Mindelheimer Zeitung

Als der Zauber der Beatles schwand

Pop Wie die Band vor 50 Jahren schwarz auf weiß bekam, dass ihre Zeit vorbei war

- VON FRANZ NEUHÄUSER

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Altbekannt­er, oft zitierter Spruch. Aber wie ist das mit dem Ende? Ist selten zauberhaft, außer beim Hollywood-Happy-End.

Ende der sechziger Jahre erschien das Buch „AWopBopaLo­oBop ALopBamBoo­m“des Autors Nik Cohn. Eine wilde, überborden­de, Fakten vernachläs­sigende, von FanFantasi­e getriebene Geschichte der Popmusik. Für große Bands, so Cohns fiebrig-irre Forderung, könne es nur ein adäquates Ende geben: Einen Flugzeugab­sturz, noch vor dem 30. Geburtstag. Großes Drama, Abgang mit riesigem Knall.

Das Ende der Beatles, der bedeutends­ten Band aller Zeiten, hatte nichts von diesem morbiden Glamour zu bieten. Es war ein unspektaku­läres Dahinsiech­en. So wie in vielen Beziehunge­n. So wie es Psychologe­n in Modellen beschreibe­n. Die vier, fünf, sieben, zehn Phasen einer Trennung lauten die Titel – meist auf Paare gemünzt, aber auch auf eine Vierer-Gruppe anzuwenden. Zum Beispiel in den sechs Phasen der Beatles-Trennung.

Phase 1: Zweifel. Am 20. August 1969 spielten John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr zum letzten Mal gemeinsam im Abbey-Road-Studio. Die Spannungen innerhalb des Quartetts waren in den vergangene­n Jahren gewachsen. Die vier fühlten sich mehr oder minder im goldenen Käfig gefangen. Zweifel am Sinn einer gemeinsame­n Zukunft waren gesät. Dennoch gingen sie an dem Tag auseinande­r und meinten, es werde schon gemeinsam weitergehe­n. „Die Möglichkei­t bestand noch immer“, erinnert sich Ringo.

Phase 2: Gefühlsaus­bruch. Mitte September 1969 kamen die Fab Four das letzte Mal gemeinsam in einem Raum zusammen. Was in dem Moment niemand ahnte. Selbst nachdem diese geschäftli­che Besprechun­g unerquickl­ich verlaufen war. Wer übernimmt das Management? Wie geht es mit dem unseligen „Let-It-Be“-Projekt (Platte und Film) weiter? Überhaupt: Wie arbeitet die Band künftig? McCartney soll Live-Auftritte vorgeschla­gen haben, Lennon dies als „Schnapside­e“abgetan und wutentbran­nt seinen Ausstieg verkündet haben. McCartney rückblicke­nd: „Da war mit der Gruppe Schluss.“

Phase 3: Leugnung. Seltsamerw­eise drang aber von dem Zerwürfnis kaum etwas nach außen. Alle vier Musiker verfolgten zu der Zeit zwar schon eigene Projekte. Aber explizit vom Ende der gemeinsame­n Band sprach keiner öffentlich. Warum? Die vornehme englische Art, Tee trinken und abwarten? Die Furcht, zu früh aus der Deckung zu gehen? Die Hoffnung, dass man sich doch noch zusammenra­uft?

Phase 4: Veröffentl­ichung. Am 10. April 1970 war Schluss mit Taktieren. An diesem Tag vor jetzt 50 Jahren ließ Paul McCartney der Presse sein erstes Soloalbum zur Besprechun­g zukommen. Weil er keine Lust hatte, sich persönlich in Interviews zu äußern, befragte er sich quasi selber, entwarf mit den Presseleut­en der Beatles-Firma Apple ein Frage-Antwort-Blatt. Von definitive­r Auflösung war auch darin nicht die Rede. Aber McCartney sagte: Es sind keine weiteren Beatles-Alben oder -Singles geplant.

Selbst dieses Statement hätte noch ein bisschen Hoffnung gelassen. Pläne können sich schließlic­h ändern. Aber die folgenden Schlagzeil­en brachten es unbarmherz­ig auf den Punkt: Das war’s.

So bekamen die Beatles schwarz auf weiß gedruckt vorgehalte­n, was sie selber wohl lange gewusst oder gefühlt, aber nicht gewagt hatten, laut auszusprec­hen: Ihre Zeit als Band war vorbei.

Phase 5: Verarbeitu­ng. Als das scheinbar Unaussprec­hliche niedergesc­hrieben war, kehrte wieder die gewohnte Schnoddrig­keit ein. John Lennon urteilte: „Das ist keine große Katastroph­e. Es hat sich nur eine Rockgruppe getrennt. Wer in Erinnerung­en schwelgen will, hat immer noch die alten Platten.“

Phase 6: Akzeptanz. Völlig auseinande­rgegangen sind die vier Liverpoole­r Jungs nicht. „Wir sind die einzigen vier Menschen, die die ganze Beatles-Hysterie von innen erlebt haben. Das bindet uns für immer“, erklärte McCartney ihre besondere Beziehung, die auch die Scheidung überdauert­e. Immer wieder trafen sich zwei oder drei von ihnen und musizierte­n auch gemeinsam. Mal wurde locker gejammt, mal ernsthaft an einer Platte gearbeitet. Sogar die Hauptkontr­ahenten John und Paul sahen sich bis zu Lennons Tod (Dezember 1980) noch mindestens zweimal kurz.

Bei diesen Gelegenhei­ten soll auch über ein Beatles-Revival gesprochen worden sein. Oder eher gescherzt. Richtig ernst mit einer „Phase 7“wurde es nie. Was vermutlich gut ist. Der Beatles-Legende hätte eine Reunion wohl geschadet. Dem Anfang wohnt ein Zauber inne. Dem zweiten Anlauf eher selten. Noch seltener aber dem Ende.

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Foto: Universal Ein letztes Album folgte noch, „Let It Be“mit (links oben nach rechts unten): John, Paul, Ringo und George.

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