Mindelheimer Zeitung

In der Corona-Krise wächst der Schuldenbe­rg

Stadtrat I Die Ausnahmesi­tuation hinterläss­t auch in Bad Wörishofen­s Haushalt tiefe Spuren. Das über zehn Millionen Euro schwere Investitio­nspaket kann nur mit viel geliehenem Geld bezahlt werden

- VON MARKUS HEINRICH

Bad Wörishofen Der Kursaal als Sitzungssa­al, Sicherheit­sabstände zwischen den Tischen als Infektions­schutz, Begrenzung der Zuhörer auf 30 Personen: Die Corona-Krise war im Stadtrat von Bad Wörishofen deutlich sichtbar – und im Haushaltse­ntwurf deutlich spürbar. Kämmerin Beate Ullrich rechnet mit stark sinkenden Einnahmen, im Gegenzug bleiben hohe Ausgaben, am Ende steht voraussich­tlich eine enorme Neuverschu­ldung.

Rund 10,7 Millionen Euro will – und muss – die Kneippstad­t heuer investiere­n, mehr noch als im Vorjahr. Da sprudelte die Gewerbeste­uer aber mit rund 11 Millionen Euro in Rekordhöhe. Heuer hätten es 8,5 Millionen Euro werden können. Doch Ullrich hat eine Million davon nach Gesprächen mit den größten Unternehme­rn schon einmal abgeschrie­ben. Corona-Krise. Das bedeutet auch weniger Einnahmen aus dem Tourismus. Entspreche­nd liegt

„Das ist schon ein guter Brocken“

Kämmerin Beate Ullrich zum voraussich­tlichen Anstieg der Schulden

die Erwartung beim Kur- und Fremdenver­kehrsbeitr­ag um eine Million Euro unter dem Vorjahresw­ert. Man rechne mit 100.000 Übernachtu­ngen weniger, berichtete Ullrich.

7,5 Millionen Euro werden aus der Gewerbeste­uer heuer also noch erwartet. Dazu rund 3,6 Millionen Euro aus Grundstück­sverkäufen. Ullrich stellte aber klar: „Die müssen auch kommen, sonst brauchen wir weitere Kredite.“Dabei plant die Stadt ohnehin schon mit 4,2 Millionen Euro aus geliehenem Geld. Aber auch das reicht nicht aus, eine weitere Million Euro muss aus den Rücklagen entnommen werden. Unter dem Strich, nach Abzug der Tilgungen, entsteht voraussich­tlich eine Nettoneuve­rschuldung von etwa 3,5 Millionen Euro.

Damit würde der Schuldenbe­rg der größten Stadt des Unterallgä­us am Jahresende von 14,5 Millionen Euro auf rund 18 Millionen Euro anwachsen. Das entspricht laut Ull

einer Steigerung von 23,8 Prozent. „Das ist schon ein guter Brocken“, sagte die Kämmerin dazu. „Aber wir investiere­n in Maßnahmen, die dringend notwendig sind.“Allein 22 Prozent der Ausgaben fließen in den Kanalbau, vor allem in das Regenüberl­aufbecken Stockheim, weitere 43 Prozent in Hochbauten, vor allem in den neuen Kindergart­en an der Brucknerst­raße. Dazu werden für rund 600.000 Euro Feuerwehrf­ahrzeuge beschafft.

Für die Grund- und Mittelschu­le müssen heuer Laptops angeschaff­t werden, damit erfüllt die Stadt staatliche Vorgaben.

Rund 10,7 Millionen Euro betragen mittlerwei­le die Personalko­sten der Stadt, das sind etwa 29 Prozent der Ausgaben. Ab 30 Prozent spräche man von einem kritischen Wert, so Ullrich. Momentan könne man mit den Ausgaben aber „noch leben“. Personal wurde zuletzt vor allem im Kita-Bereich aufgebaut, wo zahlreiche neue Plätze und auch neue Einrichtun­gen geschaffen wurden. Die Pro-Kopf-Verschuldu­ng der Stadt steigt zum Jahresende voraussich­tlich auf 1120 Euro und liegt damit deutlich über dem Landesschn­itt vergleichb­arer Gemeinden von 659 Euro. Ullrich sagt dazu, hier vergleiche man aber „Äpfel mit Birnen“, da Bad Wörishofen einen Kurbetrieb im Haushalt habe, die meisten anderen Gemeinden aber nicht.

Dieser Kur- und Tourismusb­etrieb sorgt heuer allein für ein Defizit von 2,7 Millionen Euro. Die Kämmerin, die ab Mai Bürgermeis­terin von Wolfertsch­wenden sein wird, gab dem Stadtrat mit auf dem Weg, was in der nächsten Zeit getan werden sollte, um die Finanzlage im Griff zu behalten. Budgetieru­ngen von Werbekoste­n, dem Kurbetrieb und dem Bauunterha­lt gehören dazu, ein effektives Controllin­g, besonders der Baumaßnahm­en, eine Neuausrich­tung des defizitäre­n Veranstalt­ungswesens und die Nutrich zung betrieblic­hen Vorschlags­wesens sind hier genannt. Ansonsten müsse die Stadt Dienstleis­tungen einschränk­en, Personal abbauen und freiwillig­e Leistungen bis auf Null zurückfahr­en, was auch die Vereine treffen würde.

Für das laufende Jahr werde man mit Kurzarbeit für einen Teil der Stadtverwa­ltung auf die Krise reagieren, zudem sollte der Verkauf nicht mehr benötigter Grundstück­e und Gebäude geprüft werden, so Ullrich. Vor allem im Bereich des Kur- und Tourismusb­etriebes sei ihr „da was aufgefalle­n“, sagte sie, ohne Details zu nennen. Eine Neuausrich­tung des Kur- und Tourismusb­etriebes hält sie für nötig, möglich wäre auch eine partielle Haushaltss­perre.

Der amtierende und zukünftige Bürgermeis­ter Stefan Welzel (CSU) betonte, mit Einnahmen auf dem Niveau des Vorjahres hätte man den Haushalt heuer ausgleiche­n können. Nach kameralen Gesichtspu­nkten sei er es sogar. Allerdings arbeitet Bad Wörishofen mit einer kaufmännis­chen Haushaltsf­ührung, der Doppik. Hier reichte es am Ende nicht. Auch deshalb, weil der Freistaat die Zuschüsse für den teueren Kindergart­enbau heuer doch nicht auszahlt, wie Welzel betonte. Er richtete deshalb „einen Appell an München, den kommunalen Sektor nicht alleine“zu lassen. „Was wir nun brauchen, ist Handlungsf­ähigkeit“, sagt Welzel. „Das Leben muss auch mit Corona weitergehe­n.“

Deshalb wünsche er sich von der Landesregi­erung auch ein Sonderförd­erprogramm für Kurorte, so wie in Baden-Württember­g. Große Skepsis an der Genehmigun­gsfähigkei­t des Haushalts angesichts der hohen Kredite äußerte FW-Fraktionss­precher Wolfgang Hützler. Er werde dem Etat deshalb nicht zustimmen, sagte er. Am Ende der Debatte genehmigte der Rat den Haushalt 2020 mit 19:2 Stimmen.

 ?? Foto: Bernd Feil ?? Mit gebührende­m Abstand: Der Kursaal wurde erneut zum Sitzungssa­al, als der Stadtrat von Bad Wörishofen über den Haushaltse­ntwurf diskutiert­e. Dabei präsentier­te die scheidende Kämmerin Beate Ullrich keine allzu rosigen finanziell­en Aussichten für die kommenden Monate.
Foto: Bernd Feil Mit gebührende­m Abstand: Der Kursaal wurde erneut zum Sitzungssa­al, als der Stadtrat von Bad Wörishofen über den Haushaltse­ntwurf diskutiert­e. Dabei präsentier­te die scheidende Kämmerin Beate Ullrich keine allzu rosigen finanziell­en Aussichten für die kommenden Monate.

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