„Eine gelungene Staffelübergabe bei Audi“
Interview Peter Mosch ist Gesamtbetriebsratsvorsitzender des Unternehmens. Er zieht eine Bilanz der Arbeit des Ende März ausgeschiedenen Chefs Bram Schot und sagt, was er vom neuen Mann Markus Duesmann erwartet
Herr Mosch, am 1. April gab es einen Führungswechsel bei Audi. Markus Duesmann hat Bram Schot abgelöst. Welche Schot-Bilanz ziehen Sie? Es sollen bei Audi ja bis zu 9500 Arbeitsplätze in Deutschland wegfallen. Peter Mosch: Bram Schot war der richtige Mann zur richtigen Zeit. Er hat mit seiner persönlich lockeren Art eine neue Unternehmenskultur der Offenheit und des Dialogs vorgelebt und vorangebracht. Darüber hinaus hat er die Audi-Strategie in Richtung Nachhaltigkeit geprägt. Die Transformation der Autoindustrie macht auch vor Audi nicht halt. Produkt, Produktion, Prozesse und Personal verändern sich. Aufgaben fallen weg, 2000 neue Arbeitsplätze werden entstehen. Der sozial verträgliche Umbau des Unternehmens ist für uns dennoch ein schmerzhafter Kompromiss gewesen. Ursprünglich plante der Personalvorstand, 14 000 Stellen abzubauen.
Sie konnten also doch noch Schlimmeres verhindern.
Mosch: Am Ende ging es für uns als Betriebsräte um die langfristigen Perspektiven und die Arbeitsplätze der Zukunft an den heimischen Standorten. Hier konnten wir als Arbeitnehmervertreter punkten: Beschäftigungsgarantie bis Ende 2029, Bau von Elektromodellen, Investitionen in Forschung, Technik und Softwareentwicklung.
Wie viele Stellen fallen in Ingolstadt weg? Wie viele in Neckarsulm? Mosch: So genau kann man das nicht sagen. Die vereinbarten Maßnahmen zum sozial verträglichen Umbau der Standorte beruhen auf der freiwilligen Entscheidung der infrage kommenden Kolleginnen und Kollegen, das Angebot des Unternehmens – sei es zur Altersteilzeit oder zum Vorruhestand – anzunehmen.
Hat Schot Ingolstadt und Neckarsulm dauerhaft geschrumpft?
Mosch: Nein, Herr Schot hat Ingolstadt und Neckarsulm nicht geschrumpft. Es kommt darauf an, mit einem Mix aus Modellen mit schadstoffarmen Verbrennungsmotoren und einem Neuaufbau mit Elektromotoren den Wandel zu gestalten und die Zukunft der Werke neu zu justieren. Wenn unsere Zukunftsmodelle erfolgreich sind, können wir die Kapazitäten auch jederzeit wieder erhöhen.
Ist der neue Chef Markus Duesmann der richtige Mann zur richtigen Zeit? Mosch: Bram Schot hat die richtigen Impulse für einen kulturellen und strategischen Neuanfang bei Audi gesetzt. Markus Duesmann hat nun die Aufgabe, mit seinem Vorstandsteam diesen Neuanfang bei Audi technologisch in der Entwicklung und strukturell in der Produktion zu untermauern. Eine gelungene Staffelübergabe zur richtigen Zeit.
Was muss Duesmann jetzt anpacken? Mosch: Herr Duesmann muss meines Erachtens vor allem neue technologische Impulse aus der Software und aus alternativen Antriebstechnologien in neue Fahrzeuge und neue Geschäftsfelder umsetzen. Dieses Vertrauen hat Markus Duesmann auch seitens des VW-Konzerns. Nicht ohne Grund wurde die Verantwortung für die Führung der technischen Entwicklung im Gesamtkonzern auf ihn und Audi übertragen.
Wie wirkt sich die Elektro-Strategie auf den Standort Ingolstadt aus? Mosch: Die Vorbereitungen laufen schon seit einiger Zeit auf Hochtouren. Produktionsstraßen müssen verändert werden, Prozesse überdacht und neu organisiert werden. Da ist jetzt schon viel Arbeit zu leisten. Dann erfolgt die erste Stufe der Umsetzung und wir werden wohl ab 2022 in Ingolstadt in die Großserie mit zwei Elektrofahrzeugen einsteigen.
Werden die Beschäftigten in Sachen „E-Mobilität“mitgenommen und umgeschult? Wie viel Geld steht hier zur Verfügung?
Mosch: Da sind wir schon seit längerem dabei. Da haben wir als Betriebsrat immer schon sehr großen Wert darauf gelegt. Das Weiterbildungsund Qualifizierungsbudget hat für die Jahre 2019 bis 2025 ein Basisvolumen von rund 500 Millionen Euro bei Audi – inklusive rund 100 Millionen Euro für spezielle Themen rund um die Transformation. In der Montage wurden die Kolleginnen und Kollegen beispielsweise im Umgang mit Starkstrom geschult oder Ingenieure, die bislang am Verbrennungsmotor entwickelten, wurden in Kooperation mit der Technischen Hochschule Ingolstadt zum Thema Elektromotor weiterqualifiziert. Wir werden sehen, ob das ausreicht oder wir als Arbeitnehmervertretung mehr fordern müssen.
Schafft es Audi gegenüber Tesla, was Elektroautos betrifft, aufzuholen? Mosch: Nun, was die Qualität und Präzision des Fahrzeugbaus anbelangt, müssen viele Hersteller erst mal gegenüber Audi aufholen. Tesla-Chef Elon Musk hat das erkannt und wirbt vermutlich deswegen auch gerne um Audi-Fachleute aus Planung und Produktion.
Wo soll Audi in zehn Jahren stehen? Ist Audi dann wieder die Nummer zwei unter den Premium-Herstellern? Mosch: In zehn Jahren soll Audi die Nummer eins unter den PremiumHerstellern hinsichtlich ökologischer Nachhaltigkeit in der Produktion und der Mobilität seiner Fahrzeuge sein. Wirtschaftlich stark und seiner sozialen Verantwortung gegenüber den Belegschaftsmitgliedern und der Gesellschaft bewusst und engagiert.
Audi leitet an den europäischen Standorten in den kommenden Wochen schrittweise den Wiederanlauf der Produktion ein. Wird die Gesundheit der Mitarbeiter ausreichend geschützt? Mosch: Der Wiederanlauf wird von einem umfangreichen Maßnahmenkatalog begleitet, um den Gesundheitsschutz der Beschäftigten sicherzustellen. Dieser umfasst beispielsweise konkrete Abstands- und Hygieneregeln, eine angepasste Schichtfahrweise, um Kontakte zu vermeiden, und die Pflicht zu Mund- und Nasenschutz in Bereichen, wo Abstände von 1,5 Meter nicht möglich sind. An kritischen Arbeitsplätzen hat das Unternehmen auch physische Abgrenzungen geschaffen.
Peter Mosch wurde 1972 in Neuburg geboren. Er ist Audi-Gesamtbetriebsratschef und Mitglied im Audi- und VW-Aufsichtsrat.