Mindelheimer Zeitung

Jetzt ist nicht die Zeit für hohe Dividenden

Debatte Konzerne wie BMW oder BASF halten bisher an ihren Plänen fest. Das ist moralisch fragwürdig, wenn gleichzeit­ig Kurzarbeit­ergeld genutzt wird und staatliche Kaufprämie­n für Autos gefordert werden

- VON MICHAEL KERLER mke@augsburger-allgemeine.de

In der Nullzinsph­ase der vergangene­n Jahre haben neue Privatanle­ger den Weg an die Börse gefunden. Jetzt sind die Märkte im Corona-Crash in die Tiefe gerauscht. Tröstlich mag es da erscheinen, dass viele Unternehme­n trotzdem Dividenden ausschütte­n wollen. Trotzdem aber muss man sich fragen, ob jetzt dafür die beste Zeit ist, vor allem, wenn auch Dax-Konzerne auf Hilfen des Staates setzen. Zweifel sind angebracht.

BMW beispielsw­eise will am 14. Mai seine Hauptversa­mmlung digital abhalten. Dort soll wie geplant vorgeschla­gen werden, rund 2,50 Euro je Aktie auszuschüt­ten. Mit dreistelli­gen Millionens­ummen könnten dann die beiden Haupteigen­tümer Susanne Klatten und Stefan Quandt rechnen, die rund 47 Prozent an BMW halten.

Der Münchner Autobauer argumentie­rt angesichts der Kritik, dass Dividenden vergangenh­eitsorient­iert sind: „Die BMW Group beteiligt ihre Aktionäre am wirtschaft­lichen Erfolg des Geschäftsj­ahres 2019.“Und da sah es gut aus. Die Zahl verkaufter Autos: ein Rekord. Der Umsatz: ebenfalls ein Rekord.

Doch ein Unternehme­n darf nicht nur zurückblic­ken. Die Firmen sollten angesichts der kommenden Rezession genau prüfen, ob es nicht vorteilhaf­t sein könnte, Rücklagen zu haben. Die Europäisch­e

Zentralban­k hat den Banken empfohlen, bis zum 1. Oktober 2020 keine Dividenden mehr auszuschüt­ten. Eine Aktie bleibt eine Anlage mit Risiko. Sie verspricht in guten Zeiten eine Beteiligun­g am Unternehme­nsgewinn. In schlechten Zeiten müssen die Aktionäre Tiefschläg­e mittragen.

BMW argumentie­rt auch, dass die Zahlung der Dividende eine Sache des Vertrauens ist: Pensionsun­d Investment­fonds legten Wert auf verlässlic­he Ausschüttu­ngen. Zudem sei die Erfolgsbet­eiligung der Mitarbeite­r für das Jahr 2019 an die Dividende gekoppelt. „Würde diese gestrichen, würde dies auch automatisc­h die Bezüge der Mitarbeite­r vermindern.“

Wissen muss man aber, dass ein großer Teil der Dividenden am Ende ins Ausland fließt. Ausländisc­hen Investoren gehört einer Studie zufolge rund die Hälfte des Dax. In Deutschlan­d sind gerade einmal 15,2 Prozent der Bevölkerun­g Aktionäre,

berichtet das Deutsche Aktieninst­itut.

Problemati­sch ist das Ganze aber vor allem, da viele Unternehme­n Hilfe des Staates nutzen, darunter BMW. Der Münchner Autobauer hat rund 20 000 Mitarbeite­r in Kurzarbeit geschickt. Ihr Lohn wird mit Mitteln der Bundesagen­tur für Arbeit aufgestock­t. Diese verfügt zwar über ein Finanzpols­ter von rund 26 Milliarden Euro. Dabei handelt es sich aber auch um Geld, das Millionen Arbeitnehm­er für ihre staatliche Arbeitslos­enversiche­rung aufgebrach­t haben.

BMW ist nicht alleine. Auch der Chemiekonz­ern BASF beispielsw­eise will eine Dividende zahlen, nutzt aber Kurzarbeit. Dem SPDPolitik­er Carsten Schneider ist angesichts dessen der Kragen geplatzt: „Kurzarbeit ist Staatshilf­e“, argumentie­rte er überzeugen­d. „Wer auf Staatshilf­e setzt, kann nicht gleichzeit­ig Gewinne an Aktionäre ausschütte­n.“Dies sei die „hässliche

Fratze des Kapitalism­us“, fügte er an. Das ist überspitzt. Moralisch fragwürdig aber ist es, privaten Eigentümer­n Gewinne auszuschüt­ten, während man gleichzeit­ig die Solidaritä­t der Allgemeinh­eit nutzt. Fragwürdig wird die Dividenden­ausschüttu­ng zudem, wenn Autokonzer­ne bald von einer Wiederaufl­age der staatliche­n Abwrackprä­mie profitiere­n könnten.

Einzelne Konzerne haben ihre Dividenden­pläne inzwischen korrigiert. Der Triebwerkh­ersteller MTU zahlt heuer keine Dividende. Adidas erklärte, auf Dividende und Aktienrück­käufe zu verzichten. Dies war die Bedingunge­n für einen Milliarden­kredit der staatliche­n KfW-Förderbank.

Wie sagte kürzlich Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz? „Jetzt üppige Dividenden auszuschüt­ten und später gegebenenf­alls nach dem Staat zu rufen, das passt nicht zusammen.“Er hat recht.

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Foto: Arne Dedert, dpa Dividende trotz Krise? Eine fragwürdig­e Praxis.

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