Zwei Urgesteine treten zurück
Wahlen Werner Welser und Ernst Striebel wollen trotz ihrer Wiederwahl nicht in den neuen Kirchheimer Marktrat. So begründen beide ihren Rückzug
Kirchheim Es ist ganz normal, dass sich in den nächsten Tagen die neugewählten Gemeinderäte in der Region zu ihrer ersten Sitzung treffen. Und es ist ganz normal, dass in dieser Sitzung ein paar bekannte Gesichter langjähriger Markträte fehlen werden. Außergewöhnlich ist allerdings, was gerade in Kirchheim passiert: Zwei langjährige Markträte werden in der neuen Legislaturperiode nicht mehr am Ratstisch Platz nehmen – und das, obwohl sie von den Bürgern wiedergewählt wurden. Nach 18 beziehungsweise 24 Jahren ehrenamtlichen Engagements in Kirchheim haben beide ihr Rücktrittsgesuch eingereicht, noch bevor das neue Gremium im Mai erstmals zusammenkommt.
Bei den beiden zurückgetretenen Markträten handelt es sich um den unterlegenen Bürgermeisterkandidaten Ernst Striebel jun. und den langjährigen Zweiten Bürgermeister und Bauhofleiter Werner Welser.
Bei den Kommunalwahlen am 15. März hatten sie 881 (Welser) beziehungsweise 841 Stimmen (Striebel) geholt und sind damit klar in den neuen Marktrat eingezogen. In der Wahl um den Bürgermeisterposten unterlag der 45-jährige Striebel aber seiner Gegenkandidatin: Susanne Fischer konnte bereits im ersten Wahlgang 61,4 Prozent der Stimmen auf sich vereinen und gewann – für viele eine Überraschung. Striebel kam nur auf 22,5 Prozent, der dritte Kandidat Erich Wörishofer auf 16,1 Prozent.
Schon am Wahlabend war Ernst Striebel „ehrlich schockiert“über das klare Votum der Wähler. „Ich finde es erstaunlich, dass in der Sicht der Bevölkerung ein unbeschriebenes Blatt so viel mehr wert ist als 18 Jahre im Gemeinderat“, hatte er am
Wahlabend im Gespräch mit der
gesagt.
Mit der endgültigen Entscheidung, sich aus der örtlichen Politik zurückzuziehen, hatte er sich dennoch bis zur vergangenen Woche Zeit gelassen: „Ich wollte die Entscheidung rational treffen.“Er könne verlieren, sagt er, und sei auch weder enttäuscht noch beleidigt, aber er werde künftig mehr Engagement und Energie in seinen Beruf stecken. Auch eine berufliche Veränderung schließt der Diplom-Restaurator nicht aus. Zudem gebe es für seinen Rückzug eine „Vielzahl anderer Gründe, aber darüber möchte ich nicht sprechen“.
Striebel betont, dass seine und Welsers Entscheidung nichts miteinander zu tun hätten, und kommentiert dessen Rückzug mit den Worten:
„Das ist ein herber Verlust.“Welser habe sich bis ins Detail in vielen Angelegenheiten im Ort ausgekannt.
Das ist nicht verwunderlich, wenn man sich Werner Welsers Lebenslauf anschaut. Nach nur eineinhalb Jahren im Gemeinderat wurde er im August 1998 zum Zweiten Bürgermeister gewählt. Dass sich damals einige langjährige Markträte für ihn ausgesprochen haben, habe ihn überrascht, sagt Welser heute. 22 Jahre lang war er stellvertretender Rathauschef in Kirchheim und häufig ein Meinungsführer in Debatten – nun hat auch er sein Rücktrittsgesuch eingereicht. Mit Striebel habe er sich nicht abgesprochen, sagt Welser. Sie hätten sich nur darüber unterhalten, was sich künftig ändern werde. „Es gibt ein paar Sachen, die ich nicht mittragen kann und will“, sagt Welser nur geheimnisvoll dazu. Weil er einem Neuanfang im Marktrat nicht im Wege stehen wolle, habe er sich für den Rückzug entschieden. Schließlich habe er schon vor der Nominierung an ein Ende seines ehrenamtlichen Engagements gedacht und nur deshalb weitergemacht, weil ihn Bürgermeister Hermann Lochbronner, der sich selbst zurückziehen wollte, überredet habe, sagt der 63-Jährige. Sein Amt als Leiter des Bauhofs, in dem er seit fast 40 Jahren arbeitet, beendet Welser voraussichtlich im April 2021. In dieser Position werde er der neuen Bürgermeisterin Susanne Fischer und dem Marktrat gegenüber loyal sein, so Welser. „Ich will das Beste für den Markt Kirchheim.“Er kündigt an, sich auch künftig im Ort engagieren zu wollen, beispielsweise für den Gasthof Adler, der zum Bürger- und Kulturzentrum umgestaltet werden soll.
Nachrücker für Werner Welser und Ernst Striebel sind Karl Scheifele, der bei der Wahl 658 Stimmen erhielt, und Simon Schütz mit 553 Stimmen, von der Überparteilichen Wählervereinigung Kirchheim. Nun müssen beide entscheiden, ob sie die Wahl annehmen.