„Sind wir nur in rosigen Zeiten beliebt?“
Krise Die Kritik an unzureichender Unterstützung der Künstler nimmt zu. Bayern will mit 1000 Euro im Monat helfen
Berlin Die Kritik an der als unzureichend eingeschätzten Förderung von Künstlern in der Corona-Krise reißt nicht ab. Für den früheren Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) ist sie mangelhaft. Zwei Künstlerinitiativen wandten sich zudem in offenen Briefen an die Bundesregierung und Länder.
„Eine umfassende Künstlerförderung in der Krise findet nicht statt“, sagte Baum, der auch Vorsitzender des Kulturrates in Nordrhein-Westfalen ist, in Berlin in einer Stellungnahme. „Das entspricht in keiner Weise der Bedeutung der Kunst in einer freiheitlichen Gesellschaft, gerade jetzt in der Krise.“Baum warf Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) vor, nicht auf bundesweite Proteste aus der Künstlerschaft zu reagieren. „Warum unternimmt Frau Grütters nichts, um hier ,nachzujustieren‘?“, fragte Baum. Grütters verpasse eine große Chance, der Kultur zu helfen. Kunst und Kultur seien in ihrer Weise systemrelevant. „Kunst ist keine Branche wie jede andere. Ihr ,Produkt‘ ist einzigartig. Sie ist in besonderer Weise durch das Grundgesetz geschützt.“
Zudem tut die Bundeskulturpolitik aus Sicht Baums nichts, „um die
Kunst durch einen temporären Nothilfefonds des Bundes jetzt und im Übergang in normalere Zeiten zu stützen“. Grütters hatte zuletzt angekündigt, die Regierung werde bestehende Hilfsmaßnahmen „beständig überprüfen und gegebenenfalls auch nachjustieren“.
Eine Initiative Kulturschaffender in Deutschland veröffentlichte am Montag einen offenen Brief an Bund und Länder, in dem auf die „dramatische und existenzbedrohende Situation“hingewiesen wird. In dem Papier, das den Angaben zufolge bisher mehr als 5000 Künstlerinnen und Künstler unterzeichnet haben, wird unter anderem „ein bundeseinheitliches Vorgehen zur direkten und speziellen Unterstützung“gefordert. Für SoloSelbstständige und freie Kulturschaffende sei eine Soforthilfe zum Ausgleich existenzbedrohender Einbußen notwendig. Ein bundeseinheitliches Programm solle einen monatlichen Bedarf zur Lebenshaltung in Höhe von 1180 Euro sichern.
Einen weiteren offenen
Brief schrieben die Violinistinnen AnneSophie Mutter und Lisa Batiashvili, die Dirigenten Christian Thielemann und Thomas Hengelbrock sowie die Sänger René Pape und Matthias Goerne. Sie fragen darin auch im Namen unbekannterer Künstler: „Sind wir nur beliebt, wenn die Zeiten rosig sind?“Sie fordern mit dem in der Welt veröffentlichten Schreiben, „Künstlerinnen und Künstler in den Stand zu setzen, die nächsten acht, neun, vielleicht auch zwölf Monate zu überbrücken, ohne in unverschuldetes und unverdientes Elend, in die totale Depression abzugleiten“.
Bayern will Künstler im Land mit monatlich 1000 Euro unterstützen. Das kündigte Ministerpräsident Markus Söder in München an. Es gebe zugegebenermaßen eine Gruppe, „die durch jedes Raster fällt“, sagte der CSU-Vorsitzende. Gefördert werden sollen die rund 30000 Künstler, die auch in der Künstlersozialkasse organisiert seien. Ähnlich verfährt bereits Baden-Württemberg. Auch die Vorsitzende des Bundesverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK), Dagmar Schmidt, forderte zuletzt eine entsprechende Regelung bundesweit.