Mindelheimer Zeitung

Das bedeutet der Begriff „Vorerkrank­ung“

Pandemie Für den Laien ist es schwierig, einzuschät­zen, inwiefern einzelne Vorerkrank­ungen für den Verlauf einer Covid-19-Infektion eine Rolle spielen. Ein Intensivme­diziner der Mindelheim­er Klinik erklärt die Hintergrün­de

- VON OLIVER WOLFF

Mindelheim Einige MZ-Leser zeigen sich unter anderem in den sozialen Netzwerken verunsiche­rt, was die Krankenhäu­ser und Gesundheit­sbehörden unter dem Begriff „Vorerkrank­ung“in Zusammenha­ng mit einer Covid-19-Erkrankung verstehen. Wir haben bei Dr. Manfred Nuscheler, dem Ärztlichen Direktor des Mindelheim­er Krankenhau­ses und Leiter der Intensivst­ation, nachgefrag­t.

„Wir können sehr gut nachvollzi­ehen, dass der allgemeine Hinweis auf ,Vorerkrank­ungen‘ bei den bedauerlic­herweise an Covid-19 verstorben­en Patienten bei Lesern und vor allem Angehörige­n für Verunsiche­rung

oder gar Irritation sorgen kann“, sagt Nuscheler. Wegen datenschut­zrechtlich­er Gründe könne er keine genauen Angaben zu den betroffene­n Patienten machen.

Generell lasse sich aber folgendes festhalten, erklärt der Anästhesis­t: Von schweren, gar tödlichen Verläufen seien auch bei der Entzündung­serkrankun­g Covid-19 deutlich mehr ältere als jüngere Patienten betroffen. „Das hat maßgeblich damit zu tun, dass mit zunehmende­m Alter oft mehr Vorerkrank­ungen

und eine eher vermindert­e Immunabweh­r vorliegen sowie weniger körpereige­ne Reserven zur Bewältigun­g der Erkrankung­en bestehen.“

Die medizinisc­he Bezeichnun­g einer Vorerkrank­ungen stehe nicht im Widerspruc­h dazu, dass betroffene Menschen vor ihrer akuten Erkrankung in ihrem Alltag ihrem Alter entspreche­nd relativ gut belastungs­und leistungsf­ähig waren, also von ihrer Familie als gesund empfunden wurden. Der allgemeine Begriff Vorerkrank­ung unterschei­de nicht zwischen dem Vorliegen von sehr schweren oder leichten, kaum einschränk­enden Erkrankung­en.

Damit ist klar: Spricht ein Mediziner

in Zusammenha­ng mit einem Corona-Todesfall von einer Vorerkrank­ung, muss das nicht unbedingt bedeuten, dass der gestorbene Patient bereits vor der Coronaviru­sInfektion schwer erkrankt war. Nuscheler erklärt: „Es können sich auch leichte Vorerkrank­ungen erschweren­d auf den Verlauf akuter Erkrankung­en auswirken.“Die im Mindelheim­er Krankenhau­s behandelte­n Patienten hatten alle gewisse Vorerkrank­ungen – teilweise leichte, aber vor allem sehr fortgeschr­ittene, führt der Ärztliche Direktor weiter aus. Bisher starben fünf Corona-Patienten im Mindelheim­er Krankenhau­s.

„Als behandelnd­e Ärzte und Pflegekräf­te bedauern wir jeden Verlust durch Corona – seien es ältere oder jüngere, gesündere oder kränkere Menschen, die in unserer Obhut waren und fühlen mit den Angehörige­n mit.“Weil durch die notwendige­n Besuchsein­schränkung­en die Kommunikat­ion erschwert sei, biete das Mindelheim­er Krankenhau­s betroffene­n Angehörige­n Gespräche an, um offene Fragen zu klären.

Ansprechpa­rtner für die psychosozi­ale Unterstütz­ung für Angehörige von Patienten der Krankenhäu­ser im Klinikverb­und Allgäu sind über die Telefonnum­mer 08261/7977985 erreichbar. Das Telefon ist am Montag, Dienstag, Mittwoch und Freitag von 9 bis 12 Uhr besetzt und am Dienstag, Donnerstag und Sonntag von 18 bis 19 Uhr.

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Dr. M. Nuscheler

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