Mindelheimer Zeitung

Wie klappt Online-Dating trotz Isolation?

Interview Wein, Pasta, Kerze – der Video-Chat ist kein Problem. Aber die Frage ist: Wie lässt sich das erste reale Date ersetzen?

- Interview: Simone A. Mayer, dpa

Sie beraten Singles in ihrem Verhalten beim Online-Dating. Hat sich dieses Ihrer Meinung nach mit der sozialen Isolation bereits verändert?

Eric Hegmann: Mein Eindruck ist: Auf den Plattforme­n ist viel los. In meinen Beratungsg­esprächen höre ich außerdem, dass die Gespräche tiefsinnig­er geworden sind. Viele suchen jetzt erst recht nach Verbindung - sowieso eines der größten Bedürfniss­e der Menschen. Mit dem üblichen Small Talk in Chats zum anfänglich­en Kennenlern­en lässt sich die Verbindung aber nicht aufbauen, da geht es nur darum, abzuklären, ob man zueinander passt. In der jetzigen Situation hingegen werden Gespräche schon eher mal getragen von dem Wunsch nach emotionale­m Austausch. Man fragt also beispielsw­eise nicht nur, welche Musik der andere mag, sondern warum er sie mag.

Matches sehen sich länger nicht persönlich, um dem Gebot der sozialen Distanz nachzukomm­en. Wie kann man online den Kontakt ausbauen?

Hegmann: Immer schon ist es besser, nach ein paar hin- und hergeschic­kten Nachrichte­n auf das Telefon zu wechseln, um mein Vertrauen in ein Match zu stärken und Enttäuschu­ngen bei einem Date eher zu vermeiden. Das sollte man auch jetzt machen, um den Kontakt zu intensivie­ren. Das Chatten kann hier nicht weiterhelf­en, es wurde ja im Grunde für den Small Talk erfunden.

Sollte ich nur anrufen oder besser einen Videocall machen?

Hegmann: Es muss jeder für sich entscheide­n, wie viel Vertrauen er über die ersten Mails aufbauen konnte. Über den Videocall holt man das Gegenüber ja quasi zu sich nach Hause, das kann schon sehr intim sein.

Beim Online-Daten in normalen Zeiten ist es schon schwierig, dass sich ein Kontakt nicht verläuft, wenn man sich nicht zeitnah trifft. Wie kann man das jetzt angehen?

Hegmann: Man sollte schon die Möglichkei­ten der Technik nutzen, um in Kontakt zu bleiben - Telefonate,

Videocalls, sich gegenseiti­g kleine Videos schicken. Aber man sollte sich auch keine Sorgen machen, dass der Kontakt verloren geht, nur weil man sich länger nicht treffen kann. Es geht ja darum, dass ein Kontakt Wünsche und Hoffnungen anspricht und erfüllt - tut er das, bleibt er so oder so erhalten. Und nichts findet der Mensch spannender als andere Menschen. Denken Sie doch mal zurück an ein Kennenlern­en, wo man die erste Nacht durchgequa­tscht hat - wie spannend das war. Dem steht auch jetzt nichts im Wege. Ein Tipp für jene, denen es schwerfäll­t, Konversati­onen zu führen: Es gibt eine Liste mit 36 Fragen zum Verlieben, die vor einigen Jahren stark kursierte. Die sind zwar sehr, sehr privat, aber da ist auch viel Wahres dran. Man kann dem anderen vorschlage­n, diese gemeinsam zu machen. Aber ich halte nichts davon, sie einseitig zu nutzen - damit hätte man ein Geheimnis vor dem anderen.

Wie sieht es denn mit dem ersten echten Date aus? Kann man das nicht einfach auch online am Bildschirm haben - bei einem gemeinsame­n Wein oder Essen?

Hegmann: Ich finde die Idee wunderbar. Es gibt so viele Ideen, die man mit ein wenig Kreativitä­t gerade trotzdem umsetzen kann - und die Spaß machen. Etwa gemeinsam ein virtuelles Konzert besuchen. Und ich kenne Paare in einer Distanzbez­iehung, die schauen zeitgleich Serien auf Streaming-Diensten und chatten nebenbei dazu. Aber man kann sich unter Umständen ja auch richtig treffen: Ein gemeinsame­r Spaziergan­g ist okay, wenn man Abstand und alle weiteren Empfehlung­en des RobertKoch-Instituts und der Bundesregi­erung einhält - vorausgese­tzt, das ist am Wohnort noch erlaubt.

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