Wie wir wieder lernten, täglich zu kochen
Corona und wir Im Homeoffice zu arbeiten, ist gut und recht. Nur ist da eine Familie, für die es bei allen Neuerungen eine Gewissheit gibt: Um 12 Uhr knurrt der Magen
Das waren selige Zeiten. Mittags bin ich mit den Kollegen in die Kantine gegangen – nicht nur eine Gelegenheit für ein schmackhaftes Essen, sondern gleichzeitig für einen Plausch. Die Kinder wiederum haben im Kindergarten oder bei den Großeltern gespeist, abends kam die Familie dann wieder zusammen. Seit der CoronaEpidemie ist das erst einmal Vergangenheit. Durch die Kantine in unserem Unternehmen ziehen sich rot-weiße Absperrbänder, den größten Teil meiner Arbeitszeit verbringe ich im Homeoffice, der Kindergarten ist zu. Das Virus hat das Leben in kürzester Zeit geändert. Und doch gibt es eine Konstante: Jeden Mittag ist da eine vierköpfige Familie, deren Mägen knurren. Die Epidemie hat dazu geführt, dass wir wieder gelernt haben zu kochen.
So viel wie in Corona-Zeiten ist lange nicht mehr daheim gebraten, gebacken und frittiert worden. Für die gestandene schwäbische Hausfrau ist das alles nicht neu. Ich aber lerne jeden Tag hinzu. Ohne Corona-Krise wären Jahre vergangen, bis ich einen Schweinebraten fabriziert hätte. Jetzt wanderte kürzlich ein Stück Schweinerücken ins Rohr, dazu Karotten, Sellerie, Lauch, auf dem Herd garten Kartoffelknödel. Und der Koch saß zwei Stunden vor dem Ofen, um zu beobachten, wie sich die Kruste entwickelt. Derart gebannt habe ich früher höchstens
Tim Mälzers TVKochduell
„Kitchen impossible“verfolgt. Das war an einem Wochenende. An Grenzen stößt das Ganze, wenn unter der Woche die Mittagspause nur eine Stunde dauert. In solch einer Stunde kann man locker in die Kantine gehen. Wer aber im Homeoffice kochen will, muss sich sputen. Bei uns zu Hause gab es zuletzt Blitz-Spaghetti (schmeckt jedem), Fisch (schnell durch), Pfannkuchen (leicht zu machen) oder Himbeer-Hirsotto, das wie Milchreis funktioniert, nur mit Hirse (ein Hit bei Kleinkindern). So fühlt man sich an manchen Tagen halb als Journalist, halb als Koch. Interessant wird es nur, wenn der Anruf des Finanzexperten für den morgigen Bericht ebenfalls mittags kommt und der Blick bereits über das Kochbuch wandert. „Ah, die Corona-Krise trifft die Wirtschaft stärker als die Finanzkrise... Schlagen Sie drei Eier auf und rühren diese ein, bis ein zäher, dickflüssiger Teig entsteht.“Gut ist es deshalb für die Texte, dass auch meine Frau häufig und gerne kocht und mir spätestens dann den Kochlöffel aus der Hand nimmt. Mittlerweile haben wir einige Routine entwickelt und können für Abwechslung am Tisch sorgen. Gerade beim Vierjährigen zeichnen sich jedoch Favoriten ab: mehr Schnitzel, weniger Kartoffelsalat, mehr Pudding.
Ah ja, und noch eine Konstante gibt es leider: den Abwasch am Abend. An dieser Stelle berichten Kolleginnen und Kollegen aus der Redaktion vom Alltag in Zeiten von Corona.
Michael Kerler arbeitet als Redakteur im Ressort Politik und Wirtschaft. Er besitzt neun Kochtöpfe.