Das geschah kurz vor dem Zugunglück
Verkehr Die Umstände des Unfalls mit zwei Toten in Aichach sind jetzt aufgeklärt
Aichach Er hat bald Dienstschluss. Im Aichacher Bahnhof wartet seine Ablösung. Doch der 37-jährige Lokführer kommt nie dort an. 500 Meter davor prallt der Zug der Bayerischen Regiobahn (BRB) aus Richtung Dasing auf einen wartenden Güterzug. Bei dem Unglück am 7. Mai 2018 um 21.17 Uhr kommen der Lokführer und eine 73-jährige Passagierin ums Leben. Zwei Menschen werden schwer, elf leicht verletzt. Seit Mittwoch liegt der Untersuchungsbericht der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung (BEU) vor. Er gibt Einblick in die Sekunden vor der Tragödie.
Der Bericht enthält bislang nie veröffentlichte Details. Dazu gehört der Sachschaden: Er beläuft sich auf über fünf Millionen Euro. Dazu gehören aber auch die Reaktionen der Beteiligten. Der Lokführer zum Beispiel hat verhindert, dass vermutlich noch mehr Menschen ums Leben kommen. Das hat die BRB bereits zwei Monate nach dem Unglück in einem Interview mit unserer Redaktion hervorgehoben. Im BEU-Bericht ist nun schwarz auf weiß belegt: Der 37-jährige Triebfahrzeugführer erkennt damals das Hindernis. Er bremst den Zug in 130 Metern von 90 auf 57 Stundenkilometer herunter. Das war die Aufprallgeschwindigkeit.
Der Führer des Güterzugs sieht den Zug auf sich zukommen. Bevor er richtig reagieren kann, wird er durch den Aufprall gegen seinen Führertisch und dann zu Boden geschleudert. Danach leistet er Erste Hilfe bei einigen Fahrgästen. Er selbst erleidet einen Schock.
Schon kurz vor dem Aufprall ist dem 24-jährigen Fahrdienstleiter, der an diesem Tag schon Frühschicht in Radersdorf geleistet hat, klar, dass ihm ein verhängnisvoller Fehler passiert ist. Obwohl auf Gleis zwei der Güterzug steht, hat er vergessen, die Hilfssperren anzubringen. Der Passagierzug hat freie Fahrt. Im Bahnhof murmelt der 24-Jährige plötzlich: „Scheiße ich habe die Einfahrt auf zwei gestellt.“Er stellt noch einen Hebel um, bedient den Notruf am Zugfunkgerät und will einen Auftrag zum „Nothalt“absetzen. Doch da knallt es schon. Er eilt zur Unfallstelle und versucht, Erste Hilfe zu leisten. Die strafrechtlichen Konsequenzen für den jungen Mann stehen im Januar 2019 fest. Er erhält eine zehnmonatige Bewährungsstrafe wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Gefährdung des Bahnverkehrs.
Die Schlussfolgerung der BEU ist keine Überraschung. Sie verweist auf ein ähnliches Zugunglück in Leese-Stolzenau und die dort getroffenen Empfehlungen: die Nachrüstung des Bahnhofes. In Aichach muss ein Fahrdienstleiter im Stellwerk von 1949 bis heute eine „Fahrwegprüfung durch Hinsehen“durchführen. Eine Gleisfreimeldeanlage hätte das Einfahren in das besetzte Gleis grundsätzlich verhindern können, so die BEU. Die technische Lösung in Aichach ist in Arbeit. Am 13. Mai soll das neue System in Betrieb genommen werden.