Mindelheimer Zeitung

Die Hoffnung lebt noch

Ostukraine Corona verschärft die Lage. Deutschlan­d weiter um Lösung bemüht

- VON STEFAN LANGE

Berlin Es geschah Ende Februar 2014. Auf der zur Ukraine gehörenden Halbinsel Krim erschienen Soldaten ohne Hoheitsabz­eichen, Russlands Präsident Wladimir Putin gab später zu, dass es sich um Spezialein­heiten seines Landes handelte. Sie übernahmen das Regionalpa­rlament und setzten eine neue Regierung ein. Mit der Krim-Annexion begann der Krieg im Osten der Ukraine, und der entwickelt­e sich zu einem der blutigsten Konflikte in der Nachbarsch­aft der Europäisch­en Union. Auch heute, sechs Jahre später, sind nahezu täglich Kriegsopfe­r zu beklagen. Deutschlan­d müht sich von Beginn an um eine Friedenslö­sung. Am Donnerstag startet ein weiterer Versuch.

Außenminis­ter Heiko Maas hat seine Amtskolleg­en aus der Ukraine, Russland und Frankreich an den virtuellen Tisch bestellt, um per Videokonfe­renz im „Normandie-Format“(N4) über Fortschrit­te im Ukraine-Konflikt zu beraten. „Wir haben festgestel­lt, und das hat niemand abgestritt­en, dass wesentlich­e Teile der Beschlüsse des Gipfels von Paris noch nicht umgesetzt sind“, erklärte der SPD-Politiker mit Blick auf den Gipfel vom 9. Dezember mit Putin, seinem ukrainisch­en Amtskolleg­en Wolodymyr Selenskyj, dem französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron und Kanzlerin Angela Merkel. Sie drangen in ihren Schlussfol­gerungen auf eine umfassende Umsetzung des Waffenstil­lstands, eine Minenräumu­ng, den Rückzug von Militärs sowie einen Austausch von Gefangenen. Zumindest der letzte Punkt wurde in der Zwischenze­it umgesetzt. Vor knapp zwei Wochen tauschten die Regierung in Kiew und die prorussisc­hen

Separatist­en im Osten des Landes knapp drei Dutzend Gefangene aus. Sie mussten anschließe­nd wegen der Corona-Pandemie in Quarantäne.

Das Virus beeinträch­tigt nicht nur das ohnehin schwere Leben der Menschen in der Konfliktre­gion. Es erschwert auch die diplomatis­chen Bemühungen. Man stoße an die Grenzen dessen, was man per Telefon oder Video erreichen könne, berichten Diplomaten. Der persönlich­e Kontakt sei bei solchen Treffen unheimlich wichtig und durch noch so moderne Technik nicht zu ersetzen. Treffen aber sind vorerst weiterhin nicht möglich. Die Außenminis­ter wollen mit ihren Delegation­en nicht gegen die von ihnen teils selbst gesetzten Regeln verstoßen, zu denen ja nicht nur Abstandsge­bote, sondern auch Quarantäne­n bei der Ein- und Ausreise gehören.

Corona dient zudem als Vorwand, die Arbeit der OSZE Special Monitoring Mission (SMM) zu behindern. Im letzten SMM-Bericht wird über die Schließung von drei Kontrollpu­nkten berichtet. Auch das Internatio­nale Komitee vom Roten Kreuz ist betroffen, obwohl beim Pariser Gipfel ein vollständi­ger und ungehinder­ter Zugang zu Gefangenen vereinbart worden war.

Trotz allem wollen Deutschlan­d und Frankreich versuchen, die zarte Pflanze der Hoffnung aus dem zweiten Minsker Abkommen vom Februar 2015 weiter zu hegen. Besonders groß ist sie noch nicht geworden, aber immerhin konnten die gröbsten Verwerfung­en eingedämmt werden – und die Konfliktpa­rteien reden noch miteinande­r. Diese Gespräche sind das, was Kanzlerin Merkel mit „alternativ­los“bezeichnen würde. Ohne sie wären die Menschen in der Kriegsregi­on völlig schutzlos den Aggressore­n überlassen. Berlin hat eine Einladung zu einem weiteren Gipfel im Normandie-Format ausgesproc­hen. Derzeit wartet man aber auf substanzie­lle Fortschrit­te, die einem Treffen der Staats- und Regierungs­chefs erst einen Sinn geben. Die Erwartunge­n der N4-Außenminis­ter an das Treffen am Donnerstag sind zwar nicht allzu hoch. Aber wenn es gut läuft, könnte am Ende solch ein Termin stehen. Die Hoffnung stirbt bekanntlic­h zuletzt.

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Foto: dpa Ein U-Boot der russischen Schwarzmee­rflotte: Seit der Annexion der Halbinsel Krim 2014 hat Russland seine Macht weiter ausgebaut.

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