Die neue Angst vor der Arbeitslosigkeit
Über Jahre ging es Deutschland wirtschaftlich blendend. Die Corona-Pandemie stellt nun alles infrage. Auch die Jobs. Daran werden sich viele wieder gewöhnen müssen
Die Geduld wird dieser Tage zur besonders hybriden Tugend. Es braucht sie zurzeit gegen gleich mehrfach quälende Ungewissheiten: Beim Warten auf ein Testergebnis, beim Hoffen auf die gute Gesundheit von Angehörigen, Freunden und Kollegen, weil Antworten auf diese Fragen ausbleiben: Wie lange dauert diese Krise noch? Wie lange verkraftet die Wirtschaft den Shutdown? Und wenn er viel länger dauert, als ungeduldig erhofft, was bedeutet das für die eigene Lebensgrundlage, den Arbeitsplatz?
Der ist zwar längst nicht so wichtig wie das leibliche Wohl, aber doch ziemlich existenziell. Und es ist zwar vollkommen richtig, dass wirtschaftliche Interessen in der Corona-Krise hinter der Gesundheit zurückstehen müssen. Zugleich aber kehrt mit dem zwangsläufigen
Stillstand der Wirtschaft eine sehr vieles infrage stellende Sorge zurück, die die Deutschen zuletzt sehr viel weniger gespürt haben als ihre europäischen Nachbarländer: die Angst vor dem Jobverlust, vor Arbeitslosigkeit.
Die gehörte hier – zu unserem großen Glück – zuletzt nicht mehr zu den drängendsten sozialen Problemen. Die Zeiten, als die Quote bei über 11 Prozent lag, reichen fünfzehn Jahre zurück. Auch durch die Finanzkrise 2008/2009 kam Deutschland vergleichsweise glimpflich. Zwar hatte sich die wirtschaftliche Stimmung schon vor Corona eingetrübt, die Aussichten waren längst nicht mehr so wie zuletzt, aber Angst vor Massenarbeitslosigkeit war nicht das, was die Deutschen umtrieb.
Das hat sich im Laufe der vergangenen Wochen geändert. Und in den letzten Tagen des gerade erst begonnenen Shutdowns verschärft. Die Bundesregierung hat zwar milliardenschwere Maßnahmenpakete geschnürt, aber viele Unternehmen, Betriebe und Selbstständige wissen nicht, wie lange sie – trotz massiver
Staatshilfen – über die Runden kommen. Die Herausforderung ist historisch. Da sind sich auch die einig, die dieses Wort sonst zu Recht eher sorgsam wählen.
Weil die Verunsicherung so groß ist, haben viele besonders gut zugehört, was Arbeitsminister Hubertus Heil und der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, zu sagen hatten:
Die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist unmittelbar vor Ausbruch der Corona-Krise in Deutschland zwar noch einmal gesunken. Im März waren bundesweit 2,335 Millionen Menschen ohne Job. In Bayern sank die Zahl auf 231 115 Personen, was 12671 oder 5,2 Prozent weniger als im Februar sind. Die Arbeitslosenquote lag im Freistaat im März bei 3,1 Prozent. Das wird aber, so viel steht schon jetzt fest, nicht so bleiben. Denn Zähltag war der 12.
März, also vor dem Stillstand. Die Frühjahrsbelebung am Arbeitsmarkt sagt nichts darüber aus, wie es noch werden wird. Das tun andere Zahlen, die Scheele und Heil nannten: Bis zum April rechnet die Bundesagentur in Deutschland mit bis zu 200000 Arbeitslosen mehr. Zudem hätten 470 000 Betriebe quer durch alle Branchen Kurzarbeit angemeldet.
Wie viele Menschen das genau betrifft, kann man noch nicht sagen, weil das von Betrieb zu Betrieb in Anzahl und Ausmaß variiert. Fest steht aber: Es geht in die Millionen. Die Arbeitsagentur hat zwar mit 26 Milliarden Euro Rücklagen gut vorgesorgt, das Instrument Kurzarbeit ist bewährt und international anerkannt, der Minister demonstrierte Zuversicht, sagte Sätze wie: „Wir können nicht jeden Arbeitsplatz garantieren, werden aber um jeden kämpfen.“Aber: Das Virus ist zu unerforscht, um derzeit wirklich belastbare Prognosen für irgendwas abgeben zu können. Die Arbeitslosigkeit ist daher zurück im Sorgen-Portfolio der Deutschen. Für wie lange? Geduld.
Kurzarbeit ist ein bewährtes Kriseninstrument