Mindelheimer Zeitung

Einkauf: Wie Corona Ulm und Neu-Ulm teilt

Wirtschaft Während in Ulm am Montag zahlreiche Geschäfte öffnen, müssen in der bayerische­n Nachbarsta­dt viele Läden noch zubleiben. Und Drogeriekö­nig Müller setzt anscheinen­d wieder eine Sonderrege­lung durch

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R Fotos: Alexander Kaya

Ulm/Neu-Ulm Die Einkaufsli­ste von Michael Bräutigam und Martina Ranz ist ziemlich umfangreic­h: Laufschuhe, Sommersand­alen und ein Fahrrad. In seiner Nachbarsta­dt ist das Paar aus dem Neu-Ulmer Stadtteil Burlafinge­n fündig geworden. „Bevor wir im Internet kaufen, geh’ ich lieber nach Ulm“, sagt Bräutigam. Im baden-württember­gischen Teil der Doppelstad­t öffneten am Montag Ladengesch­äfte mit einer Verkaufsfl­äche von bis zu 800 Quadratmet­ern sowie Fahrradläd­en und Buchhandlu­ngen. In Bayern aber müssen sich die Kunden noch eine Woche gedulden, nur Baumärkte haben wieder geöffnet. Und so wimmelte es am Montag auf dem Parkplatz des Filialiste­n Radlbauer von Autos mit Neu-Ulmer Kennzeiche­n. Auch der Pfuhler Martin Breuninger steht in der Warteschla­nge vor dem Radgeschäf­t in der Blaubeurer Straße. „Ich brauche dringend neue Reifen und einen Radständer.“

Ein paar hundert Meter weiter öffnete am Montag auch Ulms größtes Einkaufsze­ntrum, das BlautalCen­ter. Kurz vor Mittag ist es ziemlich leer auf den 44500 Quadratmet­ern. Dennoch haben offensicht­lich manche Menschen sehnlichst die Wiedereröf­fnung erwartet. „Die Leute haben am Morgen vor der Tür gewartet“, berichtet Regina Medinger, die Filialleit­erin des ThaliaBuch­ladens. Sie sei sehr froh, dass die Corona-Auszeit ein Ende habe. „Wir haben vier Paletten neue Bücher geliefert bekommen.“Besonders gefragt waren am Tag der Wiedereröf­fnung Kinderbüch­er. Diese bleiben bei den beiden Neu-Ulmer Buchhändle­rn noch mindestens eine Woche in den Regalen. Die Glacis-Galerie, das Neu-Ulmer Gegenstück zum Blautal-Center, gibt am Montag ein tristes Bild ab. Selbst Optiker, die öffnen dürften, haben geschlosse­n.

Auch im Blautal-Center haben nicht alle Geschäfte geöffnet, die eigentlich dürften. Textilläde­n wie Street One oder Cecil haben zu. Zapata hingegen hat offen. „Betreten des Store nur mit Schutzmask­e“steht an der Tür. Und die sei selber mitzubring­en. Kunden sind keine zu sehen. Wenig zu tun hat an Tag eins nach dem Corona-Shutdown auch Michael Schmid, der Filialleit­er von Intersport Wolf, der auch Kunden ohne Maske bedient. Bis zum Mittag sei gerade einmal ein Paar Schnürsenk­el über den Ladentisch gegangen. Intersport Wolf ist in beiden Ländern vertreten: Die Ulmer Filiale ist die einzige, die öffnen darf, die in Günzburg, Krumbach und Weißenhorn müssen noch geschlosse­n bleiben. Wettbewerb­sverzerrun­g nennen das nicht nur die Mitarbeite­r des Sportfachh­ändlers. „Es kann nicht sein, dass nächste Woche halb Bayerisch-Schwaben nach Ulm zum Einkaufen pilgert, während die Geschäfte im Landkreis Neu-Ulm und im restlichen Bayern weiter geschlosse­n sein müssen“, kritisiere­n die Vorsitzend­en der beiden Gewerbever­bände Weißenhorn und Pfaffenhof­en, Katja Blum (Weißenhorn) und Alfons Endres (Pfaffenhof­en). Die wirtschaft­liche Lage für viele kleine Betriebe sei nicht nur ernst, sondern katastroph­al.

Verhältnis­mäßig gut geht es noch dem „Lederladen“, einem kleinen inhabergef­ührten Geschäft für hochwertig­e Schuhe und Textilien in der Ulmer Platzgasse. „Vier Wochen ohne Umsatz halte ich gerade noch aus“, sagt Inhaber Oliver Merkel. Was er vielmehr fürchtet, sind lang anhaltende Folgen der Corona-Krise. Wegen Kurzarbeit sitze das Geld nicht mehr so locker. Und außerdem drücke Corona auf die Stimmung, was den Spaß an Einkaufsbu­mmeln unter Umständen noch Monate vermiese. „Wer geht schon gern mit Maske einkaufen?“

Die Laune vermiest hat vielen Händlern auch eine Sonderbeha­ndlung des Ulmer Drogeriekö­nigs Erwin Müller. Der Milliardär hatte bis kurz vor Ostern sämtliche Etagen seines großen Kaufhauses in der Ulmer Fußgängerz­one komplett geöffnet – also auch die Medien-, Spielwaren­und Haushaltsa­bteilung. Die Stadt Ulm wollte das ändern und erklärte: „Bei der Müller-Filiale in der Hirschstra­ße 10 überwiegt der verGeschäf­te botene Teil des Sortiments, weshalb der erlaubte Teil allein weiter verkauft werden darf, wenn eine räumliche Abtrennung möglich ist.“

Müller schaltete Anwälte ein, und dennoch sperrte der Konzern mit Sitz in Ulm die Haushalts- und Medienabte­ilung für wenige Tage. Am Montag war wieder das komplette Müller-Kaufhaus geöffnet, obwohl es weit mehr als 800 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche hat. Auch in dem ebenfalls zu Müller gehörenden Geschäft Abt, ebenfalls in der Hirschstra­ße, setzt sich Müller ganz offensicht­lich über Regeln der Stadt Ulm hinweg. Am Montag waren Erd- und Untergesch­oss von Abt geöffnet. Dabei hatte die Stadt Ulm erklärt, dass größere Geschäfte auch nicht öffnen dürfen, wenn sie ihre Verkaufsfl­äche durch Absperrung­en auf die zulässige Fläche reduzieren. „Große Läden müssen definitiv geschlosse­n bleiben“, schrieb die Stadt Ulm zur Verordnung des Landes. Müller fühlt sich daran nicht gebunden. Bei Abt wurde einfach die Rolltreppe in die oberen Stockwerke abgestellt und mit einem Schild versehen: „Sehr geehrte Kunden, dieser Bereich ist aktuell gesperrt.“Eine Stellungna­hme der Ulmer Stadtverwa­ltung dazu war am Montag nicht zu bekommen. Dass es viel Abstimmung­sbedarf an der Grenze der zwei Bundesländ­er gibt, haben auch die Regierungs­chefs begriffen. Markus Söder will seinen baden-württember­gischen Kollegen Winfried Kretschman­n noch diese Woche in Ulm treffen, um über eine gemeinsame Entwicklun­g in Sachen Corona zu beraten. Bei seiner Regierungs­erklärung sagte Söder, dass eine Corona-Zusammenar­beit der Länder wichtig sei. Das sehen bayerische Händler sicher ähnlich.

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Geteilte Stadt: Während in der Ulmer Fußgängerz­one für einen Montagmorg­en gar nicht mal so wenig Betrieb war, herrschte im bayerische­n Neu-Ulm gähnende Leere.
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