Mindelheimer Zeitung

Die neue Angst vor der Arbeitslos­igkeit

Über Jahre ging es Deutschlan­d wirtschaft­lich blendend. Die Corona-Pandemie stellt nun alles infrage. Auch die Jobs. Daran werden sich viele wieder gewöhnen müssen

- VON STEFAN KÜPPER kuepp@augsburger-allgemeine.de

Die Geduld wird dieser Tage zur besonders hybriden Tugend. Es braucht sie zurzeit gegen gleich mehrfach quälende Ungewisshe­iten: Beim Warten auf ein Testergebn­is, beim Hoffen auf die gute Gesundheit von Angehörige­n, Freunden und Kollegen, weil Antworten auf diese Fragen ausbleiben: Wie lange dauert diese Krise noch? Wie lange verkraftet die Wirtschaft den Shutdown? Und wenn er viel länger dauert, als ungeduldig erhofft, was bedeutet das für die eigene Lebensgrun­dlage, den Arbeitspla­tz?

Der ist zwar längst nicht so wichtig wie das leibliche Wohl, aber doch ziemlich existenzie­ll. Und es ist zwar vollkommen richtig, dass wirtschaft­liche Interessen in der Corona-Krise hinter der Gesundheit zurücksteh­en müssen. Zugleich aber kehrt mit dem zwangsläuf­igen

Stillstand der Wirtschaft eine sehr vieles infrage stellende Sorge zurück, die die Deutschen zuletzt sehr viel weniger gespürt haben als ihre europäisch­en Nachbarlän­der: die Angst vor dem Jobverlust, vor Arbeitslos­igkeit.

Die gehörte hier – zu unserem großen Glück – zuletzt nicht mehr zu den drängendst­en sozialen Problemen. Die Zeiten, als die Quote bei über 11 Prozent lag, reichen fünfzehn Jahre zurück. Auch durch die Finanzkris­e 2008/2009 kam Deutschlan­d vergleichs­weise glimpflich. Zwar hatte sich die wirtschaft­liche Stimmung schon vor Corona eingetrübt, die Aussichten waren längst nicht mehr so wie zuletzt, aber Angst vor Massenarbe­itslosigke­it war nicht das, was die Deutschen umtrieb.

Das hat sich im Laufe der vergangene­n Wochen geändert. Und in den letzten Tagen des gerade erst begonnenen Shutdowns verschärft. Die Bundesregi­erung hat zwar milliarden­schwere Maßnahmenp­akete geschnürt, aber viele Unternehme­n, Betriebe und Selbststän­dige wissen nicht, wie lange sie – trotz massiver

Staatshilf­en – über die Runden kommen. Die Herausford­erung ist historisch. Da sind sich auch die einig, die dieses Wort sonst zu Recht eher sorgsam wählen.

Weil die Verunsiche­rung so groß ist, haben viele besonders gut zugehört, was Arbeitsmin­ister Hubertus Heil und der Vorstandsv­orsitzende der Bundesagen­tur für Arbeit, Detlef Scheele, zu sagen hatten:

Die Arbeitslos­igkeit in Deutschlan­d ist unmittelba­r vor Ausbruch der Corona-Krise in Deutschlan­d zwar noch einmal gesunken. Im März waren bundesweit 2,335 Millionen Menschen ohne Job. In Bayern sank die Zahl auf 231 115 Personen, was 12671 oder 5,2 Prozent weniger als im Februar sind. Die Arbeitslos­enquote lag im Freistaat im März bei 3,1 Prozent. Das wird aber, so viel steht schon jetzt fest, nicht so bleiben. Denn Zähltag war der 12.

März, also vor dem Stillstand. Die Frühjahrsb­elebung am Arbeitsmar­kt sagt nichts darüber aus, wie es noch werden wird. Das tun andere Zahlen, die Scheele und Heil nannten: Bis zum April rechnet die Bundesagen­tur in Deutschlan­d mit bis zu 200000 Arbeitslos­en mehr. Zudem hätten 470 000 Betriebe quer durch alle Branchen Kurzarbeit angemeldet.

Wie viele Menschen das genau betrifft, kann man noch nicht sagen, weil das von Betrieb zu Betrieb in Anzahl und Ausmaß variiert. Fest steht aber: Es geht in die Millionen. Die Arbeitsage­ntur hat zwar mit 26 Milliarden Euro Rücklagen gut vorgesorgt, das Instrument Kurzarbeit ist bewährt und internatio­nal anerkannt, der Minister demonstrie­rte Zuversicht, sagte Sätze wie: „Wir können nicht jeden Arbeitspla­tz garantiere­n, werden aber um jeden kämpfen.“Aber: Das Virus ist zu unerforsch­t, um derzeit wirklich belastbare Prognosen für irgendwas abgeben zu können. Die Arbeitslos­igkeit ist daher zurück im Sorgen-Portfolio der Deutschen. Für wie lange? Geduld.

Kurzarbeit ist ein bewährtes Kriseninst­rument

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