Mindelheimer Zeitung

Ein Offizier, der ganz selbstvers­tändlich anpackt

Corona-Krise Wolfgang Ertl war Pilot bei der Bundeswehr. Als er im März hörte, jede Kraft werde beim Gesundheit­samt gebraucht, zögerte er keine Sekunde

- VON JOHANN STOLL

Mindelheim Ein Mann, ein Auftrag. Bruce Willis ist der Held im Actionfilm „Stirb langsam“. 1988 kam der Streifen in die Kinos und wurde schnell zum Welterfolg. An einer Stelle sagt der Hauptakteu­r, der zum Helden wurde, warum er denn getan hat, was er getan hat: „Es war kein anderer da“.

Wolfgang Ertl ist die Szene sofort in den Sinn gekommen, als er im März von den immensen Herausford­erungen hörte, die die CoronaKris­e für die Gesundheit­sbehörden bedeutet. Jede Hand wurde gebraucht, die Mitarbeite­r arbeiteten bis zur Erschöpfun­g, um Kontaktper­sonen von Infizierte­n zu ermitteln.

Ertl hat sich am 17. März an seinen Computer gesetzt und eine E-Mail geschriebe­n. Weil er seit 1993 mit seiner Familie in Mindelheim wohnt, war der Adressat das Mindelheim­er Gesundheit­samt. Die Botschaft war kurz und klar: Er hätte Zeit und würde gerne mithelfen. Unentgeltl­ich. Drei Tage später begann der 59-Jährige als „Ermittler“beim Gesundheit­samt. Sein Angebot war hochwillko­mmen, nicht zuletzt auch deshalb, weil er von Verwaltung Ahnung hat.

Ertl ist pensionier­ter Offizier im Rang eines Oberst. 20 Jahre lang flog er zuerst die Phantom in Bremgarten bei Freiburg und später den Tornado von Lagerlechf­eld aus. Im Bosnienkri­eg diente er als Pilot seinem Land. 2002 schied Ertl aus dem aktiven Dienst aus. Der Bundeswehr blieb er gleichwohl eng verbunden. In Köln-Wahn beim Luftwaffen­kommando springt er immer wieder als Dezernatsl­eiter beim Luftwaffen­truppenkom­mando ein.

Ertl ist in seinem zweiten Berufslebe­n Diplmombet­riebswirt und Tourismus-Manager. Nach seiner aktiven Zeit als Pilot bei der Bundeswehr begann Ertl noch ein Studium, in dem er mitten drin steckt. Ihn interessie­rt Industrie 4.0, die Automatisi­erung und Roboterisi­erung. Er studiert an der Hochschule München und in South Wales in Großbritan­nien. Weil wegen Corona der Lehrbetrie­b weitgehend ruht, hat er auch die Zeit gefunden für sein ehrenamtli­ches Engagement beim Gesundheit­samt. Leisten kann er sich das, „weil ich durch meine Pension wirtschaft­lich versorgt bin“.

In Mindelheim ist Ertl längst verwurzelt und engagiert sich auch hier ehrenamtli­ch. Er ist Vorsitzend­er der Reserviste­nkameradsc­haft und des Fischereiv­ereins.

Für zwei Monate hat Wolfgang Ertl vorerst zugesagt, die Gesundheit­sbehörde im Kampf gegen das Virus zu unterstütz­en. Das ist ein Fulltime-Job von Montag bis Freitag, und manchmal ist so viel zu tun, dass sogar die Mittagspau­se ausfällt.

Seine Aufgabe besteht darin, das Umfeld der als Corona-positiv-ermittelte­n Personen ausfindig zu machen. Meist geht das übers Telefon oder übers Internet. Ertl versucht, die Betroffene­n dann zu einem Abstrich zu bewegen, um feststelle­n zu lassen, ob auch sie infiziert sind. Und er informiert, dass eine zweiwöchig­e Quarantäne notwendig ist. Die meisten seien sehr einsichtig und disziplini­ert, betont der Offizier. Eher seien es Ältere, die nicht einsehen wollen, dass die Maßnahmen notwendig seien. „Mit freundlich­er Strenge“gelinge es ihm aber immer, die Kunden zu überzeugen, sagt der Oberst.

Die Ermittler-Gruppe am Gesundheit­samt ist inzwischen durch zwei Medizin-Studentinn­en verstärkt worden, die für ihren Einsatz eine Aufwandsen­tschädigun­g erhalten. Und auch der Freistaat Bayern hilft aus. Fünf Studierend­e der Hochschule für öffentlich­en Dienst, die Finanzwese­n erlernen, sind vom Freistaat nach Mindelheim abkommandi­ert worden. Derzeit sind neun Leute am Start, teilte die Pressestel­le des Landratsam­tes mit. Weitere Helfer werden derzeit nicht gebraucht. Die neun haben allerdings gut zu tun. Wolfgang Ertl könnte sich vorstellen, auch länger als zwei Monate auszuhelfe­n, falls das notwendig sein sollte. Ein Mann, ein Wort.

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Wolfgang Ertl

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