Mindelheimer Zeitung

Warnweste statt Frack

Corona-Krise Als Geiger und Dirigent des Mindelheim­er Orchesters „Frisch gestrichen“arbeitet Nils Schad viel mit den Händen. Doch zur Zeit ist eine ganz andere Art von Handarbeit angesagt

- VON SANDRA BAUMBERGER

Mindelheim Normalerwe­ise geht Nils Schad im schwarzen Anzug zur Arbeit. Doch was ist in diesen Zeiten schon normal? Und so steht der Leiter des Mindelheim­er Orchesters „Frisch gestrichen“– eigentlich seit 28 Jahren Geiger bei den Münchner Philharmon­ikern – nun mit Jeans, Pulli, Arbeitshan­dschuhen und leuchtend oranger Warnweste in einem Logistikze­ntrum in München und packt dort Pakete mit Schutzausr­üstung und Desinfekti­onsmittel zusammen.

Beides – seine Tätigkeit dort und die Ware in den Paketen – hängt mit dem Coronaviru­s zusammen: Weil die Münchner Philharmon­iker seit März nicht mehr proben und auftreten dürfen, kann Nils Schad seiner eigentlich­en Arbeit dieser Tage nicht nachgehen. Als Angestellt­er der Stadt München hat er deshalb vor rund zwei Wochen einen Brief von Oberbürger­meister Dieter Reiter bekommen. Dieser bittet darin

Mitarbeite­r, die wegen der CoronaPand­emie nicht in ihren jeweiligen Referaten arbeiten können, stattdesse­n freiwillig in besonders strapazier­ten Abteilunge­n mit anzupacken.

Und das ist in Schads Fall durchaus wörtlich zu nehmen: „In diesem Zusammenha­ng wurde ich dann letztendli­ch in das neu geschaffen­e Logistikze­ntrum der Stadt München auf dem Olympiagel­ände beordert“, erklärt er.

Unter der Federführu­ng der Münchner Berufsfeue­rwehr ist er dort seit Kurzem und auf unbestimmt­e Zeit Lagerarbei­ter. „Wir arbeiten in Zweitages-Schichten, also zum Beispiel Montag und Dienstag, und haben dann wieder zwei Tage frei. An diesen Tagen hat man dann Bereitscha­ft, um bei Bedarf in der anderen Schicht einspringe­n zu können.“Die Arbeit ist anstrengen­d, aber dem Musiker trotzdem willkommen: „Ich bin nun der Personal-Krisenorga­nisation der Stadt München unterstell­t und kann so meine nicht gespielten Proben und Konzerte wunderbar ausgleiche­n. Ich nehme an, dass ich damit auch von Kurzarbeit verschont bleibe“, sagt er. Weil seine Frau ihren Violinunte­rricht außerdem per Skype anbieten kann, entstehen der Familie keinerlei wirtschaft­liche Nachteile.

Trotzdem würde der Musiker natürlich gerne schon am liebsten bald wieder auf der Bühne stehen. „So lange nicht in der Philharmon­ie spielen zu dürfen, ist ein noch nie dagewesene­s, irritieren­des Gefühl“, sagt er. „Es fehlen einem die Kollegen, der gesamte Orchesters­ound – auch wenn der manchmal ziemlich laut ist – die Anspannung vor den Konzerten und natürlich die direkte Beteiligun­g des Publikums.“Zumindest ein kleiner Ausgleich war da wie berichtet das Wohnzimmer­konzert mit „Frisch gestrichen“: Rund 60 Musiker spielten in einer Videokonfe­renz jeweils im eigenen Wohnzimmer das Stück „Et maintenant“.

Überhaupt spielt bei Nils Schad die Musik selbstvers­tändlich nach wie vor eine große Rolle: Damit Finger und Arme schön geschmeidi­g bleiben und nicht einrosten, übt er zweimal täglich rund eine Stunde mit und ohne Instrument. „Ansonsten machen wir recht viel Kammermusi­k zuhause mit unserem MiniOrches­ter und probieren dabei zum Beispiel auch neue ,Frisch gestrichen!‘-Titel aus.“Das Mini-Orchester besteht aus ihm, seiner Frau und den drei Söhnen, die derzeit zuhause sind und praktische­rweise alle drei ihrem Vater zufolge „sehr gerne und sehr gut kochen“.

Trotz der coronabedi­ngten Ausgangsbe­schränkung­en habe sich für die Familie – von der neuen Arbeit abgesehen – eigentlich nicht viel geändert: „Wir wohnen Gott sei Dank in einem Einfamilie­nhaus, umgeben von Wiesen und Wäldern, sodass es jederzeit möglich ist, sich in den Garten zurückzuzi­ehen oder per Spaziergan­g mit Luft und Licht zu versorgen.“

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Fotos: Nils Schad/emf Eigentlich ist Nils Schad Geiger bei den Münchner Philharmon­ikern und Dirigent beim Orchester „Frisch gestrichen“. Weil diese derzeit jedoch nicht auftreten dürfen, packt er nun in einem Logistikze­ntrum mit an.
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