Der große Ansturm bleibt aus
Corona Kunden reagieren zurückhaltend auf die Öffnung von Bau- und Gartenmärkten. Die Kanzlerin warnt eindringlich davor, die neu gewonnenen Freiheiten auszureizen
Augsburg/Berlin In vielen Bundesländern sind am Montag im Einzelhandel coronabedingte Beschränkungen gelockert worden. In Bayern waren es die Bau- und Gartenmärkte, die wieder Kunden bedienen durften. Der Ansturm blieb allerdings aus. „Familienausflüge in den Baumarkt gibt es seit einigen Wochen nicht mehr in Deutschland“, erklärte ein Sprecher der Baumarktkette „Hornbach“. „Niemand kommt zum Bummeln, zum Inspirieren lassen. Es wird sehr schnell und zielgerichtet eingekauft.“In einer Schnellumfrage berichteten die Mitglieder des Bayerischen Gärtnerei-Verbandes, dass der Besucherstrom sich zwischen 70 und 90 Prozent gegenüber einem vergleichbaren Tag der Vorjahre bewegte. „Was in normalen Jahren Enttäuschung ausgelöst hatte, führte in diesem Jahr zu Erleichterung bei den Unternehmern“, sagt Geschäftsführer Jörg Freimuth. „So konnte das Schutz- und Hygienekonzept seine erste Bewährungsprobe ohne übermäßigen Ansturm unter Beweis stellen.“
Und auch der Sprecher des Handelsverbandes Bayern, Bernd Ohl
war erleichtert: „Der heutige Tag lief weniger stürmisch als erwartet ab – das hatten wir uns viel schlimmer vorgestellt.“Die Polizei habe vielerorts ein Auge darauf, dass die Regeln eingehalten werden. Aber die Märkte waren sehr vorsichtig. „Die Regel, dass nur ein Kunde pro 20 Quadratmeter im Geschäft sein darf, wurde nirgendwo ausgereizt“, sagt Ohlmann. „Da gab es überhaupt keine Probleme.“Und doch herrscht nicht nur Freude: Die Umsatzverluste aus den vergangenen Wochen könnten niemals nachgeholt werden. „Aber endlich konnten jetzt wieder viele öffnen – und endlich hat jetzt die große Benachteiligung gegenüber anderen Bundesländern ein Ende“, sagt der Verbandssprecher.
Während in Bayern die Lockerungen nur sehr langsam vollzogen werden, sind andere Bundesländer längst weiter. Unter anderem in Hessen, Nordrhein-Westfalen, in Hamburg sowie im Saarland dürfen Bürger wieder in Geschäfte mit einer Verkaufsfläche von bis zu 800 Quadratmetern einkaufen. Polizeivertreter kritisieren die je nach Bundesland unterschiedlichen Lockerungen der Corona-Beschränkungen und fordern eine bundeseinheitliche Regelung. „Sie erschweren die
Arbeit der Polizei, weil die Menschen wenig Verständnis für die unterschiedlichen Maßnahmen haben“, sagt der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, unserer Redaktion. „Wir sind es der Demokratie schuldig, polizeiliches Handeln zu erklären, aber wenn die Unterschiede nicht mehr erklärbar sind, wird das schwierig.“
In einer Notlage müssten die Maßnahmen, die von einer Verwaltung
getroffen werden, transparent und vermittelbar sein, betont der Polizeigewerkschafter. „Und da wird es für meine Kollegen schwierig, wenn Regelungen in einem Land anders aussehen als in dem anderen, die Menschen vergleichen sich.“Er mahnt die Politik eindringlich: „Die Bewältigung der Krise darf kein Anlass sein, in einen politischen Wettbewerb einzutreten. Leider sind erste Anzeichen sichtbar“, sagt Radek.
Sätze, die Kanzlerin Merkel nicht gerne hören dürfte. Wie groß die Furcht vor einem erneuten deutlichen Zuwachs bei der Zahl der Infimann, zierten ist, machte sie intern und in einer Pressekonferenz deutlich. Angela Merkel (CDU) kritisierte die Diskussionen über weitergehende Lockerungen der Beschränkungen im Kampf gegen das Coronavirus außergewöhnlich scharf. Nach Informationen aus Teilnehmerkreisen machte sie im CDU-Präsidium deutlich, wie unzufrieden sie sei, dass die Botschaft vorsichtiger Lockerungen in einigen Ländern zu „Öffnungsdiskussionsorgien“geführt habe. Dies erhöhe das Risiko eines Rückfalls sehr stark.
Auch als Merkel vor die Kameras trat, betonte sie noch einmal eindringlich: „Wir dürfen uns keine Sekunde in Sicherheit wiegen, (...) sondern wir müssen wachsam und diszipliniert bleiben.“An die Regierungschefs der Länder appellierte sie, die Schutzmaßnahmen nicht zu früh und zu weitgehend zu lockern. Sie wolle, dass der gemeinsam beschlossene Spielraum „möglichst eng ausgenutzt wird, nicht möglichst weit“. Die Kanzlerin warnte: „Es kann auch ein Fehler sein, dass man zu schnell voranschreitet.“Merkel warnte davor, dass andernfalls die Infektionszahlen wieder stark steigen könnten. „Es wäre jammerschade, wenn wir sehenden Auges in einen Rückfall gehen.“
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