Studie sieht Mitschuld der Bischöfe am Weltkrieg
Katholische Bischöfe zur Zeit des Nationalsozialismus haben sich einer kirchlichen Untersuchung zufolge „mitschuldig“am Zweiten Weltkrieg gemacht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Veröffentlichung, die die Deutsche Bischofskonferenz am Mittwoch zum 75. Jahrestag des Weltkriegsendes am 8. Mai vorstellte. „Bei aller inneren Distanz zum Nationalsozialismus und bisweilen auch offener Gegnerschaft war die katholische Kirche in Deutschland Teil der Kriegsgesellschaft“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Kommission Justitia et Pax, Bischof Heiner Wilmer. Ein Kernsatz des neuen Dokuments: „Indem die Bischöfe dem Krieg kein eindeutiges ,Nein‘ entgegenstellten, sondern die meisten von ihnen den Willen zum Durchhalten stärkten, machten sie sich mitschuldig am Krieg.“
Prof. Matthias Kleiner: Wissenschaft schafft keine absoluten Wahrheiten, sondern Wissen, das so lange gültig ist, bis es durch neue Erkenntnisse bestätigt, ergänzt oder widerlegt wird. In einer Situation, wie wir sie derzeit mit einem auch für die Fachleute neuen Virus erleben, wächst und verändert sich dieses Wissen täglich. Deshalb muss man Einschätzungen gegebenenfalls auch ändern, weil man mehr weiß und neue Fakten sieht, die man bisher nicht einberechnet hatte. Insofern werden die Menschen im Moment tatsächlich Zeugen einer guten Wissenschaft. Das gilt insbesondere auch, wenn früher getroffene Beurteilungen bei neuer Faktenlage korrigiert werden und dies transparent begründet wird.
Allerdings machen auch manche Politiker Stimmung gegen Wissenschaftler und werfen ihnen Widersprüche vor. Haben die ein falsches Bild von der Wissenschaft?
Kleiner: Ich halte das – geschuldet der momentan doch angespannten Situation – eher für Ausnahmen. Wir erleben vielmehr eine Vertrauen schaffende Zusammenarbeit von guter Politik, guter Verwaltung und guter Wissenschaft. Das liegt aber auch klar daran, dass die Wissenschaft von Anfang an erklärt hat, dass man vieles noch nicht weiß und erst herausfinden muss. Wir befinden uns noch auf einem Lernpfad und können teilweise nur erste Einschätzungen und Empfehlungen abgeben. Und wo Unsicherheit besteht, muss dies transparent deutlich gemacht werden. Allerdings geht die Lernkurve steil nach oben. Und klar ist auch, dass nicht die Wissenschaft entscheidet. Sie liefert Wissen und Empfehlungen für unsere demokratisch legitimierte Politik, die dann die Entscheidungen treffen muss.
Kann es aber nicht zu einer Vertrauenskrise kommen, wenn die Bevölkerung den Eindruck hat, Wissenschaftler wissen zu wenig und sind uneins? Kleiner: Nein, ich erlebe im Gegenteil, dass Bedeutung und Arbeitsweise von Wissenschaft viel klarer geworden sind. Ich sehe eher ein großes Vertrauensverhältnis etwa darin, wie Empfehlungen, auch freiwillig, umgesetzt werden. Und das Vertrauen steigt, wenn Wissenschaftler vor laufenden Kameras
aktuellen Erkenntnisprozesse darlegen und erklären, wo und wie sie dazugelernt haben. Hier ist diese Krise eine Chance: Die Viruskrise macht Wissenschaft noch klarer für alle erlebbar und verankert sie stärker in der Gesellschaft. Wissenschaft steht nicht in einem Elfenbeinturm außerhalb der Gesellschaft. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten in der Gesellschaft für die Gesellschaft, die Forschung für ihre Zukunft braucht. Und ich habe sehr großen Respekt, vor allem vor den vielen jungen Leuten in unseren Instituten, die jetzt gerade unter schwierigsten Bedingungen mit Hochdruck an der Forschung zur Bewältigung der vielfältigen Aspekte dieser Krise arbeiten.
Wenn es innerhalb der Virologen unterschiedliche Bewertungen gibt, schreiben die Medien gern von Streit. Aber gehört die kritische Auseinandersetzung unter Kollegen nicht zur modernen Wissenschaft unbedingt dazu? Kleiner: Ja, Kooperation, genauso aber auch Konkurrenz und Kontrosind schon immer Wesensmerkmale von Wissenschaft. Dass das jetzt als Streit dargestellt wird, gehört wohl leider zur Mechanik unserer Erregungsgesellschaft. Für die Wissenschaft ist das aber ein völlig normaler Vorgang. Wir brauchen lebendige und produktive Debatten. Heute arbeiten sehr oft unterschiedliche Arbeitsgruppen an demselben Thema und interpretieren manchmal Daten unterschiedlich. Aber am Ende fließt alles in geordneten Prozessen zu einem gemeinsamen Wissen zusammen, das die Gemeinschaft eines Fachgebiets für richtig und gesichert hält. Für eine hohe Qualität von Wissenschaft sind diese Vielfalt und diese konstruktiven Kontroversen sehr wichtig.
Wie groß ist der subjektive Faktor Mensch in der Wissenschaft, wenn unterschiedliche Blickwinkel und Interpretationen so eine große Rolle spielen? Kleiner: Wissenschaft lebt von Ideen, von originellen Forschungsansätzen, Fragen und Schlussfolgerungen. Natürlich gibt es eine hohe Systemaihre tik in der Forschung, aber es kommt eben auch auf Kreativität an. Deshalb ist der Faktor Mensch bei wissenschaftlichen Innovationen eine ganz wesentliche Größe. Es kommt dabei natürlich auch auf Erfahrung, Wissen und Kommunikation an, vor allem, wenn sich Forschung über mehrere Fachrichtungen interdisziplinär erstreckt.
Wie funktioniert moderne Wissenschaft, zum Beispiel ein Prozess vom gelungenen Experiment bis zum anerkannten Konsens?
Kleiner: Wenn man beispielsweise etwas Neues entdeckt oder eine neue Erkenntnis entwickelt hat, macht man erste Experimente und diskutiert die Daten mit den Fachkollegen in der wissenschaftlichen Community. Man stellt seine Ergebnisse auf Fachkongressen vor, hält Vorträge, tauscht sich aus und erhält Reaktionen. Zudem gibt es Vorveröffentlichungen, sogenannte PrePrints auf Portalen im Internet, damit die Fachcommunity dazu Stellung nehmen kann und vielleicht anversen
Wie beurteilen Sie die Rolle der Medien, wenn sie über Ergebnisse oder Debatten der Wissenschaft berichten und sie dabei oft vereinfacht oder zugespitzt darstellen?
Kleiner: Die Wissenschaft ist auf die Vermittlungskompetenz der Medien angewiesen. Der Journalismus spielt für Wissenschaft und Forschung bei der Verbreitung von Wissen, Fakten, Einschätzungen eine ganz wichtige Rolle. Nicht jeder Wissenschaftler oder jede Wissenschaftlerin ist als Kommunikator geboren. Deshalb brauchen wir Wissenschaftsjournalisten, die nicht nur die Erkenntnisse aus der Forschung verständlich machen, sondern auch einen eigenständigen kritischen Blick auf das werfen, was wir in der Wissenschaft tun. Es ist für uns eine bedenkliche Entwicklung, wenn in Medienhäusern nun ausgerechnet die Wissenschaftsressorts immer mehr unter Spardruck geraten. Die jetzige Krise lehrt uns, dass wir gerade hier mehr Ressourcen brauchen. Vor allem auch, wenn man auf Fake News und das Streuen falscher Fakten und von Verschwörungstheorien blickt, wie wir es derzeit verstärkt erleben.
Matthias Kleiner Der 64-jährige Maschinenbau-Professor ist seit 2014 Präsident der renommierten LeibnizGemeinschaft. Der Zusammenschluss von 96 außeruniversitären Forschungseinrichtungen ist nach dem Universalgelehrten
Gottfried Wilhelm
Leibniz (1646–1716) benannt. Zuvor war
Kleiner langjähriger Präsident der Deutschen Forschungsgesellschaft DFG.