Sorgen ertrinken nicht
Alkohol Die Deutschen kaufen deutlich mehr Schnaps – aus Frust?
Den Mythos, dass Schnaps uns vor einer Infektion mit Corona schützt, haben Mediziner längst widerlegt. Trotzdem bunkert der statistische Durchschnittsdeutsche Hochprozentiges wie vorher die Zehnerpacks mit Klopapier. Um mehr als 30 Prozent ist der Verkauf von Spirituosen wie Grappa, Gin oder Korn im März gestiegen, dabei wusste schon der große Alltagsphilosoph Heinz Rühmann: „Sorgen ertrinken nicht in Alkohol – sie können schwimmen.“
Nachdem Bars und Wirtshäuser noch immer dicht sind, schließt der Handel diese Versorgungslücke mit routinierter Zwangsläufigkeit. Auch bei Wein lagen die Umsätze um mehr als 30 Prozent über denen des Februars – nur beim Bier droht der Nachschub allmählich knapp zu werden, weil sich in den Kellern die leeren Kisten stapeln und den Brauereien irgendwann das Leergut ausgeht. Mal rasch ein CoronaBier gegen das Coronavirus zu trinken, ein Running Gag in den ersten Krisentagen, wird nachgerade unmöglich. Die mexikanische Brauerei hat die Produktion des KultBieres eingestellt.
Ob die Krise uns zu einem Volk von Frustsäufern macht oder ob wir zu Hause einfach nur das trinken, was wir sonst woanders getrunken hätten, im Restaurant, in der Kneipe oder nach dem Training im Sportheim: Das ist der Stoff, aus dem die medizinisch-soziologischen Studien der Nach-Corona-Zeit geschrieben werden. Am Ende liegt die Wahrheit, wie so oft, vermutlich irgendwo dazwischen. Mag in Frankreich der Absatz von Champagner auch eingebrochen sein und die Initiative „Nüchternes Russland“dem exzessiven Wodkakonsum in Wladimir Putins Riesenreich den Kampf angesagt haben: Viele Deutsche halten es in Corona-Zeiten offenbar mit Humphrey Bogart: „Man muss dem Leben immer um mindestens einen Whiskey voraus sein.“