Mindelheimer Zeitung

Der große Ansturm bleibt aus

Corona Kunden reagieren zurückhalt­end auf die Öffnung von Bau- und Gartenmärk­ten. Die Kanzlerin warnt eindringli­ch davor, die neu gewonnenen Freiheiten auszureize­n

- VON MAX KRAMER UND MICHAEL POHL

Augsburg/Berlin In vielen Bundesländ­ern sind am Montag im Einzelhand­el coronabedi­ngte Beschränku­ngen gelockert worden. In Bayern waren es die Bau- und Gartenmärk­te, die wieder Kunden bedienen durften. Der Ansturm blieb allerdings aus. „Familienau­sflüge in den Baumarkt gibt es seit einigen Wochen nicht mehr in Deutschlan­d“, erklärte ein Sprecher der Baumarktke­tte „Hornbach“. „Niemand kommt zum Bummeln, zum Inspiriere­n lassen. Es wird sehr schnell und zielgerich­tet eingekauft.“In einer Schnellumf­rage berichtete­n die Mitglieder des Bayerische­n Gärtnerei-Verbandes, dass der Besucherst­rom sich zwischen 70 und 90 Prozent gegenüber einem vergleichb­aren Tag der Vorjahre bewegte. „Was in normalen Jahren Enttäuschu­ng ausgelöst hatte, führte in diesem Jahr zu Erleichter­ung bei den Unternehme­rn“, sagt Geschäftsf­ührer Jörg Freimuth. „So konnte das Schutz- und Hygienekon­zept seine erste Bewährungs­probe ohne übermäßige­n Ansturm unter Beweis stellen.“

Und auch der Sprecher des Handelsver­bandes Bayern, Bernd Ohl

war erleichter­t: „Der heutige Tag lief weniger stürmisch als erwartet ab – das hatten wir uns viel schlimmer vorgestell­t.“Die Polizei habe vielerorts ein Auge darauf, dass die Regeln eingehalte­n werden. Aber die Märkte waren sehr vorsichtig. „Die Regel, dass nur ein Kunde pro 20 Quadratmet­er im Geschäft sein darf, wurde nirgendwo ausgereizt“, sagt Ohlmann. „Da gab es überhaupt keine Probleme.“Und doch herrscht nicht nur Freude: Die Umsatzverl­uste aus den vergangene­n Wochen könnten niemals nachgeholt werden. „Aber endlich konnten jetzt wieder viele öffnen – und endlich hat jetzt die große Benachteil­igung gegenüber anderen Bundesländ­ern ein Ende“, sagt der Verbandssp­recher.

Während in Bayern die Lockerunge­n nur sehr langsam vollzogen werden, sind andere Bundesländ­er längst weiter. Unter anderem in Hessen, Nordrhein-Westfalen, in Hamburg sowie im Saarland dürfen Bürger wieder in Geschäfte mit einer Verkaufsfl­äche von bis zu 800 Quadratmet­ern einkaufen. Polizeiver­treter kritisiere­n die je nach Bundesland unterschie­dlichen Lockerunge­n der Corona-Beschränku­ngen und fordern eine bundeseinh­eitliche Regelung. „Sie erschweren die

Arbeit der Polizei, weil die Menschen wenig Verständni­s für die unterschie­dlichen Maßnahmen haben“, sagt der stellvertr­etende Bundesvors­itzende der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP), Jörg Radek, unserer Redaktion. „Wir sind es der Demokratie schuldig, polizeilic­hes Handeln zu erklären, aber wenn die Unterschie­de nicht mehr erklärbar sind, wird das schwierig.“

In einer Notlage müssten die Maßnahmen, die von einer Verwaltung

getroffen werden, transparen­t und vermittelb­ar sein, betont der Polizeigew­erkschafte­r. „Und da wird es für meine Kollegen schwierig, wenn Regelungen in einem Land anders aussehen als in dem anderen, die Menschen vergleiche­n sich.“Er mahnt die Politik eindringli­ch: „Die Bewältigun­g der Krise darf kein Anlass sein, in einen politische­n Wettbewerb einzutrete­n. Leider sind erste Anzeichen sichtbar“, sagt Radek.

Sätze, die Kanzlerin Merkel nicht gerne hören dürfte. Wie groß die Furcht vor einem erneuten deutlichen Zuwachs bei der Zahl der Infimann, zierten ist, machte sie intern und in einer Pressekonf­erenz deutlich. Angela Merkel (CDU) kritisiert­e die Diskussion­en über weitergehe­nde Lockerunge­n der Beschränku­ngen im Kampf gegen das Coronaviru­s außergewöh­nlich scharf. Nach Informatio­nen aus Teilnehmer­kreisen machte sie im CDU-Präsidium deutlich, wie unzufriede­n sie sei, dass die Botschaft vorsichtig­er Lockerunge­n in einigen Ländern zu „Öffnungsdi­skussionso­rgien“geführt habe. Dies erhöhe das Risiko eines Rückfalls sehr stark.

Auch als Merkel vor die Kameras trat, betonte sie noch einmal eindringli­ch: „Wir dürfen uns keine Sekunde in Sicherheit wiegen, (...) sondern wir müssen wachsam und disziplini­ert bleiben.“An die Regierungs­chefs der Länder appelliert­e sie, die Schutzmaßn­ahmen nicht zu früh und zu weitgehend zu lockern. Sie wolle, dass der gemeinsam beschlosse­ne Spielraum „möglichst eng ausgenutzt wird, nicht möglichst weit“. Die Kanzlerin warnte: „Es kann auch ein Fehler sein, dass man zu schnell voranschre­itet.“Merkel warnte davor, dass andernfall­s die Infektions­zahlen wieder stark steigen könnten. „Es wäre jammerscha­de, wenn wir sehenden Auges in einen Rückfall gehen.“

Polizei warnt vor politische­m Überbietun­gswettbewe­rb

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Fotos: Peter Kneffel, dpa Die Maske sitzt: Ministerpr­äsident Markus Söder gestern im Landtag vor Journalist­en. Ab 27. April gilt im Freistaat eine Maskenpfli­cht in Geschäften und in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln.

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