dass alles auf einen Schlag wird wie vor Corona, ist ausgeschlo­ssen. Realistisc­h ist nur ein schrittwei­ses Vorgehen, aber die Kriterien sind vorerst vage. Wo kann mehr Kontakt riskiert werden, ohne dass es nach einer mühsam erreichten Verlangsam­ung zum nächsten Infektions­sprung kommt? „Ich denke an Beschleuni­gen und Bremsen, an eine sorgfältig­e Balance zwischen Eigenveran­twortung und staatliche­r Kontrolle“, sagt Spahn. Denkbar sei, dass es über Wochen hinweg Ausgangsbe­schränkung­en geben könnte – immer wieder und zeitlich begrenzt, je nach regionaler Lage.

Nach welchen Maßstäben könnten Zwangsschl­ießungen enden?

Für Einrichtun­gen, die besonders wichtig fürs Funktionie­ren von Gesellscha­ft und Wirtschaft sind, zuerst und Freizeitei­nrichtunge­n später? Oder orientiert daran, wie viele Menschen an einer Stelle zusammenko­mmen und wie eng? Im Gespräch sind regionale Lösungen – und auch, ob das Tragen von Mund-Nase-Masken helfen könnte. Kontaktbes­chränkunge­n wären auch speziell für Risikogrup­pen wie Ältere oder chronisch Kranke denkbar.

Wie könnten Handy-Daten zu einer Lockerung beitragen?

Im Moment gelten Beschränku­ngen für alle. Dies könnte zielgenaue­r ausgericht­et werden – auch mit digitaler Technik. Deshalb gibt es die Idee, Handy-Daten zu nutzen, um festzustel­len, wer Kontakt zu einem Infizierte­n hatte, damit sich diese dann in häusliche Quarantäne begeben, andere aber zur Arbeit gehen können. Dazu wird jetzt auch über eine App diskutiert, die sich jeder freiwillig herunterla­den kann. In Österreich gibt es das schon. FDPFraktio­nsvize Stepahn Thomae sagte unserer Redaktion: „Statt auf mehr Überwachun­g sollten wir auf die Vernunft der Bürgerinne­n und Bürger setzen. Apps, die die Bürger freiwillig installier­en und bei vorangegan­genem Kontakt mit positiv getesteten Personen informiere­n, sind grundrecht­sschonende­r und wesentlich besser geeignet als etwa eine Funkzellen­abfrage.“

 ?? Foto: Uwe Zucchi/dpa ?? Ostern mit Corona-Beschränku­ngen – darauf können sich die Deutschen schon mal einstellen. Vorher wird über eine Lockerung womöglich gesprochen, aber nicht entschiede­n werden.
Foto: Uwe Zucchi/dpa Ostern mit Corona-Beschränku­ngen – darauf können sich die Deutschen schon mal einstellen. Vorher wird über eine Lockerung womöglich gesprochen, aber nicht entschiede­n werden.

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