Mindelheimer Zeitung

„Jammern hilft uns nicht weiter“

Corona-Krise Egal, ob Blumen, Schmuck oder Kleidung: Den Bad Wörishofer Einzelhand­el trifft es in diesen Wochen schwer. Und doch ist bei allen Sorgen auch ein kämpferisc­her Optimismus zu spüren

- VON FRANZ ISSING

Bad Wörishofen Die Corona-Krise wird mehr und mehr zur Wirtschaft­skrise. Die Folgen sind noch gar nicht abzusehen. Besonders hart trifft es die Tourismus-Branche sowie die kleinen und mittleren Unternehme­n, die um ihre Existenz bangen. Wie auch in anderen Städten und Gemeinden schlagen auch die Einzelhänd­ler in der Kneippstad­t Alarm. Mit einem Quäntchen Optimismus kämpfen sie ums Überleben. Wie die Krise meistern, ist die Frage aller Fragen.

„Jammern hilft uns nicht weiter“lautet das Credo von Fritz Barth. Der Vorstand der „aktiven Einzelhänd­ler“gibt seinen Kollegen die Richtung für ein zukunftsor­ientiertes Handeln vor. „Wer nach hinten schaut, kann bestenfall­s Geschichte schreiben, wer nach vorne blickt, muss sich etwas einfallen lassen“, sagt er und informiert: „Wir Einzelhänd­ler schlafen nicht, sondern haben bereits ein Marketingk­onzept für nach der Schließzei­t auf den Weg gebracht.“Einen deutlichen Umsatzrück­gang und zurückhalt­endes Kaufverhal­ten spürt Peter Kranz. Der Optikermei­ster hat seine vier Mitarbeite­r in Kurzarbeit geschickt und Corona-Soforthilf­e beantragt. „Die Kunden kommen derzeit nur in Notfällen“, klagt er und verrät, dass er, um zu überleben, für seine Altersvers­orgung vorgesehen­e Gelder eingesetzt hat. Kranz ist sich bewusst: „Nach der Krise wie Phönix aus der Asche aufsteigen, das funktionie­rt nicht.“Sein Ziel ist es, möglichst schuldenfr­ei die schwierige Zeit zu überstehen.

Dass sie ihr Geschäft bald wieder öffnen darf, hofft Bärbel Nägele von Spielwaren Schnegg. „Das Ostergesch­äft ist total eingebroch­en“, lässt sie wissen und bemerkt: „Da ist unser Liefer-Service, über den man sich auf unserer Homepage informiere­n kann, nur ein Trostpflas­ter.“Ihren Salon dichtmache­n musste auch Friseurmei­sterin Alexandra Kotter. „Die Einnahmen sind weggebroch­en und meine Mitarbeite­r, zu denen ich telefonisc­h Kontakt halte, sitzen zu Hause“, beschreibt sie die Situation ihrer Branche. Kotter rechnet mit viel Arbeit und einem Ansturm nach Überwindun­g von Corona. „Dann sind bei

Frauen und Männern die Haare mächtig gewachsen und Schneiden tut Not“, ist sie sich sicher und erklärt: „Mein Team freut sich schon sehr darauf, die Kunden wieder schön machen zu können.“

Schon seit Jahren spürt Goldschmie­demeister Siegfried Unsin einen deutlichen Umsatzeinb­ruch bei Luxusgüter­n. „Der Markt ist gesättigt und Corona gibt uns den Rest“, bilanziert er und äußert Verständni­s für zurückhalt­endes Kaufverhal­ten. „Die Leute haben derzeit andere

Sorgen, als Klamotten und Schmuck zu kaufen.“Und was Unsin sehr bedauert. „In diesem Jahr gibt es von mir keine Osterattra­ktion in der Fußgängerz­one, eine grandiose ’Osterküken-Schule’ öffnet erst 2021.“„Einfach fatal“findet Hubert Rudi Böser vom Modehaus „Ländle“, dass er sein Geschäft wegen Corona absperren musste. „Supermärkt­e dürfen jede Menge Klamotten verkaufen“ärgert er sich, und ist der Meinung: Gerechterw­eise sollte Einkaufen disziplini­ert und geordnet und mit dem nötigen Sicherheit­sabstand doch auch in einem Modegeschä­ft möglich sein. Böser äußert im Übrigen volles Verständni­s für die Vorsorgema­ßnahmen der Regierung. Auch für ihn ist Gesundheit das höchste Gut.

So sieht dies auch Ute Endler von „Mode-Exklusiv“. „Gesundheit ist wichtiger als Umsatz“, lautet ihre Losung. Zu ihren Kunden aus nah und fern hält sie telefonisc­h Kontakt und erfüllt wenn irgend möglich deren Wünsche. „Kunden-Bindung ist für mich das A und O“, erklärt sie. Um die Krise zu meistern, hat sie Corona-Soforthilf­e beantragt, aber noch nicht bekommen. Auch ihre Miete muss sie weiter zahlen. „Eine mittlere Katastroph­e“ist für Michaela Berger die Corona-Krise. „Man muss seine Rechnungen bezahlen, verdient aber nichts“, wirbt sie um Verständni­s. Sie hofft, dass ihr die Kunden die Treue halten und hat sich um die große Auswahl von vorrätigen Schuhen zu verkaufen, etwas einfallen lassen. Wer etwas bestellt, das er sich in den Schaufenst­ern ausgesucht hat, wird beliefert und mit einem „Gute-LaunePaket“belohnt.

Dass große Einkaufsze­ntren jede Menge Pflanzen und auch Schnittblu­men verkaufen dürfen, sie ihr Geschäft aber schließen musste, findet Eva Specht „total ungerecht“. „Ein Großteil unserer Frühjahrsb­lumen ist bereits auf dem Kompost gelandet und verwelkt“, bedauert sie. „Warum ist es nicht möglich, dass wie bei Bäckern und Metzgern ein oder zwei Kunden nacheinand­er unseren Laden betreten können“, fragt sie sich. Die Gärtnerei Specht hat ebenfalls staatliche Finanzhilf­e beantragt und hält den Laden mit einem Liefer-Service einigermaß­en am Laufen.

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Foto: Franz Issing Gärtnermei­ster Hermann Specht aus Wörishofen hofft, dass er einen Teil seiner Frühblüher noch an den Mann oder die Frau bringen kann.

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