Wer pfeift da so? Corona und wir
Wenn der Blick vom heimischen Schreibtisch aus direkt in den Park geht, spechtet die Natur zum Fenster herein
Wie von heute auf morgen alles blüht! Und dann die Bäume: Gestern hingen da doch noch diese spinnenarm-ähnlichen Äste vor dem grauen Himmel. Jetzt auf einmal so viel Grün – ein Wunder, wirklich!
So war das in den vergangenen Jahren mit mir und der Natur. Irgendwann blickte ich in das – für eine Stadtwohnung erstaunlich üppige – Stück Park vor dem Balkon. Und wo eben noch graubraune Dürre war: Frühling, ja er ist’s.
Dieses Jahr sehe ich jedes Blatt einzeln sprießen und meinte kürzlich sogar, auf den Tag genau bestimmen zu können, wann welcher Vogel aus seinem Winterquartier zurückgekehrt ist. Ein bisschen vermessen nach einem Monat privaten Ornithologiestudiums. Aber doch erweitere ich mein naturkundliches Wissen fast rund um die Uhr. Ich registriere, dass der Sanddorn blüht. Beim Aufwachen analysiere ich den Gesang der Vögel – Zilpzalp, Kohlmeise, Specht auch wieder da –, am Schreibtisch im Homeoffice sitze ich neben der Balkontür und freue mich, wenn die Amsel mit ihren gelb umringten Augen auf dem Geländer sitzt.
Beruflich bringt mir das leider überhaupt nichts. Ich schreibe vor allem über Bildung.
Gut, dass die Frage, wann und wie die Schulen wieder öffnen, meinen naturnahen Arbeitsplatz mit Notizzetteln füllt und so viel Stoff zum Berichten bietet. Sonst würde ich noch viel öfter den Vögeln hinterhersehen, die es gerade so schön haben wie selten, und noch viel häufiger ein bisschen melancholisch werden. Das passiert ja recht schnell in diesen Zeiten.
War ich in den vergangenen Jahren wirklich so ignorant, all das nicht wahrzunehmen? Oder holen sich tatsächlich Tiere die Städte zurück, weil kaum jemand auf der Straße ist? Nein, ich habe noch keinen Fuchs auf den gepflasterten Fußwegen im Park gesehen, keinen Wolf und erst recht keine Löwen, wie sie jetzt im Krüger-Nationalpark auf den unbefahrenen Straßen liegen. Dann müsste ich mir auch ernsthaft Sorgen machen, ob ich gerade wirklich nur ein bisschen melancholisch bin. Aber ich weiß jetzt, dass nebenan im Park Fledermäuse leben – nach drei Jahren, die ich nun schon in dieser Wohnung verbringe.
Man liest gerade immer wieder, dass die Verklärung der Natur etwas Psychologisches ist, wenn nun einmal nur sie einem bleibt. Und dass man sich auf die kleinen Freuden besinnt, wenn die großen einem fehlen. Naheliegend. Dafür braucht es kein Studium.
Ich habe Wichtigeres zu tun: Muss nämlich prüfen, ob die neue Mundschutzpflicht in Bayern auch für Schulen gilt – und endlich herausfinden, welcher Vogel da draußen wie eine verstimmte Querflöte trillert.
schreibt vor allem über Schule – und merkt privat immer wieder, was es alles zu lernen gibt.
An dieser Stelle berichten Kolleginnen und Kollegen aus der Redaktion von ihrem Alltag in Zeiten von Corona.