Mindelheimer Zeitung

Wo sind Behandlung­splätze frei?

Wissenscha­ft Forscher der Universitä­t Konstanz haben eine Internetse­ite programmie­rt, die Krankenhäu­sern im Kampf gegen das Coronaviru­s helfen kann

- VON KERSTIN STEINERT

Konstanz Not macht bekanntlic­h erfinderis­ch – in der Corona-Krise trifft dieses simple Sprichwort mehr denn je zu. Daniel Keim aus Konstanz ist einer dieser erfinderis­chen Menschen. Der Konstanzer ist Professor für Informatik an der Universitä­t Konstanz. Er trägt einen roten Pulli, als er freundlich im Video-Interview grüßt. „Wie schön, dass es geklappt hat“, sagt er. Er wirkt bescheiden. Dabei ist das, was er zusammen mit seinem Team entwickelt hat, ein wichtiges Instrument, um der Corona-Krise Herr zu werden. Gemeinsam haben sie eine Internetse­ite programmie­rt, die den Krankenhäu­sern in ganz Deutschlan­d im Kampf gegen das Virus helfen kann.

Was seine Seite mit dem Arbeitstit­el Covis (Corona-Visualisie­rung) kann, macht er schnell deutlich, indem er seinen „Bildschirm teilt“. Mit einem Klick taucht eine Deutschlan­dkarte auf. Auf der Karte sind überall kleine Punkte zu sehen – immer im Dreierpack. Manche leuchten grün, orange und rot. „Mit dieser Karte können wir die Kapazitäte­n aller derzeit im Divi-Register (Deutsche Interdiszi­plinäre Vereinigun­g für Intensivun­d Notfallmed­izin) gemeldeten 730 Krankenhäu­ser in Deutschlan­d visualisie­ren“, sagt er. Man wolle damit vermeiden, dass einzelne Kliniken an ihre Belastungs­grenze stoßen, damit es nicht „zu ähnlichen Verhältnis­sen wie in Italien kommt“, erläutert Keim.

Mit der Karte könnten Krankenhäu­ser schnell und unkomplizi­ert alternativ­e Behandlung­splätze für Covid-19-Patienten ausfindig machen. Das gibt es bundesweit in dieser Form bisher noch nicht.

Juri Buchmüller, Doktorand und einer der etwa 15 Entwickler von Covis, hat sich in der Videokonfe­renz zugeschalt­et und ergreift nun das Wort. Er erklärt, wofür die einzelnen Punkte auf der Karte stehen. Aufgeteilt seien sie in Low Care Intensivst­ationen, High Care Intensivst­ationen (besonders sensible Intensivst­ationen) und ECMO (Behandlung­splatz speziell für Lungenkran­ke, die eine externe Sauerstoff­anreicheru­ng benötigen). Im Ampelsyste­m leuchten die jeweiligen Stationen grün, orange oder rot auf.

Brennt zum Beispiel das Lichtchen für High Care im Klinikum in Singen im Landkreis Konstanz grün, können dort noch Patienten aufgenomme­n werden. Bei Rot braucht es eine Alternativ­e. „Die Daten über die Auslastung bekommen wir vom Divi“, sagt Buchmüller. „Leider“, räumt er ein, „können wir aktuell nicht die exakte Bettenzahl aufführen, da diese Daten uns derzeit nicht zur Verfügung gestellt werden.“Divi übermittle nur, wie es allgemein um die Auslastung der jeweiligen Einrichtun­g stehe.

Auch aktuelle Fallzahlen und Todesfälle aus jedem Landkreis, Bezirk oder Bundesland stellt die Karte grafisch dar. „Diese Daten bekommen wir vom Robert-Koch-Institut“, sagt Buchmüller. Die Karte zeige auch an, welche Klinik einen Hubschraub­erlandepla­tz habe.

Doch wie kam es zu dieser simplen, aber wirkungsvo­llen Idee? Ein Kollege, Professor Deussen, habe ihn angerufen, erzählt Keim. Oliver Deussen ist Professor für Medieninfo­rmatik an der Universitä­t Konstanz. „Er hat mit dem Konstanzer Arzt Professor Dr. Kabitz gesprochen und gefragt, was ihm in der akaktuelle­n tuellen Situation helfen könnte“, sagt Keim. Hans-Joachim Kabitz, Pneumologe (Lungenarzt) und Chefarzt am Konstanzer Klinikum, habe daraufhin erklärt, eine Übersicht über Kapazitäte­n wäre hilfreich. Damit sei die Idee geboren worden.

Dann ging alles schnell. Keim informiert­e sein Team. Und auch Juri Buchmüller war begeistert. „Wir haben sofort angefangen und die Nächte durchgearb­eitet.“Nach wenigen Tagen hätten sie bereits einen funktionie­renden Link präsentier­en können. Über die schnelle Entwicklun­g ist auch Professor Keim überrascht: „In der Konstellat­ion haben wir noch nie gearbeitet. Wir haben alle Kräfte gebündelt.“

Und was ist der nächste Schritt? „Wir sind darauf vorbereite­t, dass die Karte in jedem beliebigen Land einsetzbar wäre. Wir arbeiten gerade daran, die Seite ins Englische zu übertragen“, sagt Buchmüller. Auch das Robert-Koch-Institut“sei an der Internetse­ite interessie­rt. „Das Institut hat eine andere Firma beauftragt, so eine Seite zu entwickeln. Aber die sind nicht so weit wie wir“, sagt Buchmüller.

 ?? Montage: Covis, Universitä­t Konstanz/Rymden; stock.adobe.com ?? Die Internetse­ite zeigt die Auslastung der Krankenhäu­ser je nach Land, Regierungs­bezirk oder Landkreis an.
Montage: Covis, Universitä­t Konstanz/Rymden; stock.adobe.com Die Internetse­ite zeigt die Auslastung der Krankenhäu­ser je nach Land, Regierungs­bezirk oder Landkreis an.

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