In der Corona-Krise wächst der Schuldenberg
Stadtrat I Die Ausnahmesituation hinterlässt auch in Bad Wörishofens Haushalt tiefe Spuren. Das über zehn Millionen Euro schwere Investitionspaket kann nur mit viel geliehenem Geld bezahlt werden
Bad Wörishofen Der Kursaal als Sitzungssaal, Sicherheitsabstände zwischen den Tischen als Infektionsschutz, Begrenzung der Zuhörer auf 30 Personen: Die Corona-Krise war im Stadtrat von Bad Wörishofen deutlich sichtbar – und im Haushaltsentwurf deutlich spürbar. Kämmerin Beate Ullrich rechnet mit stark sinkenden Einnahmen, im Gegenzug bleiben hohe Ausgaben, am Ende steht voraussichtlich eine enorme Neuverschuldung.
Rund 10,7 Millionen Euro will – und muss – die Kneippstadt heuer investieren, mehr noch als im Vorjahr. Da sprudelte die Gewerbesteuer aber mit rund 11 Millionen Euro in Rekordhöhe. Heuer hätten es 8,5 Millionen Euro werden können. Doch Ullrich hat eine Million davon nach Gesprächen mit den größten Unternehmern schon einmal abgeschrieben. Corona-Krise. Das bedeutet auch weniger Einnahmen aus dem Tourismus. Entsprechend liegt
„Das ist schon ein guter Brocken“
Kämmerin Beate Ullrich zum voraussichtlichen Anstieg der Schulden
die Erwartung beim Kur- und Fremdenverkehrsbeitrag um eine Million Euro unter dem Vorjahreswert. Man rechne mit 100.000 Übernachtungen weniger, berichtete Ullrich.
7,5 Millionen Euro werden aus der Gewerbesteuer heuer also noch erwartet. Dazu rund 3,6 Millionen Euro aus Grundstücksverkäufen. Ullrich stellte aber klar: „Die müssen auch kommen, sonst brauchen wir weitere Kredite.“Dabei plant die Stadt ohnehin schon mit 4,2 Millionen Euro aus geliehenem Geld. Aber auch das reicht nicht aus, eine weitere Million Euro muss aus den Rücklagen entnommen werden. Unter dem Strich, nach Abzug der Tilgungen, entsteht voraussichtlich eine Nettoneuverschuldung von etwa 3,5 Millionen Euro.
Damit würde der Schuldenberg der größten Stadt des Unterallgäus am Jahresende von 14,5 Millionen Euro auf rund 18 Millionen Euro anwachsen. Das entspricht laut Ull
einer Steigerung von 23,8 Prozent. „Das ist schon ein guter Brocken“, sagte die Kämmerin dazu. „Aber wir investieren in Maßnahmen, die dringend notwendig sind.“Allein 22 Prozent der Ausgaben fließen in den Kanalbau, vor allem in das Regenüberlaufbecken Stockheim, weitere 43 Prozent in Hochbauten, vor allem in den neuen Kindergarten an der Brucknerstraße. Dazu werden für rund 600.000 Euro Feuerwehrfahrzeuge beschafft.
Für die Grund- und Mittelschule müssen heuer Laptops angeschafft werden, damit erfüllt die Stadt staatliche Vorgaben.
Rund 10,7 Millionen Euro betragen mittlerweile die Personalkosten der Stadt, das sind etwa 29 Prozent der Ausgaben. Ab 30 Prozent spräche man von einem kritischen Wert, so Ullrich. Momentan könne man mit den Ausgaben aber „noch leben“. Personal wurde zuletzt vor allem im Kita-Bereich aufgebaut, wo zahlreiche neue Plätze und auch neue Einrichtungen geschaffen wurden. Die Pro-Kopf-Verschuldung der Stadt steigt zum Jahresende voraussichtlich auf 1120 Euro und liegt damit deutlich über dem Landesschnitt vergleichbarer Gemeinden von 659 Euro. Ullrich sagt dazu, hier vergleiche man aber „Äpfel mit Birnen“, da Bad Wörishofen einen Kurbetrieb im Haushalt habe, die meisten anderen Gemeinden aber nicht.
Dieser Kur- und Tourismusbetrieb sorgt heuer allein für ein Defizit von 2,7 Millionen Euro. Die Kämmerin, die ab Mai Bürgermeisterin von Wolfertschwenden sein wird, gab dem Stadtrat mit auf dem Weg, was in der nächsten Zeit getan werden sollte, um die Finanzlage im Griff zu behalten. Budgetierungen von Werbekosten, dem Kurbetrieb und dem Bauunterhalt gehören dazu, ein effektives Controlling, besonders der Baumaßnahmen, eine Neuausrichtung des defizitären Veranstaltungswesens und die Nutrich zung betrieblichen Vorschlagswesens sind hier genannt. Ansonsten müsse die Stadt Dienstleistungen einschränken, Personal abbauen und freiwillige Leistungen bis auf Null zurückfahren, was auch die Vereine treffen würde.
Für das laufende Jahr werde man mit Kurzarbeit für einen Teil der Stadtverwaltung auf die Krise reagieren, zudem sollte der Verkauf nicht mehr benötigter Grundstücke und Gebäude geprüft werden, so Ullrich. Vor allem im Bereich des Kur- und Tourismusbetriebes sei ihr „da was aufgefallen“, sagte sie, ohne Details zu nennen. Eine Neuausrichtung des Kur- und Tourismusbetriebes hält sie für nötig, möglich wäre auch eine partielle Haushaltssperre.
Der amtierende und zukünftige Bürgermeister Stefan Welzel (CSU) betonte, mit Einnahmen auf dem Niveau des Vorjahres hätte man den Haushalt heuer ausgleichen können. Nach kameralen Gesichtspunkten sei er es sogar. Allerdings arbeitet Bad Wörishofen mit einer kaufmännischen Haushaltsführung, der Doppik. Hier reichte es am Ende nicht. Auch deshalb, weil der Freistaat die Zuschüsse für den teueren Kindergartenbau heuer doch nicht auszahlt, wie Welzel betonte. Er richtete deshalb „einen Appell an München, den kommunalen Sektor nicht alleine“zu lassen. „Was wir nun brauchen, ist Handlungsfähigkeit“, sagt Welzel. „Das Leben muss auch mit Corona weitergehen.“
Deshalb wünsche er sich von der Landesregierung auch ein Sonderförderprogramm für Kurorte, so wie in Baden-Württemberg. Große Skepsis an der Genehmigungsfähigkeit des Haushalts angesichts der hohen Kredite äußerte FW-Fraktionssprecher Wolfgang Hützler. Er werde dem Etat deshalb nicht zustimmen, sagte er. Am Ende der Debatte genehmigte der Rat den Haushalt 2020 mit 19:2 Stimmen.