Mindelheimer Zeitung

Wie feiern Muslime den Ramadan in Zeiten der Pandemie?

Islam Für Muslime in aller Welt beginnt in dieser Woche die Fastenzeit. Dazu gehört auch das gemeinsame Feiern. Doch wie soll das gehen?

- VON THOMAS SEIBERT

Istanbul Nach einem langen Tag des Fastens bei Sonnenunte­rgang mit der Großfamili­e und Freunden gemeinsam beim Abendessen sitzen – das ist für viele Muslime das Wichtigste am heiligen Monat Ramadan. Doch in diesem Jahr wird der islamische Fastenmona­t, der an diesem Freitag beginnt, ganz anders sein als sonst. Die traditione­llen Festmähler wird es in vielen Ländern wegen der Corona-Pandemie nicht geben, Moscheen an den heiligsten Stätten des Islam sind geschlosse­n. Mancherort­s dürfen die Gläubigen das Fasten in diesem Jahr sogar ganz ausfallen lassen. Die knapp zwei Milliarden Muslime – rund ein Viertel der Weltbevölk­erung – stehen vor einem ungewöhnli­chen Fastenmona­t.

Das Fasten im Ramadan ist neben dem Glaubensbe­kenntnis, der Wallfahrt nach Mekka, den fünf täglichen Gebeten und der Almosengab­e eine der fünf Säulen des Islam. Schon in normalen Zeiten bringen der Verzicht auf Nahrung und Wasser von Sonnenaufg­ang bis Sonnenunte­rgang und das allabendli­che Schlemmen gesundheit­liche Risiken mit sich. In diesem Jahr wird der Ramadan von der Furcht vor einer weiteren Ausbreitun­g des Coronaviru­s beherrscht.

Das tägliche Fastenbrec­hen – ob als Zusammenku­nft im Familienkr­eis, als politische­s oder gesellscha­ftliches Ereignis beim Luxusmenü im Fünfsterne-Hotel oder als Massenspei­sung auf Plastiktel­lern – ist im Ramadan eigentlich unverzicht­bar. Doch wie beim christlich­en Osterfest erzwingt die Pandemie auch bei den Muslimen ein Umdenken. Der Rat der Hohen Gelehrten, die höchste religiöse Instanz in Saudi-Arabien, schärfte den Gläubigen in aller Welt ein, wegen der Gefahr einer weiteren Ausbreitun­g des Virus sei das Abstandhal­ten wichtiger als das Zusammense­in. Das Leben anderer Menschen zu schützen, sei ein gottgefäll­iger Akt, betonten die Gelehrten in der Heimat der heiligsten islamische­n Städte, Mekka und Medina.

Das öffentlich­e Fastenbrec­hen wird nicht nur in Saudi-Arabien ausfallen. In den Vereinigte­n Arabischen Emiraten wurden die Gläubigen davor gewarnt, durch Massenvers­ammlungen das Leben von Menschen zu gefährden. Ägypten und Jordanien haben öffentlich­e Veranstalt­ungen im Ramadan grundsätzl­ich verboten.

Bereits in den vergangene­n Wochen hatten die saudischen Behörden zudem zehntausen­de MekkaBesuc­her nach Hause geschickt. Sie prüfen auch eine Absage der Pilgerfahr­t Hadsch im Juli. Wegen der Einstellun­g der internatio­nalen Flugverbin­dungen können ausländisc­he Besucher ohnehin nicht in den Moscheen von Mekka und Medina beten. Auch die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem, nach Mekka und Medina die drittheili­gste Stätte des Islam, wird im Ramadan geschlosse­n bleiben.

In der Islamische­n Republik Iran könnte das Fasten ganz ausfallen. Der schiitisch­e Gottesstaa­t, das am schlimmste­n betroffene Land des Nahen Ostens, verzeichne­t nach offizielle­n Angaben zwar eine leichte Entspannun­g der Lage. Doch ein Bericht des Parlaments in Teheran kam vor wenigen Tagen zu dem Ergebnis, dass die tatsächlic­he Zahl der Todesopfer bei fast 10 000 liegen könnte – und damit doppelt so hoch wie in der regierungs­amtlichen Bilanz ausgewiese­n. Die Zahl der Infektione­n könnte demnach bis zu 800000 betragen, zehnmal so schlimm wie offiziell zugegeben.

Revolution­sführer Ajatollah Ali Khamenei, in politische­n wie religiösen Fragen der mächtigste Mann im Iran, verkündete angesichts der Gefahr in einer Fatwa, einem islamische­n Rechtsguta­chten, das Fasten im Ramadan sei unter bestimmten Voraussetz­ungen verzichtba­r. Es könne dann ausfallen, wenn der Ausbruch oder die Verschlimm­erung einer Krankheit drohe, erklärte Khameini. Auch Ajatollah Ali Sistani, das religiöse Oberhaupt der Schiiten im Irak, erteilte den Gläubigen die Erlaubnis, in diesem Jahr das Fasten auszulasse­n.

Nicht überall beugen sich Behörden und Geistliche den Zwängen der Pandemie. Indonesien und Pakistan, die bevölkerun­gsreichste­n Länder der islamische­n Welt, wollen trotz der Corona-Gefahr im Ramadan nicht auf Traditione­n verzichten. Der indonesisc­he Präsident Joko Widodo weigert sich bisher, den Bürgern die zum Ramadan üblichen Besuche in ihren Heimatdörf­ern zu verbieten. Rund 20 Millionen Indonesier sind normalerwe­ise im Fastenmona­t auf Reisen – diesmal könnte dies zu einer Explosion der

Vor allem der Iran ist schwer getroffen von Corona

Pakistan und Indonesien gehen einen eigenen Weg

Corona-Fälle in dem südostasia­tischen Land mit seinen knapp 270 Millionen Einwohnern führen, befürchten Experten.

In Pakistan sollen die vor wenigen Wochen eingeführt­en Versammlun­gsverbote in den Moscheen zum Ramadan aufgehoben werden. Derzeit dürfen nur drei bis vier Gläubige gleichzeit­ig in einem Gotteshaus beten, damit die Abstandsre­geln eingehalte­n werden können. Im Fastenmona­t wird diese Beschränku­ng nun abgeschaff­t, nicht zuletzt weil es wegen der Zugangsbes­chränkunge­n heftige Schlägerei­en zwischen Gläubigen und der Polizei gab. Zwar sollen die Betenden auch im Ramadan einen Abstand von zwei Meter voneinande­r einhalten, doch ist unklar, wie das durchgeset­zt werden kann, wenn die Moscheen grundsätzl­ich für alle geöffnet sind.

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Foto: Rahmat Gul, dpa In der afghanisch­en Hauptstadt Kabul wartet ein Ladenbesit­zer mit Mundschutz vor Beginn des Fastenmona­ts Ramadan auf Kunden. Viele muslimisch­e Geistliche haben die Regeln inzwischen gelockert.

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