Mindelheimer Zeitung

Große Couture, noch in Kisten

Interview Die Kunsthalle München wartet darauf, die Thierry-Mugler-Schau eröffnen zu können. Direktor Roger Diederen spricht über Corona-Auflagen und wie viele Besucher er bräuchte, um die Kosten zu stemmen

- Interview: Christa Sigg

Herr Diederen, Sie wollten „Thierry Mugler – Couturissi­me“Anfang April eröffnen. Wie schaut’s jetzt in der Kunsthalle aus?

Roger Diederen: Natürlich wären wir am 3. April bereit gewesen, die Türen für Thierry Mugler zu öffnen. Als aber klar wurde, dass auch alle Museen schließen, haben wir lediglich die aufwendige Ausstellun­gsarchitek­tur aufgebaut. Die teils sehr fragilen Kreationen Muglers ruhen noch sicher in ihren Kisten. Sobald wir wissen, wann wir öffnen können, stellen wir das komplett fertig.

Haben Sie umdisponie­rt, um in den Ausstellun­gsräumen mehr Abstand halten zu können?

Diederen: Die Vorbereitu­ngen laufen seit fast zwei Jahren. Als wir mit dem Kurator Thierry-Maxime Loriot und der Ausstellun­gsarchitek­tin Sandra Gagné das Konzept auf unsere Räume übertragen haben, war von „social distancing“natürlich noch keine Rede. Aber im Prinzip sind die aktuellen Auflagen bereits berücksich­tigt. Wir haben in der Kunsthalle generell sehr viel Platz und auch insoweit vorgesorgt, als Kassen, Garderoben und der Shop über Trennschei­ben verfügen.

Wie in den Supermärkt­en? Diederen: Ja, wir haben berührungs­lose Bezahlterm­inals installier­t, und auch das Kassensyst­em ist so erweitert, dass wir Time-Slot-Tickets anbieten und die Besucherza­hlen messen können. Der Zugang lässt sich dann gut steuern.

Die Kosten laufen weiter, die Versicheru­ngen wohl auch, denn die Ausstellun­gsstücke sind ja in München. Diederen: Diese laufenden Kosten sind ein riesiges Problem. Damit wir ein Projekt wie Mugler überhaupt können, brauchen wir sicherlich 200000 zahlende Besucher. Die Ausgaben für Transporte, Versicheru­ng, Aufbau und Sicherheit sind enorm. Wenn wir jetzt zum Beispiel nur beschränkt Besucher einlassen dürfen, wird es äußerst schwierig, die Kosten zu decken.

Wie groß ist der Druck?

Diederen: Der Druck ist immer hoch, aber es ist auch unser eigener Anspruch, das führende Ausstellun­gshaus zu sein. Die Hypo-Kulturstif­tung unterstütz­t uns, wo sie kann. Wir stimmen uns regelmäßig ab und bereiten uns auf alle Eventualit­äten vor. Das heißt, wir entwickeln mit allen Partnern wie dem Vermieter und der Gastronomi­e Ideen, um die aktuelle Situation gemeinsam zu überstehen.

Was wird die Besucher bei Mugler erwarten?

Diederen: Muglers Kreationen sind ja schon für sich eine Schau. Aber wir bieten zum Beispiel eine 360-Grad-Raumprojek­tion, die durch Dschungel und Korallenri­ffe führt. Diese Traumwelt hat sich die kanadische Firma Rodeo FX ausgestemm­en dacht, die sonst die Special Effects für große Filmprojek­te wie „Game of Thrones“macht. Und es geht gleich fulminant los: Der Künstler und Bühnenbild­ner Philipp Fürhofer hat die ersten beiden Räume inszeniert – er war bereits für unsere Faust-Ausstellun­g ein Glücksfall.

Könnte man die Schau verlängern? Diederen: Als Direktor bin ich momentan im Gespräch mit Kollegen im In- und Ausland und versuche tatsächlic­h, Mugler zu verlängern. Direkt nach München sollte die Ausstellun­g in Paris gezeigt werden.

Das einzig Gute an dieser Krise ist, dass sich nun alle Museen weltweit in der gleichen Lage befinden und jeder Verständni­s für Umplanunge­n hat. Trotzdem müssen wir nachverhan­deln, es geht ja auch um die nächsten Ausstellun­gen. Für manche Kunstwerke sind bereits Leihverträ­ge unterschri­eben. Ich muss die komplette Planung für nächstes Jahr umwerfen. Aber das wird funktionie­ren, da bin ich guter Dinge.

Die Ausstellun­gen „Du bist Faust“und „Mit Leib und Seele“mit Skulpturen aus bayerische­n Kirchen und Klöstern sind jetzt online zu sehen.

Diederen: Obwohl die Kunsthalle keine eigene Sammlung hat, wollen wir unserem Publikum etwas für zu Hause anbieten. Um die beiden Projekte virtuell erlebbar zu machen, ist der technische Aufwand aber ganz erheblich. Dazu kommen die Bildrechte, vor allem bei Künstlern, die noch nicht lange verstorben sind. Es kann also sehr teuer werden, solche Ausstellun­gen ständig online zur Verfügung zu stellen, und das Publikum ist leider selten bereit, für solche Angebote zu zahlen.

Denken Sie über digitale Alternativ­en nach, wenn Mugler erst in Wochen oder gar nicht eröffnet werden kann? Diederen: Wir sind zuversicht­lich, dass wir in absehbarer Zukunft eröffnen können. Diese grandiose Couture muss man erleben, auch dieses unglaublic­he Handwerk! Die Kunsthalle ist einfach nicht zu ersetzen.

Roger Diederen, 54, begann 2006 als Kurator an der Kunsthalle München. Seit 2013 ist der Niederländ­er deren Direktor.

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Foto: Marc Cramer In München ruhen die Mugler-Kreationen noch in Kisten, in Montreal (Bild) wurden sie schon gezeigt.
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