Die Not der Zahnärzte
Pandemie I Kaum eine Berufsgruppe kommt ihren Kunden bei der Behandlung so nah. Und doch wird sie nur stiefmütterlich mit Schutzausrüstung versorgt
Mindelheim Wenn jemand Zahnschmerzen hat, kann er nicht warten, bis die Corona-Krise überstanden ist. „Wir sind zum Dienst verpflichtet“, sagt Dr. Johannes Weber aus Pfaffenhausen. Er ist Obmann der Zahnärzte im Raum Mindelheim, Buchloe, Dirlewang und Pfaffenhausen. Die Versorgung der Patienten würden die Zahnärzte gerne ausüben, gäbe es genügend Schutzausrüstung für die Zahnmediziner und ihre Mitarbeiter. Genau daran aber hapert es, und es ist nicht absehbar, wann überhaupt in ausreichender Menge Schutzausrüstung zur Verfügung steht.
Schon seit Februar, März stockt der Nachschub für Mundschutz und Schutzkleidung. Die Nachfrage weltweit nach solchen Gütern ist im Zuge der Corona-Krise immens gestiegen und auch der Preis. Wenn tatsächlich einmal eine größere Lieferung im Unterallgäu ankommt, sind es nicht die Zahnärzte, die als erstes bedient werden, obwohl sie ihren Kunden besonders nahe kommen. Zuerst kommen die niedergelassenen Ärzte, Gynäkologen und Lungenfachärzte, wie der neue Versorgungsarzt für das Unterallgäu, Dr. Max Kaplan vor Medienvertretern erläutert hat. Dann folgen Seniorenheime und weit am Ende auf der Verteilerliste stehen unter anderem die Zahnärzte und die Bestatter.
Für die Kollegen, die am Wochenende den zahnärztlichen Notdienst aufrecht erhalten, hat Dr. Weber vor wenigen Tagen pro Praxis fünf Masken und zwei Schutzanzüge
zugeteilt bekommen. Der so notwendige Eigenschutz reicht nicht einmal für ein Notdienstwochenende. Die Zahnärzteschaft sieht sich von der Politik vernachlässigt. Bei einer Zahnbehandlung lassen sich die empfohlenen Mindestabstände von eineinhalb Metern nicht einhalten.
So manche Zahnarztpraxis hat den Betrieb massiv zurückgeschraubt, weil sie nicht mehr genügend Schutzkleidung und Schutzmasken vorrätig hat. Für die Zahnärzte versichert Weber: „Wir leisten höchste Sicherheitsvorkehrungen mit einwandfreier Hygiene“, um auch in dieser Krise alle Patienten versorgen zu können.
Beim Medizinischen Versorgungszentrum für Zahnheilkunde, Implantologie & Ästhetik von Dr.
Helmut Baader in Mindelheim ist „der Apparat komplett heruntergefahren worden“, wie Dr. Helmut Baader berichtet. Nur noch ein Notdienst wird aufrechterhalten.
Gesichtsschutz tragen die Mediziner in der Praxis Baader schon immer. Das Lager reicht noch für zwei, drei Wochen. Darunter sind auch FFP II-Masken, die besonders wirkungsvoll Patient und Arzt schützen. Dieser Mundschutz kommt vor allem bei Operationen zum Einsatz.
Alle Eingriffe, die nicht unbedingt notwendig sind, sind verschoben worden. „Ich hoffe, dass wir nach den Osterferien irgendwann wieder normal arbeiten können“, sagt Baader. Auch die Patienten werden allmählich ungeduldig. Immer mehr rufen an und bitten um einen Termin. Die Zeit sei aber noch nicht reif. „Wir werden wohl noch ein paar Wochen überwintern müssen“. Das Ansteckungsrisiko will Baader für alle so gering wie möglich halten. Eine Ausnahme hat er diese Woche für einen Schmerzpatienten gemacht. Dazu musste auch ein Narkosearzt in die Praxis kommen.
Die Praxis beschäftigt rund 70 Mitarbeiter. Für sie wurde Kurzarbeit eingeführt. Für das Unternehmen bedeutet die Corona-Krise massive finanzielle Verluste. Baader weiß aber auch, dass es andere noch viel stärker trifft. Gastronomen oder Caterer hätten viel größere Einbußen zu beklagen. Über die derzeitige Situation sei keiner begeistert – weder die Mitarbeiter noch die Unternehmer.