Das bedeutet der Begriff „Vorerkrankung“
Pandemie Für den Laien ist es schwierig, einzuschätzen, inwiefern einzelne Vorerkrankungen für den Verlauf einer Covid-19-Infektion eine Rolle spielen. Ein Intensivmediziner der Mindelheimer Klinik erklärt die Hintergründe
Mindelheim Einige MZ-Leser zeigen sich unter anderem in den sozialen Netzwerken verunsichert, was die Krankenhäuser und Gesundheitsbehörden unter dem Begriff „Vorerkrankung“in Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung verstehen. Wir haben bei Dr. Manfred Nuscheler, dem Ärztlichen Direktor des Mindelheimer Krankenhauses und Leiter der Intensivstation, nachgefragt.
„Wir können sehr gut nachvollziehen, dass der allgemeine Hinweis auf ,Vorerkrankungen‘ bei den bedauerlicherweise an Covid-19 verstorbenen Patienten bei Lesern und vor allem Angehörigen für Verunsicherung
oder gar Irritation sorgen kann“, sagt Nuscheler. Wegen datenschutzrechtlicher Gründe könne er keine genauen Angaben zu den betroffenen Patienten machen.
Generell lasse sich aber folgendes festhalten, erklärt der Anästhesist: Von schweren, gar tödlichen Verläufen seien auch bei der Entzündungserkrankung Covid-19 deutlich mehr ältere als jüngere Patienten betroffen. „Das hat maßgeblich damit zu tun, dass mit zunehmendem Alter oft mehr Vorerkrankungen
und eine eher verminderte Immunabwehr vorliegen sowie weniger körpereigene Reserven zur Bewältigung der Erkrankungen bestehen.“
Die medizinische Bezeichnung einer Vorerkrankungen stehe nicht im Widerspruch dazu, dass betroffene Menschen vor ihrer akuten Erkrankung in ihrem Alltag ihrem Alter entsprechend relativ gut belastungsund leistungsfähig waren, also von ihrer Familie als gesund empfunden wurden. Der allgemeine Begriff Vorerkrankung unterscheide nicht zwischen dem Vorliegen von sehr schweren oder leichten, kaum einschränkenden Erkrankungen.
Damit ist klar: Spricht ein Mediziner
in Zusammenhang mit einem Corona-Todesfall von einer Vorerkrankung, muss das nicht unbedingt bedeuten, dass der gestorbene Patient bereits vor der CoronavirusInfektion schwer erkrankt war. Nuscheler erklärt: „Es können sich auch leichte Vorerkrankungen erschwerend auf den Verlauf akuter Erkrankungen auswirken.“Die im Mindelheimer Krankenhaus behandelten Patienten hatten alle gewisse Vorerkrankungen – teilweise leichte, aber vor allem sehr fortgeschrittene, führt der Ärztliche Direktor weiter aus. Bisher starben fünf Corona-Patienten im Mindelheimer Krankenhaus.
„Als behandelnde Ärzte und Pflegekräfte bedauern wir jeden Verlust durch Corona – seien es ältere oder jüngere, gesündere oder kränkere Menschen, die in unserer Obhut waren und fühlen mit den Angehörigen mit.“Weil durch die notwendigen Besuchseinschränkungen die Kommunikation erschwert sei, biete das Mindelheimer Krankenhaus betroffenen Angehörigen Gespräche an, um offene Fragen zu klären.
Ansprechpartner für die psychosoziale Unterstützung für Angehörige von Patienten der Krankenhäuser im Klinikverbund Allgäu sind über die Telefonnummer 08261/7977985 erreichbar. Das Telefon ist am Montag, Dienstag, Mittwoch und Freitag von 9 bis 12 Uhr besetzt und am Dienstag, Donnerstag und Sonntag von 18 bis 19 Uhr.